Mit Entscheidung vom 16.12.2009 (101 C 26/09) hat das Amtsgericht Bonn die eintrittspflichtige Versicherung zur Erstattung weiterer Schadenspositionen im Rahmen der fiktiven Abrechnung verurteilt. Es handelte sich hierbei um die Stundenverrechnungssätze der markengebundenen Fachwerkstatt, die Ersatzteilpreisaufschläge (UPE-Zuschläge) sowie die Verbringungskosten zu einer Lackiererei.
Aus den Gründen:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 536,78 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.03.2009 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 15 % zu und die Beklagte zu 85 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch den jeweilige Vollstreckungsgläubiger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
– entfällt nach § 313a Abs. 1 S.1 ZPO –
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet. Der Kläger hat einen – dem Grunde nach unstreitigen – Anspruch auf Erstattung der ihm bei dem Verkehrsunfall vom 02.10.2008 entstandenen Schäden gegen die Beklagte aus §§ 7 Abs. 1,17 Abs. 2, Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG.
Art und Umfang des zu leistenden Ersatzes bestimmen sich nach den Vorschriften der §§ 249 ff. BGB. Das schadensersatzrechtliche Ziel der Restitution beschränkt sich nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht auf eine Wiederherstellung der beschädigten Sache; es besteht vielmehr in umfassender Weise darin, einen Zustand herzustellen, der wirtschaftlich gesehen der ohne das Schadensereignis bestehenden hypothetischen Lage entspricht (vgl. BGH, NJW 2007, 67, 68). Dabei stehen dem Geschädigten bei der Beschädigung eines Kraftfahrzeugs nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Allgemeinen zwei Wege der Naturalrestitution offen, nämlich einerseits die Reparatur des Unfallfahrzeugs, andererseits die Anschaffung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeugs (vgl. BGH, NJW 2005, 2541). Sieht der Geschädigte – wie vorliegend – davon ab, eine Ersatzbeschaffung vorzunehmen, so kann er gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB Ersatz der objektiv erforderlichen Kosten einer
fiktiven Reparatur geltend machen. Dabei hat der Geschädigte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich Anspruch auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon, ob er den Wagen tatsächlich voll, minderwertig öder überhaupt nicht reparieren lässt (vgl. BGH NJW 2003, 2086).
Jedoch ist der Geschädigte unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Dabei genügt aber im Allgemeinen, dass er den Schaden auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens berechnet, sofern dieses Gutachten hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt, dem konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden. Denn bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs im Rahmen von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB darf nicht das Grundanliegen dieser Vorschrift aus den Augen verloren werden, dass dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgieich zukommen soll (vgl. BGH NJW 2003, 2086, 2087).
Vorliegend bestreitet die Beklagte, dass die von dem Sachverständigen … im Schadensgutachten vom 09.10.2008 (Bl. 55ff d.A.) zugrunde gelegten Stundenverrechnungssätze den bei einer Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallenden Lohnkosten entsprechen. Sie verweist zudem auf ein günstigeres Angebots des Autohauses … einer ebenfalls markengebundenen Fachwerkstatt, die sich mit der Beklagten in einem Kooperationsverhältnis im Sinne einer „Partner-Werkstatt“ befindet.
Hierauf muss sich der Kläger aber nach der Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht verweisen lassen (vgl. LG Bonn, DAR 2009, 272-273; LG Bonn, Urteil vom 20.08.2008, 5 S 96/08). Laut dem Landgericht kann bei Konstellationen wie dieser von einer ohne weiteres zugänglichen, günstigeren und gleichwertigen Reparaturmöglichkeit im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, NJW 2003, 2086, 2087) nicht ausgegangen werden.
Nach Ansicht der Kammer gilt dies nicht nur dann, wenn die markengebundene Fachwerkstatt, auf die der Versicherer verweist, mit der Beklagten durch eine Sondervereinbarung verbunden ist, aufgrund derer denjenigen Kunden, für deren Reparaturkosten die Beklagte einzustehen hat, Sonderkonditionen angeboten werden, die gegenüber den regulären Stundensätzen markengebundener Fachwerkstätten günstiger sind. Dies widerspräche der Intention des § 249 Abs. 2 BGB. Nach Ansicht der Landgerichts ist es darüber hinaus das Grundanliegen der Vorschrift, dem Geschädigten die Möglichkeit zu eröffnen, die Schadensbehebung in eigener Regie durchzuführen. Dieses Anliegen dürfe nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs im Rahmen von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht aus den Augen verloren werden (vgl. BGH, NJW 2003, 2086) und soll beeinträchtigt sein, wenn ein Geschädigter auf eine Partner-Werkstatt verwiesen wird, da er aufgrund der wirtschaftlichen Verbundenheit der Werkstatt mit dem beklagten Versicherer befürchten müsse – mag sich die Befürchtung in concreto auch nicht realisieren -, dass dieser bei der Reparatur auch (nachvollziehbare) Interessen des Schädigers wahrnimmt, den Schaden möglichst gering zu halten (i.E. ebenso: AG Nürtingen, NJW 2007, 1143 f.; LG Bochum, Urteil vom 19.10.2007, 5 S 168/07; LG Bonn, Urteil vom 20.08.2008, 5 S 96/08; a.A. LG Köln, Urteil vom 29.01.2008, 11 S 1/07).
Diesem Ergebnis schließt sich auch das erkennende Gericht an, wobei es allerdings die Argumentation abweichender Entscheidungen für nachvollziehbar (AG Leipzig, Urteil vom 26.10.2007, 104 C 5316/07; Amtsgericht Duisburg, Urteil vom 14.12.2007, 8 C 206/07; Amtsgericht Dortmund, Urteil vom 28.07.2008, 429 C 2950/08) und insoweit vertretbar hält, als sie mit der Porsche-Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Einklang zu bringen sind. Es können durchaus Zweifel daran bestehen, ob der Verweis auf konkrete Fachwerkstätten tatsächlich auch dann unangemessen in die Dispositionsbefugnis des Geschädigten eingreift, wenn dieser nur fiktiv abrechnet. Denn im Fall einer fiktiven Abrechnung hat der Geschädigte seine Dispositionsbefugnis bereits grundlegend dahingehend ausgeübt, dass er die tatsächliche Reparatur seines Fahrzeugs gerade nicht wünscht. Es ist nicht zwingend, dass das Schadensrecht einem Geschädigten neben dieser grundsätzlichen Befugnis noch gestattet, auch fiktiv auf konkreten Werkstätten zu bestehen, bei denen er hätte reparieren lassen, zumal es auch zu den Grundsätzen des Schadensrechts zählt, dass der Geschädigte die Höhe seines Schadens konkret darzulegen hat. Argumentationen bezüglich der Zuverlässigkeit bestimmter Werkstätten und geringerer Fehlerquoten und größerer Vertrauenswürdigkeit markengebundener Fachwerkstätten oder geringerer Vertrauenswürdigkeit von Partner-Werkstätten überzeugen im Falle einer fiktiven Abrechnung ohnehin nicht, da solche befürchteten Nachteile ihrerseits wiederum nur fiktiv sind, wenn nicht tatsächlich repariert wird. Dass selbst der Verweis auf eine zugängliche markengebundene Fachwerkstatt dann nicht möglich sein soll, wenn diese mit der Versicherung des Schädigers durch einen Partnervertrag verbunden ist (LG Bonn, Urteil vom 20.08.2008, 5 S 96/08), führt nach Auffassung des Gerichts dazu, dass die Feststellung des Bundesgerichtshofs, der Geschädigte müsse sich auf eine mühelos und ohne weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit verweisen lassen (BGH NJW 2003, 2086), bei derart einschränkender Interpretation der „Gleichwertigkeit“ wohl nur noch theoretischer Natur ist. Gleichwohl sieht sich das erkennende Gericht an die Rechtsprechung des Berufungsgerichts gebunden, die beibehalten zu wollen dieses mehrfach bekundet hat.
Zudem entspricht es ständiger Rechtsprechung des Berufungsgerichts, dass auch bei fiktiver Abrechnung Aufschläge für UPE sowie fiktive Verbringungskosten ersatzfähig sind (vgl. etwa LG Bonn, 8 S 195/97). Da dies mit der Hoheit des Geschädigten über das Restitutionsgeschehen begründet wird, könnte hiervon nur dann abgesehen werden, wenn der Anfall von Verbringungskosten die absolute Ausnahme darstellen würde oder innerhalb der Vergleichsregion ausgeschlossen wäre. Dies ist aber offensichtlich nicht der Fall.
Zu ersetzen hat die Klägerin damit die ortsüblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt inklusive der eben genannten Positionen. Diese betragen laut dem insoweit nicht angegriffenen Gutachten des Sachverständigen … netto 2.323,14 €. Abzüglich bereits gezahlter 1.786,36 € stand damit ein Betrag von 536,78 € offen.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwert: 630,88 €
Hallo Hans Dampf,
bedauerlicherweise hat das Amtsgericht Bonn – obwohl das VW-Urteil bereits vorlag – dieses nicht mit berücksichtigt, sondern sich auf das Porsche-Urteil des BGH und die Instanzrechtsprechung gestützt. Es wäre jetzt Gelegenheit gewesen, zu der im VW-Urteil angeführten Gleichwertigkeit im Sinne des amtlichen Leitsatzes c) des BGH-Urteils vom 20.10.2009 – VI ZR 53/09 – Stellung zu nehmen.
Leider ist diese Chance vertan.
Mit freundlichen Grüßen
Willi