BGH entscheidet, dass bei konkreter Schadensabrechnung der Geschädigte sich einen Werksangehörigenrabatt anrechnen lassen muss (BGH Urt. v. 18.10.2011 – VI ZR 17/11 -).

Wie so oft musste der VI. Zivilsenat des BGH, zuständig u.a. auch für Schadensersatz aus Verkehrsunfällen, über die Abrechnungsweise und die Höhe des Schadensersatzes entscheiden. Nunmehr liegt die Entscheidung des VI. Zivilsenates in Kurzform vor. Daraus ergeben sich folgende Grundsätze: 

1. Der zunächst fiktiv abrechnende Geschädigte ist nicht gehindert, nach erfolgter Reparatur dann konkret abzurechnen.

2. Der Geschädigte muss sich bei seiner konkreten Schadensabrechnung einen gewährten Werksangehörigenrabatt anrechnen lassen.

Bei einem Verkehrsunfall wurde der Pkw des Klägers, ein BMW-Mini, beschädigt. Die volle Haftung des Unfallverursachers ist unbestritten. Der Kläger ließ seinen Unfallschaden durch einen Sachverständigen begutachten.  Der vom Kläger beauftragte  Schadensgutachter schätzte die voraussichtlichen Reparaturkosten auf 3.446,12 € netto. Der Kläger rechnete den Schaden zunächst fiktiv auf der Grundlage des Schadensgutachtens ab. Danach ließ er den verunfallten Pkw in einer BMW-Niederlassung reparieren. Dabei entstanden konkret Reparaturkosten in Höhe von 4.005,25 €. Da der Kläger als BMW-Werksangehöriger gemäß einer Betriebsvereinbarung einen Rabatt auf die Werkstattrechnung ( so genannten Werksangehörigenrabatt ) erhielt, zahlte er für die durchgeführte Reparatur tatsächlich nur 2.905,88 €. Mit seiner Klage verlangte der Kläger Ersatz weiterer Reparaturkosten  in Höhe von 559,13 € und Nutzungsausfall in Höhe von 250,– €. Der Klagebetrag in Höhe von 559,13 € ergibt sich aus der Differenz zwischen fiktivem Schaden und den konkreten Reparaturkosten ohne Werksangehörigenrabatt, also aus 4.005,25 € – 3.446,12 € = 559,13 €. Die Klage hatte weder bei dem Amtsgericht noch beim Landgericht Erfolg. Auch die Revision blieb erfolglos.

Der VI. Zivilsenat des BGH hat nunmehr entschieden, dass der Kläger zwar nicht an die von ihm ursprünglich gewählte fiktive Abrechnung auf der Basis der vom Sachverständigen geschätzten Kosten gebunden ist, sondern dass er  nach erfolgter Reparatur zur konkreten Schadensabrechnung übergehen und dann Ersatz der tatsächlich angefallenen Kosten verlangen kann. Dabei ist er allerdings an die allgemeinen Grundsätze des Schadensersatzrechtes gebunden. Insoweit gilt auch das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot. Da nach den allgemeinen Grundsätzen des Schadensersatzrechts der Geschädigte an dem Schadensfall  nicht verdienen soll, muss er sich den erhaltenen Werksangehörigenrabatt anrechnen lassen. Entscheidet sich ein Geschädigter nach einem Verkehrsunfall für eine konkrete Schadensabrechnung hinsichtlich der Reparaturkosten für sein Fahrzeug, muss er sich einen ihm gewährten Werksangehörigenrabatt anrechnen lassen.

Vorinstanzen:
AG München Az.: 341 C 21898/09 vom 24.02.2010
LG München I Az.: 19 S 5799/10 vom 30.09.2010

Das Urteil des VI. Zivilsenates des BGH ist konsequent. In diesem Fall will der konkret abrechnende Geschädigte mehr an Schadensersatz beanspruchen als er tatsächlich an Schaden erlitten hat. Eigentlich handelt es sich damit um ein Urteil aus dem allgemeinen Bereicherungsrecht. Den dem Geschädigten gewährten Vorteil des Rabatts eines Werksangehörigen muss sich dieser anrechnen lassen. Dementsprechend schmälert sich sein Schaden, den er konkret geltend machen kann. Allerdings hat der BGH auch entschieden, dass der Geschädigte von der fiktiven Schadensabrechnung nach erfolgter Reparatur durchaus auf eine konkrete Schadensabrechnung überwechseln kann.

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11 Antworten zu BGH entscheidet, dass bei konkreter Schadensabrechnung der Geschädigte sich einen Werksangehörigenrabatt anrechnen lassen muss (BGH Urt. v. 18.10.2011 – VI ZR 17/11 -).

  1. Andreas Appelbaum sagt:

    Das stinkt doch zum Himmel. Welcher Kläger klagt schon eine Differenz ein, wo er doch vom Schädiger mehr bekommen hat, als er als Schaden ausgegeben hat? Aufgrund des Werksrabatts muss er für die Reparatur nur knapp 3.000 Euro zahlen, will aber zu den erhaltenen knapp 3500 Euro noch weitere 500 Euro haben, wer macht denn so was? Da ist doch bewußt ein von vernherein aussichtloser Rechtsstreit bis zum BGH geprügelt worden, um dieses Bereicherungsurteil sprechen zu können. Eigentlich ist das ein Fall der ungerechtfertigten Bereicherung gem. § 812 ff BGB. Gar nicht so sehr ein Fall des § 249 BGB.
    Was sollte damit erreicht werden? Was konkrtet abgerechnet werden kann, kann auch fiktiv abgerechnet werden? Demnach muss demnächst wohl auch der fiktiv Abrechnende den fiktiven Werksrabatt, der nicht gewährt worden ist, weil nicht repariert, anrechnen lassen? Sonderbedingungen des Geschädigten kommen dem Schädiger zugute. Auch wenn die Vorteile der Sonderbedingungen wegen der nicht durchgeführten Reparatur gar nicht eintreten, muss sich der Geschädigte fiktiv diese anrechnen lassen? Fortführung des VW-Urteils also? Ich halte das Urteil daher für gefährlich. Mann sollte aber die schriftlichen Urteilsgründe auf jeden Fall abwarten.

  2. SV-F.Hiltscher sagt:

    Abgesehen davon, dass dieser Fall konstruiert aussieht, bleiben doch prinzipiell einige Fragen offen.

    Warum kann der Schädiger aus dem Arbeitsverhältnis des Geschädigten, die persönlichen Vorteile, welche nur durch die Werksangehörigkeit bestehen für sich in Anspruch nehmen?
    Vielleicht erhalten andere Mitarbeiter bei anderen Firmen mehr Lohn u. dafür keinen so hohen Rabatt.Die wären dann im Schadenfall besser gestellt.
    Nicht auszudenken wenn das BMW Werk an einem verdienten Mitarbeiter ein Auto verschenkt und dieses einen unverschuldeten Totalschaden erleidet.

  3. Ra Schepers sagt:

    @ SV Hiltscher

    Genau da sehe ich das Problem auch. Der Geschädigte hat nicht an dem Schadenfall auf Kosten des Schädigers verdient, sondern von seinem Arbeitgeber eine Leistung bekommen (den Werksangehörigenrabatt). Diese Leistung wird jetzt auf den Schädiger übergeleitet. Im Ergebnis hat jetzt also der Schädiger den Werksangehörigenrabatt vom Arbeitgeber des Geschädigten bekommen. Das kann es doch nicht sein, oder?

  4. Willi Wacker sagt:

    Hallo Herr SV Franz Hiltscher,
    das ist genau die Argumentation, die den Nagel auf den Kopf trifft. Der Vorteilsausgleich ist nicht als schadensmindernd vorzunehmen, sondern im Wege der Abtretung. Nur dann, wenn der Vorteil eintritt, hat der Geschädigte den Anspruch auf besondere persönliche Vorteile, in Höhe des gewährten Vorteils an den Schädiger abzutreten, § 255 analog BGB.
    Damit ist dann sichergestellt, dass der fiktiv abrechnende Geschädigte, der gar nicht in den Genuß des Rabatts gerat, weil nicht repariert, im Falle der Reparatur seinen Rabattanspruch abzutreten hat.

    Hallo Franz, ich bin auch der Meinung, wie schon mein Vorkommentator Andreas Appelbaum, dass dieser Rechtsstreit bewußt bis zum BGH getrieben wurde, um eine Entscheidung bei konkreter Abrechnung zu erreichen. Das nächste ist jetzt ein Fall des Fiktivabrechners. Da ja fiktiv abgerechnet werden kann, was auch konkret abgerechnet werden kann, würde es mich nicht wundern, wenn entschieden wird, dass auch in letzter Konsequenz bei dem Fiktivabrechner der Rabatt abzuziehen sei, obwohl der Rabatt nie gewährt wurde.

    Es ist schon merkwürdig, was für Fälle zum BGH getrieben werden und umgekehrt Urteile des BGH durch Anerkenntnisse oder Revisionsrücknahmen vermieden werden. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

    Mit freundlichen Grüßen
    Willi Wacker

  5. RA Uterwedde, Leipzig sagt:

    das seh ich anders, herr kollege.

    es gilt doch schon seit jeher der grundsatz, dass man am schadensfall nicht verdienen darf. natürlich verdient doch jeder fiktiv abrechende geschädigte, aber das ist vom grundsatz gedenkt, dass der geschädigte anspruch auf die kosten hat, die bei der reparatur tatsächlich entstehen würden.

    wer natürlich gierig wird und so dumm ist, eine rechnung vorzulegen, die brutto weniger ausweist als das gutachten netto ermittelt hat, wechselt zur konkreten abrechnung, wiederlegt damit das gutachten und schießt sich selbst ins knie. wenn er pech hat, muss sogar mit einer bereicherungsklage rechnen.

    ein rätsel bleibt allerdings, warum das LG die berufung zugelassen hat.

    viele grüße aus leipzig

  6. Alois Aigner sagt:

    Grüß Gott Leute,
    da kann man den Werksangehörigen nur raten, ihre Unfallschäden immer nur fiktiv abzurechnen. Wie sie dann später mit dem erforderlichen Geldbetrag umgehen, ist ihre Sache und hat den Schädiger nicht zu interessieren. Das hatte schon die Vizepräsidentin des BGH, Frau Dr. Gerda Müller, auch auf Seminaren zum Besten gegeben.
    Persönliche Vorteile können den Schädiger nicht entlasten. Dann wäre nämlich in dem Fall von SV F. Hiltscher gar kein Schadensersatz zu leisten, was aber auch selbst der VI. Zivilsenat wohl nicht annehmen würde. Das Urteil ist ein Fehlurteil. Das Problembewußtsein bei dem Vorteilsausgleich ist dem BGH völlig abhanden gekommen. Nein, VI. Senat in Karlsruhe, wo wankst Du hin?
    Da lobe ich mir doch die klaren Entscheidungen des I. Zivilsenates. Siehe Urheberrechtsentscheidung.
    Servus
    Euer Alois

  7. Buschtrommler sagt:

    Da fällt mal wieder die Schrottprämie aus dem Hinterkopp.
    Nach dem o.g. (Urteils-)Gedankengang wäre diese auch anzurechnen gewesen bei entsprechender Konstellation..?
    Im Gegenzug könnte ja der Reparateur sich die Differenz (Rabatt)wieder beim Schädiger holen… 😉

  8. Glöckchen sagt:

    Hi
    erst fiktiv abrechnen und dann in der Partnerwerkstatt reparieren lassen…..wenn die dann die Sonderpreise verweigert,ab zur Bildzeitung…das wird bestimmt ein Spass!!!!!

  9. Andreas sagt:

    Bei diesem Urteil würde mich interessieren, was von Klägerseite vorgetragen wurde und was gegebenenfalls nicht.

    Denn der Hinweis von Franz Hiltscher ist beachtenswert. Wenn ich mir einen Vorteil durch einen anderen Nachteil erkaufe, dann muss mir der Vorteil auch bleiben, sonst habe ich nur den Nachteil und einen Verlust!

    Viele Grüße

    Andreas

  10. Willi Wacker sagt:

    Hallo Andreas,
    wenn die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, wird das komplette Urteil hier im Blog eingestellt werden. Dann kann man es ja erfahren.
    Bis dahin noch etwas Geduld
    Mit freundlichen Grüßen
    Willi Wacker

  11. Siegfried Steele sagt:

    Da der BGH bei der Anrechnung des Rabatts auf den tatsächlich gewährten Werksangehörigenrabatt abstellt, kann bei der fiktiven Abrechnung dieser nicht berücksichtigt werden, da er ja auch nicht gewährt worden ist. Ob er je gewährt wird, steht in der Zukunft nicht fest.
    Also kann der tatsächlich gewährte Rabatt bei fiktiver Abrechnung nicht berücksichtigt werden. Werksangehörige sollten daher immer fiktiv abrechnen!!

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