Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
zur Abwechslung stellen wir Euch einmal etwas Exotisches vor. Wir veröffentlichen hier für Euch ein interessantes Urteil aus Wien zu den Sachverständigenkosten gegen die Wiener Städtische Versicherung AG. Auch in Österreich gehören die Sachverständigenkosten zu den Wiederherstellungskosten und wurden – ohne wenn und aber – zugesprochen. Selbst nachdem der deutsche Geschädigte einen Sachverständigen in seinem Heimatland beauftragt hatte, gab es keine Diskussion über die Erstattungsfähigkeit der berechneten Sachverständigenkosten. Und vor allem gab es keine Angemessenheitsprüfung á la BGH nach BVSK, JVEG usw. Die Österreicher wissen offensichtlich, wie Schadensersatzrecht geht, denn entscheidend ist die Erforderlichkeit und nicht die Angemessenheit einzelner Rechnungsposten. Lest aber selbst das österreichische Urteil vom Januar 2017 und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
REPUBLIK ÖSTERREICH 22 C 1197/16
BEZIRKSGERICHT INNERE STADT WIEN
IM NAMEN DER REPUBLIK
(Gekürzte Urteilsausfertigung gemäß § 417 Abs 1a ZPO)
Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien hat durch seinen Richter M. in der Rechtssache der klagenden Partei … , vertreten durch Dr. P. W., Rechtsanwalt in … , wider die beklagte Partei Wiener Städtische Versicherung AG Vienna Insurance Group, Schottenring 30, 1010 Wien, vertreten durch Rechtsanwalt … , in … , wegen zuletzt EUR 398,90 samt Anhang, nach durchgeführter Streitverhandlung zu Recht erkannt und wie folgt berichtigt:
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von EUR 398,90 sowie 4% Zinsen aus EUR 548.90 vom 26.9.2015 bis 22.10.2015 sowie 4% aus EUR 398,90 vom 23.10.2015 zu zahlen, sowie die mit EUR 716,90 (darin EUR 71,4 Barauslagen und EUR 109,32 USt) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Entscheidungsgründe:
Am 28.7.2015 ereignete sich gegen 4.50 Uhr in 6134 Vomp, auf der A-12 Inntalautobahn in Fahrtrichtung Kufstein, ein Verkehrsunfall zwischen dem von der klagenden Partei gehaltenen und von F. M. gefahrenen LKW samt Anhänger (Marke: Volvo) mit dem deutschen Kennzeichen … und dem bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten und von M. D. gefahrenen PKW (Marke: Peugeot, amtliches Kennzeichen: … ). Dies steht außer Streit.
Die klagende Partei begehrte mit Mahnklage EUR 402,53 und führte aus, dass der Lenker des Beklagtenfahrzeugs in den Anhänger des Klagsfahrzeugs gefahren sei, woraus ein Sachschaden entstanden sei und das Alleinverschulden den Lenker des Beklagtenfahrzeuges treffe. Die klagende Partei habe in der Folge, um die Schadenersatzforderungen des Schadens am Klagsfahrzeug beziffern zu können, sowie aus Gründen der Beweissicherung, ein Sachverständigengutachten eingeholt. Die beklagte Partei habe den geltend gemachten Schaden bezahlt, jedoch wurden nicht die gesamten Nettokosten für die Einholung des Sachverständigengutachtens in Höhe von EUR 698,90 ersetzt. Die beklagte Partei habe zwei Teilzahlungen von jeweils EUR 150,– geleistet, woraus sich nach Abzug der gezahlten EUR 300,– ein Klagsbetrag von EUR 398,90 mit einem Zinslauf ab 22.10.2015 zu 4% Zinsen ergebe.
Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach und brachte vor, dass der klagenden Partei ein grober Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vorzuwerfen sei und durch die Bezahlung von EUR 300,– eine großzügige Erledigung erfolgt worden sei. Weiters werde der Beginn des Zinslaufes, welcher in der Mahnklage mit 22.10.2015 datiert sei bestritten, da mit diesem Stichtag keine ziffernmäßige Geltendmachung in der Höhe des nunmehrigen Klagsbetrages gegeben sei.
In ihrem Schriftsatz vom 14.11.2016 brachte die klagende Partei vor, dass die beklagte Partei verpflichtet sei, Schadenersatzleistung für ein notwendiges Sachverständigengutachten zu leisten, welches dem Nachweis und der Bestimmung der Höhe des geltend gemachten Schadens dient. Es sei der beklagten Partei nicht möglich gewesen, das Fahrzeug in eine Begutachtungsstelle der beklagten Partei zu verbringen, da es aufgrund des Transportauftrages notwendig war, weitere Verzögerungen zu vermeiden. Eine Schadensbegutachtung in Österreich wäre für die klagende Partei mit einem hohen Aufwand verbunden gewesen und zudem sei ein Geschädigter nicht verpflichtet, die Begutachtung bei einer vom Schädiger bestimmten Stelle durchführen zu lassen. Die klagende Partei schränkte weiters in dem Schriftsatz vom 14.11.2016 das Klagebegehren auf EUR 398,90 samt 4% Zinsen aus EUR 548,90 von 26.9.2015 bis 22.10.2015, sowie auf 4% Zinsen aus EUR 398,90 vom 23.10.2015 ein.
In ihrem Schriftsatz vom 28.11.2016 brachte die beklagte Partei ergänzend vor, dass die Erstellung eines Gutachtens der geklagten Partei EUR 109,– gekostet hätte und es der klagenden Partei möglich gewesen sei, die Schadensbegutachtung in kostengünstigerer Form zu erhalten.
Die klagende Partei brachte in ihrem Schriftsatz vom 30.11.2016 vor, dass es nicht unter die Schadensminderungspflicht falle, den Geschädigten dazu zu verpflichten, die Schadensbehebungskosten auf ein Minimum zu reduzieren, ebenso sei er nicht dazu verpflichtet, den Anweisungen des Schädigers Folge zu leisten, in welcher Form und bei wem er die Schadensbehebung durchführen lasse. Der Geschädigte könne nicht dazu angehalten werden unter mehreren Reparaturwerkstätten die günstigste auszusuchen, da bekannt sei, dass Professionisten ihre Leistungen innerhalb einer gewissen Bandbreite anbieten. Daraus ergebe sich, dass auch bei der Ausmittlung der Schadenshöhe nicht anders verfahren werden könne und der Schädiger die anfallenden Kosten in angemessener Höhe zu ersetzen habe, da es sich bei diesen Kosten um einen Teil des vom Schädiger zu ersetzenden Schadens handle.
Beweise wurden aufgenommen durch Verlesung und Einsichtnahme in die nachstehenden Unterlagen:
Anspruchsschreiben von Rechtsanwalt A. W. (Beilage VA), Korrespondenz zwischen Huk-Coburg und A. W. (Beilage ./B), Verkehrsunfallbericht LPD Tirol (Beilage .IC), Sachverständigengutachten (Beilage ./D), Rechnung des Sachverständigen (Beilage VE).
Sachverhalt:
Fest steht, dass sich am 28.7.2015 gegen 4:50 Uhr eine Kollision auf derA-12 Inntalautobahn in Fahrtrichtung Kufstein ereignete. Es entstand dabei ein Sachschaden am Anhänger des Klagsfahrzeugs. Das Klagsfahrzeug verblieb nicht zur Schadensbegutachtung in Tirol, denn es wurde an den Sitz der klagenden Partei zurückgeführt, um von dort aus die weitere Schadensregulierung vorzunehmen. Von der klagenden Partei wurde, um die Höhe der Schadenersatzforderungen beziffern zu können, der Sachverständige A. S. mit der Feststellung der Schäden am Klagsfahrzeug beauftragt. Dieser erstellte ein Gutachten und begehrte mit der Rechnung vom 4.8.2015 die Vergütung seiner Aufwendungen in Höhe von EUR 698,90. Die beklagte Partei tätigte daraufhin zwei Teilzahlungen in Höhe von jeweils EUR 150,– , jedoch ersetzte sie nicht die gesamten Nettokosten für die Einholung des Sachverständigengutachtens, denn nach Subtraktion der bereits geleisteten EUR 300,– bleibt ein Betrag in Höhe von EUR 398,90 offen.
Rechtlich folgt:
Gemäß § 1295 ABGB ist jedermann berechtigt, vom Schädiger den Ersatz des Schadens, welchen dieser ihm aus Verschulden ohne Beziehung auf einen Vertrag zugefügt hat, zu verlangen.
Die Kosten für die Ausmittlung der Schadenshöhe sind ein Teil des vom Schädiger zu ersetzenden Schadens. Beim Ersatz der Kosten für die Bestimmung der Schadenshöhe verhält es sich nicht anders, wie beim Ersatz der Reparaturkosten. Es obliegt dem Geschädigten, sich innerhalb des Angebots an Reparaturwerkstätten eine auszusuchen, wobei er nicht dazu verpflichtet ist, die günstigste zu wählen. Professionisten bieten ihre Leistungen innerhalb einer gewissen angemessenen Bandbreite an und die finale Entscheidung liegt beim Geschädigten, der an einen Vorschlag oder an eine Anweisung des Schädigers nicht gebunden ist. Daher verhält sich der Teil der Schadensgutmachtung, der aus der Ausmittlung der Schadenshöhe besteht nicht anders als der Teil der Schadensgutmachung der aus den Reparaturkosten besteht. Der Geschädigte darf daher einen Sachverständigen wählen und dessen Kosten sind vom Schädiger in angemessener Höhe zu ersetzen. Es liegt hier auch kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht gemäß § 1304 vor, da unter den Begriff Schadensminderungspflicht nicht die Verpflichtung fällt, die Schadensbehebungskosten auf ein Minimum zu reduzieren.
Ausgehend von den Feststellungen ist der klagenden Partei daher das eingeschränkte Klagebegehren in Höhe von EUR 398,90, sowie 4% Zinsen aus EUR 548,90 vom 26.9.2015 bis 22.10.2015, sowie 4% aus EUR 398,90 vom 23.10.2015 zuzusprechen. Gemäß § 419 ZPO wurde das Urteil von Amts wegen aufgrund einer offenbaren Unrichtigkeit berichtigt. Es entsprach nicht dem wahren Willen des Gerichts der klagenden Partei EUR 448,90 zuzusprechen, daher war eine Berichtigung auf EUR 548,90 vorzunehmen.
Von einer weiteren Ausführung der Entscheidungsgründe kann Abstand genommen werden, da das Urteil in Gegenwart beider Parteien verkündet wurde und von keiner Partei fristgerecht Berufung angemeldet wurde.
Hinsichtlich der Kostenentscheidung ist folgendes auszuführen:
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs 2 ZPO iVm § 54 Abs 1 a ZPO.
Die Anwendbarkeit des § 43 Abs 2 ZPO stützt sich darauf, dass der Kläger bezüglich des Teils der Forderung, um den er sein Begehren eingeschränkt hat, als unterlegen anzusehen ist. Da der Gegner aber nur mit einem verhältnismäßig geringfügigen Teil seines Anspruchs unterlegen ist, hat die beklagte Partei der klagenden Partei die Prozesskosten in voller Höhe zu ersetzen.
Bezirksgericht innere Stadt Wien, Abteilung 22
Wien, 31. Jänner 2017