Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
nach dem BGH-Reparaturbestätigungskosten-Urteil, das wir Euch gestern vorgestellt hatten, veröffentlichen wir hier ein weiteres Urteil des BGH zur (Nicht)Erstattung der Mehrwertsteuer beim Kauf eines Ersatzfahrzeuges von Privat. Diese Entscheidung hatten wir bisher noch nicht veröffentlicht. Warum diese in unseren Augen aussichtslose, weil gesetzlich in § 249 II 2 BGB geregelte Sache bis zum BGH getrieben wurde, erschließt sich uns nicht. Was allerdings in diesem Urteil beachtenswert ist, ist durch den Autor hervorgehoben und stellt damit die Indiz-Rechtsprechung des BGH in Frage. Hier in dieser Entscheidung spricht der VI. Zivilsenat klar und deutlich davon, dass Kosten nur dann erstattet werden, wenn und soweit sie der Geschädigte zur Wiederherstellung aus seinem Vermögen aufgewendet oder er sich hierzu verpflichtet hat. Das kann dann auf die Kostenrechnung des Sachverständigen bezogen werden. Somit ist der tatsächlich aufgewendete Betrag auch dem gleichzustellen, zu dem sich der Schuldner verpflichtet hat. Dementsprechend ist der Geschädigte aufgrund des Werkvertrages die Verpflichtung eingegangen, den vereinbarten Werklohn, sprich: Grundhonorar in Relation zur Schadenshöhe plus Nebenkosten, zu entrichten. Damit hat er eine Zahlungsverpflichtung, die der tatsächlichen Bezahlung gleich steht. Man erkennt, wie widersprüchlich der VI. Zivilsenat entscheidet. Dies war aber nur ein kleiner Exkurs des Autors im Hinblick auf die sogenannte Indizwirkung der bezahlten Rechnung. Diese Rechtsprechung ist dogmatisch nicht nachvollziehbar. Lest aber selbst das BGH-Urteil zu den Umsatzsteuerbeträgen beim privaten, umsatzsteuerfreien Kauf eines Ersatzfahrzeugs und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 351/12 Verkündet am: 2. Juli 2013
in dem Rechtsstreit
…
Ist bei der Ersatzbeschaffung von privat keine Umsatzsteuer angefallen, steht dem Geschädigten kein Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer zu.
BGH, Urteil vom 2. Juli 2013 – VI ZR 351/12 – LG Deggendorf
. AG Viechtach
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juli 2013 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll und Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richter Stöhr
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Deggendorf vom 10. Juli 2012 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten nach einem Verkehrsunfall vom 23. September 2011, für den die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach unstreitig ist, noch um Erstattung anteiliger Umsatzsteuer nach Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges durch den Kläger von privat
Mit schriftlichem Kaufvertrag vom 3. Oktober 2011 erwarb der Kläger das Fahrzeug zum Preis von 14.700 €. Sein verunfalltes Fahrzeug wies laut Sachverständigengutachten vom 27. September 2011 einen Wiederbeschaffungswert in Höhe von 22.000 € brutto bzw. 18.487,40 € netto, mithin einen Umsatzsteueranteil in Höhe von 3.512,60 € auf. Die Beklagte rechnete auf Basis des Nettowiederbeschaffungswerts ab und verweigerte eine Regulierung hinsichtlich der vom Kläger begehrten anteiligen Umsatzsteuer prozentual 66,82 % in Höhe von 2.347,13 €.
Das Amtsgericht hat die Klage hinsichtlich der Erstattung der Umsatzsteuer abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Erstattung der anteiligen Umsatzsteuer weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Nach Auffassung des Landgerichts gilt der Grundsatz des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB, dass Umsatzsteuer im Rahmen eines Schadensersatzbetrages nur zu berücksichtigen ist, wenn diese tatsächlich angefallen ist, auch im vorliegenden Fall. Dies führe dazu, dass bei einer Ersatzbeschaffung von privat, bei der Umsatzsteuer nicht anfalle, diese auch nicht zu ersetzen sei. Der Kläger habe nur Ausgaben in Höhe von 14.700 € getätigt. Der von ihm geltend gemachten – fiktiven – Umsatzsteuer auf diesen Betrag, der an privat gezahlt worden sei, stünde keine tatsächlich vom Geschädigten getätigte Ausgabe gegenüber. Dies unterscheide den Streitfall von der im Senatsurteil vom 1. März 2005 (VI ZR 91/04, BGHZ 162, 270) entschiedenen Fallgestaltung, bei der der Geschädigte nicht den Ersatz fiktiver Umsatzsteuer, sondern den Ersatz des tatsächlich für die Ersatzbeschaffung aufgewendeten Betrages begehrt habe.
II.
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Mit Recht hat das Berufungsgericht einen Anspruch auf Ersatz der anteiligen Umsatzsteuer verneint.
1. Nach § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB schließt der bei der Beschädigung einer Sache zur Wiederherstellung erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist. Mit dieser durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I 2674) eingeführten gesetzlichen Regelung wollte der Gesetzgeber nichts an der Möglichkeit des Geschädigten ändern, den für die Herstellung erforderlichen Geldbetrag stets und insoweit zu verlangen, als er zur Herstellung des ursprünglichen Zustands tatsächlich angefallen ist. Für den Ersatz der Umsatzsteuer kommt es aber – unabhängig von dem Weg, den der Geschädigte zur Wiederherstellung beschritten hat – darauf an, ob sie zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands angefallen ist. Sie soll nur noch ersetzt werden, wenn und soweit sie zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands durch Reparatur oder Ersatzbeschaffung tatsächlich anfällt, d.h. wenn und soweit sie der Geschädigte zur Wiederherstellung aus seinem Vermögen aufgewendet oder er sich hierzu verpflichtet hat (Hervorhebung durch Autor!). Sie soll hingegen nicht mehr ersetzt werden können, wenn und soweit sie nur fiktiv bleibt, weil es zu einer umsatzsteuerpflichtigen Reparatur oder Ersatzbeschaffung nicht kommt (vgl. Senatsurteil vom 5. Februar 2013 – VI ZR 363/11, VersR 2013, 471 Rn. 14 f.).
Fällt für die Beschaffung einer gleichwertigen Ersatzsache – etwa beim Kauf von privat – keine Umsatzsteuer an, ist sie auch nicht zu ersetzen. In diesem Fall ist sie auch im Rahmen einer fiktiven Schadensabrechnung auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens nicht ersatzfähig, weil § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB insoweit die Dispositionsfreiheit begrenzt. Dementsprechend hat der erkennende Senat entschieden, dass eine Erstattung der Umsatzsteuer dann nicht erfolgt, wenn der Geschädigte weder eine umsatzsteuerpflichtige Reparatur hat durchführen lassen noch bei der Ersatzbeschaffung eines neuen Fahrzeugs von privat Umsatzsteuer angefallen ist (vgl. Senatsurteile vom 22. September 2009 – VI ZR 312/08, VersR 2009, 1554 Rn. 11; vom 5. Februar 2013 – VI ZR 363/11, aaO Rn. 16). Dies gilt auch im Falle eines – hier vorliegenden – wirtschaftlichen Totalschadens (Senatsurteile vom 20. April 2004 – VI ZR 109/03, BGHZ 158, 388, 389 ff.; vom 18. Mai 2004 – VI ZR 267/03, VersR 2004, 927, 928; vom 1. März 2005 – VI ZR 91/04, aaO, 273 mwN).
2. Nach diesen Grundsätzen steht dem Kläger kein Anspruch auf Ersatz anteiliger Umsatzsteuer zu, denn bei der Ersatzbeschaffung von privat ist keine Umsatzsteuer angefallen.
Dies steht entgegen der Auffassung der Revision nicht in Widerspruch zur Entscheidung des Senats vom 1. März 2005 (VI ZR 91/04, aaO). Die damalige Fallgestaltung unterscheidet sich von dem hier vorliegenden Fall dadurch, dass der Kläger ein Ersatzfahrzeug beschafft hatte, dessen Kaufpreis den im Sachverständigengutachten ausgewiesenen (Brutto-)Wiederbeschaffungswert überstieg, und er seinen Schaden konkret auf Basis der Ersatzbeschaffung abgerechnet hatte. In diesem Fall hat der Senat entschieden, dass der Geschädigte im Wege konkreter Schadensabrechnung die Kosten der Ersatzbeschaffung bis zur Höhe des (Brutto-)Wiederbeschaffungswertes des unfallbeschädigten Kraftfahrzeugs – unter Abzug des Restwertes – ersetzt verlangen kann, wenn er ein Ersatzfahrzeug zu einem Preis erwirbt, der dem in einem Sachverständigengutachten ausgewiesenen (Brutto-)Wiederbeschaffungswert des unfallbeschädigten Kraftfahrzeuges entspricht oder diesen übersteigt. Auf die Frage, ob und in welcher Höhe in dem im Gutachten ausgewiesenen (Brutto-)-Wiederbeschaffungswert Umsatzsteuer enthalten ist, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Durch die gesetzliche Neuregelung des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB wollte der Gesetzgeber nämlich nichts an der Möglichkeit des Geschädigten ändern, den für die Herstellung erforderlichen Geldbetrag stets und insoweit zu verlangen, als er zur Herstellung des ursprünglichen Zustandes tatsächlich angefallen ist. Lediglich bei der fiktiven Schadensabrechnung nach einer Beschädigung von Sachen soll sich nach der Absicht des Gesetzgebers deren Umfang mindern, indem die fiktive Umsatzsteuer als zu ersetzender Schadensposten entfällt. Umsatzsteuer kann mithin nur noch dann ersetzt verlangt werden, wenn und soweit sie zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes durch Reparatur oder Ersatzbeschaffung auch tatsächlich anfällt, d.h. wenn und soweit sie der Geschädigte zur Wiederherstellung aus seinem Vermögen aufgewendet oder er sich hierzu verpflichtet hat (Senatsurteil vom 1. März 2005 – VI ZR 91/04, aaO, 273 ff.). In dieser Entscheidung hat der Senat folgerichtig zugleich ausgeführt, dass eine Umsatzsteuer nicht zu ersetzen ist, wenn sie für die Beschaffung einer gleichwertigen Ersatzsache – etwa wie hier beim Kauf von privat – nicht anfällt (aaO, 274).
Galke Zoll Wellner
. Diederichsen Stöhr
Vorinstanzen:
AG Viechtach, Entscheidung vom 30.03.2012 – 1 C 12/12 –
LG Deggendorf, Entscheidung vom 10.07.2012 – 12 S 48/12 –
Nein. Der BGH spricht an dieser Stelle nur von der Umsatzsteuer, nicht von Kosten (jeder Art).
Wann entsteht die Umsatzsteuerpflicht bei vereinbarten Entgelten? Könnte es daran liegen?
@ RA Schepers
Selbst wenn der BGH in dieser Entscheidung nur die Umsatzsteuer gemeint haben sollte, so macht der Hinweis auf das „Sich verpflichten“ keinen Sinn, denn die Umsatzsteuer ist gesetzlich bestimmt, während bei sonstigen Kosten man sich durchaus zur Zahlung verpflichten kann.
Wenn man sich aber, wie der BGH hier offenbar nach Ihrer Meinung, zur Zahlung verpflichten kann, dann stellt der BGH trotzdem die Zahlung und die Zahlungsverpflichtung gleich.
Die von Ihnen aufgeworfenen Fragen können Sie selbst beantworten.
Der Ausweis der Vorsteuer verpflichtet den Unternehmer diese an das FA abzuführen. Nicht ausgewiesene Vorsteuer bei Privat schützt das FA vor unberechtigter Geltendmachung der Mehrwertsteuer.
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Ist nach unverschuldetem Unfall eine Ersatzbeschaffung Vorzunehmen, kann kaufen:
a) der Unternehmer vom Händler mit ausgewiesener Vorsteuer.
b) der Unternehmer von Privat ohne ausgewiesener Vorsteuer.
c) Privat von Privat – keine Vorsteuer/MwSt.
Der Unternehmer verrechnet aufgrund eigener Vorsteuerabzugsberechtigung, aus seiner Sicht also die MwSt., mit dem FA (Neuwagen oder gebrauchter Geschäftswagen).
Kauft der Unternehmer von Privat kann er den – nicht extra auszuweisenden Vorsteuerbetrag nicht als MwSt.-Betrag mit dem FA verrechnen. Das ist der Grund, warum in der Regel kein Unternehmer ein Geschäftsauto von Privat kauft.
Kauft Privat (ohne Vorsteuerberechtigung) vom Händler, kann er die ausgewiesene Vorsteuer nicht als MwSt.-beim FA geltend machen. (Wäre es anders, bräuchte es der vom Käufer an das FA zu zahlenden Mehrwertsteuer- abzuführen vom Händler als Vorsteuer – nämlich gar nicht.)
Kauft Privat von Privat hat/darf keine Ausweisung des Vorsteuer/MwSt.-Betrages zu erfolgen, weil das FA außen vor ist. (Die Mehrwertsteuer, die das Fahrhzeug für den Käufer, nunmehr Verkäufer, um zurzeit 19 % verteuert hat, ist nur einmal abzuführen.)
Kauft ein Händler von Privat und verkauft er das Fahrzeug wieder, unterliegt nur die Differenz vom Händlereinkauf zum Händlerverkauf der Vorsteuer. Nur diese Differenz könnte sodann der Unternehmer als MwSt. mit dem FA verrechnen.
Nach obigem Urteil wird der Unternehmer gegenüber dem Privatmann also besser gestellt, wenn er nach einem Unfall beim Händler kauft. Kauft der Unternehmer von Privat, ebenso wie Privat von Privat, erfolgt demgegenüber eine Schlechterstellung.
Denn:
Egal wer das Fahrzeug kauft, der Rechnungsbetrag ist für alle Käufer derselbe.
DER AUSWEIS der auf das Fahrzeug liegenden Vorsteuer/MwSt. bei Privat fehlt – nachweislich allein – aus steuerrechtlichen Gründen. Daher kann der Einzelmeinung des 6. Senats am BGH nicht gefolgt werden.
Für mich ist es ist ein Urteil für den Papierkorb.
Nein.
Wenn der Geschädigte Unternehmer ist, erhält er die Umsatzsteuer so oder so nicht erstattet.
@Virus „… (Wäre es anders, bräuchte es der vom Käufer an das FA zu zahlenden Mehrwertsteuer- abzuführen vom Händler als Vorsteuer – nämlich gar nicht.)“
„Ware es anders, bräuchte es…“ Ahaa – ja wie denn? Irgendwie kapier ich das nicht. Was soll uns das denn sagen?
Also der Käufer zahlt die Mwst an das FA und der Händler führt die VSt ab? Wußte ich auch noch nicht.
Nein.
Der Händler stellt dem Käufer die USt (MWSt) in Rechnung. Der Käufer zahlt die USt an den Händler, der Händler führt diese dann an das Finanzamt ab.
Gleichzeitig kann der Händler die von ihm erbrachte Vorsteuer in Abzug bringen. Vorsteuer ist die Umsatzsteuer, die dem Händler von seinen Lieferanten in Rechnung gestellt wurde.
@ Juri, Sorry. „an das FA“ einfach durchstreichen.
Wenn der Geschädigte Unternehmer ist, erhält er die Umsatzsteuer so oder so nicht erstattet.
…. auf welcher Rechtsgrundalge eigentlich? Nach 249 BGB Abs. 2 Satz 2 ja wohl nicht.
„Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.“
Was ist der Schaden?
„Wenn etwas regelmäßig nur durch Mehrwertsteuer verteuert zu erlangen ist, erhöht die Mehrwertsteuer nicht nur im Einzelfall den Preis, sondern auch den Verkehrswert.“
Siehe CH: BGH, 19.06.1973 – VI ZR 46/72 zur Mehrwertsteuererstattung aufgrund fiktiver Abrechnung – „Wenn etwas regelmäßig nur durch Mehrwertsteuer verteuert zu erlangen ist, erhöht die Mehrwertsteuer nicht nur im Einzelfall den Preis, sondern auch den Verkehrswert.“
BGH VI ZR 46/72 ist nicht einschlägig. Geschädigter war nicht vorsteuerabzugsberechtigt.