Mit Entscheidung vom 11.01.2008 (2 C 760/07 (I)) wurde die DEVK Versicherung durch das Amtsgericht Langen dazu verurteilt, restlichen Schadensersatz im Rahmen der fiktiven Abrechnung zu erstatten. Es ging hierbei um die Positionen Stundenverrechnungssätze der markengebundenen Fachwerkstatt, die Ersatzteilzuschläge, Verbringungskosten sowie um die Wertverbesserung. Es handelt sich zwar um eine etwas ältere Entscheidung. Die Begründung ist jedoch – auch nach VW-Urteil & Co – in den meisten Punkten heute noch hochaktuell. Insbesondere die Argumentation zu den Ersatzteilzuschlägen, den Verbringungskosten sowie zu den Sonderkonditionen der Versicherungs-Partnerwerkstätten können als vorbildlich bezeichnet werden. Auch die Ausführungen zu der Wertverbesserung kann man nur unterstreichen. Lediglich die Stundenverrechnungssätze der markengebundenen Fachwerkstatt bedürfen heutzutage der Präzisierung.
Wieder ein schönes Musterurteil für unsere Sammlung.
Amtsgericht Langen
Verkündet am 11.01.2008
– Zivilabteilung –
2 C 750/07 (I)
Im Namen des Volkes
Urteil
In der Zivilsache
– Kläger-
gegen
– Beklagter-
wegen
hat das Amtsgericht Langen
auf die mündliche Verhandlung vom 14.12.2007
durch die Richterin am Amtsgericht …
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 764,61 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.06.2007 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger als Erstattung außergerichtlicher Kosten 79,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.08.2007 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages vorläufig abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages feistet.
Tatbestand:
Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 02.04.2007 geltend. Der Verkehrsunfall ereignete sich gegen 16:00 Uhr auf der Berliner Straße in … . Der Fahrer des zu diesem Zeitpunkt bei der Beklagten versicherten Pkw, Herr … parkte sein Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … unmittelbar vor dem Fahrzeug des Klägers in Fahrtrichtung auf der linken Seite und prallte beim Ausparkvorgang im Rückwärtsgang gegen das Fahrzeug des Klägers im vorderen rechten Bereich. Herr… gab ein Schuldeingeständnis ab. Die Haftung zu 100% ist seitens der Beklagten nicht angegriffen. Streit besteht allein über die Höhe des dem Kläger zustehenden Schadensersatzes. Der Kläger rechnete den Sachschaden auf Gutachterbasis ab, wobei er sich auf das Gutachten vom 03.04.2007 des Kfz-Sachverständigen … beruft. Ausweislich des Gutachtens betragen die voraussichtlichen Reparaturkosten netto 2.303,33 €. Von diesem Betrag ist gemäß dem Ergänzungsgutachten vom 13.06.2007 ein Betrag von 59,15 € abzusetzen, so dass der Kläger den Ersatz vom 2.244,18 € begehrt, ferner die Gutachtenkosten in Höhe von 489,69 € sowie eine Aufwandspauschale von 25,00 €. Die Beklagte bezahlte bisher insgesamt 1.994,26 €. Die restlichen 764,61 € macht der Kläger mit der vorliegenden Klage geltend. Ferner begehrt er Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 79,35 €,
Der Kläger beantragt,
wie erkannt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet die Angemessenheit der Reparaturkosten und vertritt hierzu die Auffassung, die Reparaturkosten würden nur netto 1.597,72 € betragen. Hiervon seien Abzüge für die Wertverbesserung Lack ohne Mehrwertsteuer in Höhe von 59,15 € sowie Abzüge für die Wertverbesserung Teile ohne Mehrwertsteuer 59,00 € vorzunehmen. Darüber hinaus werde die Angemessenheit des Stundensatzes der Reparaturwerkstatt von 88,80 € netto und der Stundensatz der Lackierwerkstätte mit 55,20 € bestritten. Hierzu behauptet die Beklagte, der durchschnittliche Stundenlohn von Fachwerkstätten liege in Bremerhaven bzw. Langen bei 75,00 €. Ein Ersatzteilzuschlag von 16% auf die UPE-Preise sei nicht gerechtfertigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
Der Kläger hat Anspruch auf restlichen Schadensersatz in Höhe von 764,61 € aus §§ 7, 17 StVG, 3 PflichtversG, 823 BGB i.V.m. § 249 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BGB. Der Kläger kann auf Gutachtenbasis nach dem Nettobetrag abrechnen, der erforderlich wäre, um seinen Pkw wieder instand zu setzen. Die Höhe des Schadens bemisst sich nach dem von dem Sachverständigen … festgestellten voraussichtlichen Nettoreparaturaufwand von 2.303,33 € abzüglich der Wertverbesserung Lack 59,15 € zuzüglich der unstreitigen Kosten für das Sachverständigengutachtens von 489,69 € und der Aufwandspauschale von 25,00 €. Der von dem Sachverständigen mit 88,80 € angesetzte Stundensatz für die Reparatur ist nicht zu beanstanden. Im Rahmen einer fiktiven Abrechnung ist eine Kürzung der Stundensätze nicht zulässig. Da gerade nicht tatsächlich repariert wird, kann der Kläger auch nicht auf eine bestimmte Reparaturwerkstatt verwiesen werden, die einen besonders günstigen Stundenverrechnungssatz anbietet. Selbst wenn er sein Fahrzeug reparieren ließe, dürfte wohl kaum dem Kläger vorgeschrieben werden können, in welcher Werkstatt er sein Fahrzeug reparieren lässt. Ferner weist die Klägerseite zutreffend darauf hin, dass die Versicherung mit bestimmten Werkstätten spezielle Verrechnungssätze vereinbart haben, die jedoch für den Kläger, der nicht Vertragspartner der DEKV ist, nicht zutreffend sind.
Die Verbringungskosten können im Rahmen der fiktiven Abrechnung verlangt werden. Das Gericht vertritt die Auffassung, dass soweit eine fiktive Abrechnung nun mal vom Gesetzgeber zugelassen wird, nicht verschiedene Einzelpositionen angegriffen werden können und insoweit eine fiktive Abrechnung mit der tatsächlichen Abrechnung vermischt wird. Letztlich ist nur in § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB im Gesetz angegeben, in welchen Fällen nicht fiktiv abgerechnet werden kann, nämlich für den Fall der Mehrwertsteuer. Das dürfte im Umkehrschluss auch bedeuten, dass im Übrigen fiktiv auf Gutachtenbasis abgerechnet werden kann, Würde man die Argumentation der Verbringungskosten auf die Spitze treiben, könnte man auch argumentieren, die gesamten Reparaturkosten fielen nicht an, so dass es keines Schadensersatzes bedürfte. Das kann nicht richtig sein.
Zu den ersatzfähigen Reparaturkosten zählen auch die in vielen Fachwerkstätten anfallenden Ersatzteilpreisaufschläge (so genannte UPE-Aufschläge). Dies ist bei durchgeführter Reparatur und tatsächlich angefallenen Kosten unzweifelhaft. Aber auch bei einer fiktiven Abrechnung auf Gutachtenbasis kann der Geschädigte diesen Zuschlag verlangen (u.a. AG Bremen ZFS 2338, AG Norderstadt ZFS 2341; AG Heilbronn ZFS 2000, 204), Dies ergibt sich daraus, dass der Geschädigte die in der Verwendung des ihm nach § 249 Abs. 1 Satz 1 zustehenden Schadensersatzbetrages frei ist. Zu ersetzen ist wie bereits oben ausgeführt, der zur Schadensbeseitigung erforderliche Herstellungsaufwand. Gehören hierzu auf dem örtlichen Markt auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens auch Ersatzteilpreisaufschläge, so sind diese ebenfalls zu ersetzen. Der Sachverständige hat auf Seite 2 seines Ergänzungsgutachtens vom 13.06.2007 ausgeführt, dass es sich bei dem Ersatzteilaufschlag um die Aufschläge des örtlichen Markenhändlers handelt. Dies ist nicht substantiiert angegriffen worden.
Soweit die Beklagtenseite weitere 59,00 € Abzüge für Wertverbesserung Teile ohne Mehrwertsteuer vornehmen will, so ist dieser Abzug nicht berechtigt. Der Kläger hat im Rahmen seiner Schadensberechnung lediglich einen Reifen abgerechnet, obwohl zwei Reifen aufgrund des Unfalls neu aufgezogen worden sind. Hierbei weist die Klägerseite zutreffend darauf hin, dass man nicht mit unterschiedlich hohen Profiltiefen fahren soll und daher im Grunde sogar die Auswechslung beider Reifen gerechtfertigt war. Denn hätten zwei Neureifen abgerechnet werden können abzüglich des 50%igen Abzugs neu für alt. Im Ergebnis ist es in der Summe das Gleiche, wenn lediglich ein Reifen vollständig abgerechnet wird.
Die Nebenforderung ist ebenfalls als Schadensersatz gemäß §§7, 17 StVG, 3 PflichtversG, S23 BGB i.V.m. §249 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BGB berechtigt. Vorliegend sind Rechtsfragen streitig, daher durfte der Kläger einen Rechtsanwalt vorgerichtlich einschalten.
Die Kostenentscheidung folgt aus §91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Diskussion um die Abzüge Reifen hätte vermieden werden können, wenn zwei Reifen auf der Rechnung bzw. im Gutachten aufgeführt worden wären und dann richtigerweise die Abzüge entsprechend berücksichtigt worden wären.
Gruss SVS