Mit Entscheidung vom 04.11.2009 (2 C 761/09) wurde die eintrittspflichtige Versicherung durch das Amtsgericht Erding dazu verurteilt, restlichen Schadenersatz zu erstatten. Es ging hierbei um die Lohnkosten der markengebundenen Fachwerkstatt und um die Verbringungskosten im Rahmen der fiktiven Abrechnung. Das Gericht hat in der Begründung u.a. auf das neue BGH-Urteil VI ZR 53/09 vom 20.10.2009 Bezug genommen.
Aus den Gründen:
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 427,42 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.07.2009, sowie 43,32 an vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.07.2009 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche weitere Schäden zu ersetzen, die ihm aufgrund des Verkehrsunfalles vom 07.05.2009 gegen 18.00 Uhr auf der Münchener Straße in Erding noch entstehen werden.
3. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall.
Am 07.05.2009 gegen 18.10 Uhr kam es auf der Münchner Straße in Erding zu einem Zusammenstoß zwischen dem Fahrzeug des Klägers und einem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeug. Der Unfall wurde alleine durch das bei der Beklagten versicherte Fahrzeug verursacht. Die von dem Kläger aufgrund eines Sachverständigengutachtens berechneten fiktiven Reparaturkosten wurden von der Beklagten bis auf einen Rest von 427,42 € bereits beglichen.
Der Kläger trägt vor, dass auch die Restsumme von der Beklagten zu erstatten ist. Dies würde sich aus dem von ihm vorgelegten Sachverständigengutachten, in dem eine fiktive Schadensberechnung durchgeführt wurde, ergeben.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 427,42 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.05.2009 sowie nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für den Zeitraum vom 26.05.2009 bis einschließlich 01.07.2009 aus einem Betrag von 3.226,15 € sowie weiteren 43,32 € an vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte darüber hinaus verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche weiteren Schäden zu ersetzen, die ihm aufgrund des Verkehrsunfalles vom 07.05.2009 gegen 18.10 Uhr auf der Münchener Straße in Erding noch entstehen werden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte führt aus, dass die in dem Sachverständigengutachten für die fiktive Reparatur ausgewiesenen Stundensätze in Höhe von 100,00 € zu hoch sind. Diese würden in vier Werkstätten im Einzugsbereich des Wohnortes des Klägers lediglich 85,50 € für die Lackierarbeiten und im Übrigen lediglich 81,50 € betragen. Ein Anspruch auf Erstattung der fiktiven Reparaturkosten in der markengebundenen Fachwerkstatt würde nicht bestehen. Im Übrigen seien jedenfalls auch die in dem Sachverständigengutachten enthaltenen Verbringungskosten nicht zu erstatten.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf alle Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und alle sonstigen Aktenteile.
Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig.
Zulässig ist insesondere auch der Feststellungsantrag in Ziffer II. Es besteht ein Feststellungsinteresse des Klägers. Es stehen noch weitere Schadenspositionen des Klägers offen. Die Tatsache, dass die Beklagte die bisherigen Schadens Positionen mit einer Haftungsquote von 100 % reguliert hat, hindert nicht das Interesse des Klägers an der Feststellung. Rechtsverbindlich wurde die Haftungsquote bislang nicht festgestellt.
Die Klage ist auch begründet. Dem Kläger stehen die weiteren Reparaturkosten in Höhe von 427,42 € zu.
Die Beklagte ist gemäß § 249 Abs.1 BGB verpflichtet, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Diese Verpflichtung wird durch § 249 Abs.2 BGB dahingehend modifiziert, dass der Gläubiger, hier der Kläger, ein Wahlrecht dahingehend ausüben kann, alternativ den zur Herstellung des vorbeschriebenen Zustandes erforderlichen Geldbetrag zu verlangen. Wählt die Klagepartei wie hier den zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag, so steht es ihr grundsätzlich frei, ob sie tatsächlich eine Reparatur vornehmen lässt, notrepariert oder die Sache mangelbehaftet belässt. Diese grundsätzliche Wahlfreiheit zwischen der Abrechnung der tatsächlichen und fiktiven Reparaturkosten steht weitgehend außer Frage (grundlegend BGH Urteil vom 23.03.1976, VI ZR 41/74).
Innerhalb dieser Maßgabe ist nun zu bestimmen, welcher Geldbetrag zur Schadensregulierung erforderlich im Sinne des § 249 Abs.2 S.2 BGB ist. Grundsätzlich ist der Kläger hierbei an das Wirtschaftlichkeitgebot gebunden (BGH, Urteil vom 29.04.2003, VI ZR 398/02). Er kann nur den Schaden ersetzt verlangen, den ein wirtschaftlich denkender Mensch für erforderlich halten dürfte. Nach der Porscheentscheidung des BGH (BGH Urteil vom 29.04.2003, VI ZR 393/02) steht es dem Kläger grundsätzlich frei, fiktive Kosten der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt geltend zu machen. Der Beklagten obliegt es vorzutragen und zu beweisen, dass für den Kläger eine ohne weiteres zugängliche günstigere Reparaturmöglichkeit vom gleichen Qualitätsstandard wie die Reparatur in der markengebundenen Fachwerkstatt bestanden hätte. Die hat die Beklagte bislang weder vorgetragen, noch bewiesen. Es fehlen jegliche Ausführungen zu dem Qualitätsstandard der von ihr angebotenen Alternativwerkstätten. Der Geschädigte soll im Rahmen der Schadensabwicklung gerade nicht damit belastet werden, umfangreiche Ermittlungen bezüglich der Qualität von erreichbaren Werkstätten durchzuführen. Es ist vielmehr Aufgabe der Beklagten, entsprechend vorzutragen.
Im Übrigen honoriert der Automarkt die Reparatur in markengebundenen Fachwerkstätten. Selbst wenn keine qualitativ hochwertigeren Reparaturleistungen erbracht werden sollten, so wird doch für in markengebundenen Fachwerkstätten betreute Pkws ein höherer Marktpreis erzielt, als für solche, die in nicht markengebundenen Fachwerkstätten repariert wurden.
Die grundsätzliche Erstattungsfähigkeit der Stundensätze von markengebundenen Fachwerkstätten hat der BGH in seinem Urteil vom 20.10.2009, Az.: VI ZR 53/09 nochmals bestätigt.
Erstattungsfähig sind auch die in dem Gutachten enthaltenen Verbringungskosten. Dies ergibt sich daraus, dass grundsätzlich die fiktiven Reparaturkosten den tatsächlich angefallenen Reparaturkosten gleichgestellt werden.
Lediglich hinsichtlich der Zinsforderung war die Klage teilweise abzuweisen. Gemäß § 286 Abs.1 BGB kommt der Schuldner in Verzug, wenn er auf eine Mahnung des Gläubigers nach dem Eintritt der Fälligkeit nicht leistet. Einer Mahnung bedarf es nur dann nicht, wenn gemäß § 286 Abs.2 Nr.1 BGB für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist. Dies ist hier nicht der Fall. Auch wenn in der Rechnung vom 11.05.2005 eine Zahlungsfrist bis zum 25.05.2009 gesetzt wird, so liegt hierin kein Fall des § 286 Abs.2 Nr.1 BGB. Darunter fallen lediglich Zeitbestimmungen durch Gesetz, Rechtsgeschäft oder Urteil (Palandt § 286 RNr.22).
Die Klage war insoweit abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 713 ZPO.
Hallo Hans Dampf,
nunmehr liegt ein Urteil vor, das im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung auch das neuerliche Porsche-Fortführungs-Urteil des BGH mit beinhaltet. Ebenso wie versachiedenene Kommentatoren hier im Blog sieht auch der Amtsrichter in Erding (Bayern) die Rechtslage so. Warten wir also die schriftlichen Gründe des BGH-Urteils ab.
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker
Hallo WW und HD,
Ein schönes Urteil, geeignet als Vorlage für zukünftige Klagen mit dieser Thematik.Solche Entscheidungen nehmen den Versicherern den Wind aus den Segeln,die behaupten die Geschädigten müssten neuerdings als erste irgend etwas beweisen.
Hallo Micha H.
der BGH hat in seinem neuerlichen Urteil, von dem bisher nur eine Pressemitteilung vorliegt, darauf hingewiesen, dass die Beweislast bei dem Schädiger liegt. Schon von daher ist das Urteil ein Sieg über die Restwertbörsen der Versicherer. Der Sachverständige des Geschädigten hat in seinem Schadensgutachten drei Restwerte des regionalen(!) Marktes anzugeben, damit entfällt bereits die Notwendigkeit, weitere (Internet-) Restwerte einzuholen.
Wie bereits bei dem sog. Porsche-Urteil (BGHZ 155, 1ff.) die Versicherer Fehlinterpretationen vorgenommen haben, letztlich aber gescheitert sind, werden auch bei dem neuerlichen Porsche-Fortführungs-Urteil durch die Versicherer Fehlinterpretationen versucht werden.
Mit freundlichen Grüssen
Willi Wacker
Hat denn der Kläger hier nicht einfach nur ,,Glück“ gehabt, dass die beklagte Versicherung offenbar keine ordentliche Verweisung gemacht hat, wie es zum Beispiel die VHV immer macht, so wie es das OLG Düsseldorf in seiner Enscheidung v. 16.06.08 (I U 246/07) als sog. vermittelenden Ansicht vertreten hat(d.h konkrete die Gleichwertigkeit betreffende Angaben,also Kriterien, ob es sich um eine Meisterwerkstatt handelt,diese zertifiziert ist, ob dort Originalersatzteile Verwendung finden,welche Erfahrung man hat bei der Rep. von Unfallfahrzeugen hat)M.E. ist der BGH dieser vermittelnden Ansicht gefolgt und wenn die Versicherung diese Angaben macht, hat sie das Recht auf ihrer Seite oder sehe ich das falsch?
Eine Meisterwerkstatt erfüllt nur die handwerksrechtlichen Voraussetzungen um überhaupt Eingriffe am Auto vornehmen zu dürfen.
Eine Zertifizierung erfolgt durch DEKRA ist nur ein Gefälligkeitsakt unter Geschäftsfreunden (DEKRA erstellt die Schadensgutachten für die Versicherung und klebt HU-Plaketten in den Partnerwerkstätten) und völlig aussagelos.
Gleichwertig bedeutet das Personal ist markenspezifisch auf den neuesten Stand, hat uneingeschränkten Zugang zu allen Serviceinformationen, unterliegt der Qualtiätskontrolle des Herstellers, und hält die erforderlichen Spezialwerkzeuge für die Fahrzeuge des jeweiligen Herstellers vor. Und das Alles zu „Partnerstundenverrechnugssätzen“?
Ich glaube nicht, dass es viele Richter gibt, die solch einen Unsinn glauben.
Was aber wahrscheinlich ist, dass Auseinandersetzungen um Gleichwertigkeit zunehmen werden und in diesem Bereich auch viele Gutachten eingeholt werden.
IMHO ist das ein neues Betätigungsfeld für Sachverständige.