Mit Entscheidung vom 20.11.2009 (22 C 74/09) wurde die HUK-Coburg Allgem. Versicherung AG durch das Amtsgericht Salzgitter dazu verurteilt, weiteren Schadenersatz im Rahmen der fiktiven Abrechnung zu erstatten. Es handelte sich hierbei um die Positionen Stundenverrechnungssätze der markengebundenen Fachwerkstatt, die Verbringungskosten sowie restliche Sachverständigenkosten. Auch die Kosten der Demontage des hinteren Stoßfängers zur Schadensfeststellung durch den Sachverständigen in Höhe von EUR 168,00 wollte die HUK nicht erstatten. Wieder einmal wurde der „Rechtsauffassung“ der HUK eine klare Absage erteilt.
Aus den Gründen:
1.) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 656,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. seit dem 01.07.2009 zu zahlen.
2.) Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Gegenstand des Verfahrens sind restliche Schadenersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 09.02.2009 in Salzgitter.
Darin verwickelt waren die Klägerin als Eigentümerin des Pkw Mercedes C 220 mit dem Kennzeichen … sowie ein bei der Beklagten haftpflichtversichertes Fahrzeug. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig. Streit besteht jedoch noch ober die Höhe des durch den Unfall verursachten Schadens.
Die Klägerin hatte dem Kraftfahrzeugsachverständigen … mit der Begutachtung des durch den Unfall entstandenen Schadens beauftragt. Dieser ermittelte Reparaturkosten in Höhe von netto 1.914,84 €. Für das Gutachten berechnete er eigene Kosten in Höhe von 701,58 €. Die Beklagte nahm an den Gutachterkosten Abzüge vor und zahlte sie lediglich in Höhe von 391,17 €. Die Reparaturkosten wurden in Höhe von 1.568,67 € erstattet. Die jeweiligen Differenzen (310,41 € für die Gutachterkosten und 348,17 € für die Reparaturkosten) bilden die Klageforderung.
Die Klägerin beantragt daher,
wie aus dem Tenor ersichtlich.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, die von ihr geleisteten Beträge seien angemessen und ausreichend.
Mit der Zahlung von 391,17 € sei das Honorar des Gutachters … angemessen ausgeglichen. Dabei habe die Beklagte sich an der Gebührentabelle der BVSK 2007 orientiert. Mit dem vorgenannten Betrag sei das übliche und angemessene Honorar vergütet worden. Die Kostennote des Sachverständigen … werde bestritten.
Darüber hinaus werde bestritten, dass in der Kostennote enthaltene Montagearbeiten am Stoßfänger hinten mit gesonderten Kosten von 188,00 € erforderlich und angemessen gewesen seien.
Die Reparaturkosten seien mit 1.568,67 € unfallbedingt entschädigt worden. Der Klägerin sei eine Referenzfirma benannt worden, die die Reparaturarbeiten preiswerter als im Gutachten des Sachverständigen … aufgeführt habe, durchführen können. Es seien daher die Stundenverrechnungssätze der benannten Referenzbetriebe in Ansatz zu bringen. Darüber hinaus enthalte das Gutachten des Sachverständigen … fiktive Verbringungskosten zum Lackierer, die nicht erstattungsfähig seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die Beklagte schuldet aus §249 BGB Ersatz, auch der mit der Klage geltend gemachten Kosten aus dem Verkehrsunfall vom 09.02,2009.
Unstreitig ist, dass die Beklagte dem Grunde nach auch Ersatz aus dem vorgenannten Verkehrsunfall verpflichtet ist. Aber auch in Höhe der nicht bezahlten 310,41 € für Gutachterkosten sowie in Höhe von 346,17 € für fiktive Reparaturkosten besteht eine Ersatzpflicht der Beklagten.
Die vollständige Ersatzfähigkeit der Sachverständigenkosten folgt aus § 249 BGB-. Danach hat der Schädiger die Kosten von Sachverständigengutachten zu ersetzen, soweit dies zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist.
In der Regel sind die Kosten auch dann zu ersetzen, wenn das Gutachten objektiv ungeeignet ist oder seine Kosten übersetzt sind (Palandt-Heinrichs, § 249, Rdz. 40 ., w. N.). Der Sachverständige ist daher nicht gehalten, auf der Grundlage der BSVK-Tabelle abzurechnen. Auch ist die genannte Tabelle kein Richtwert, nach dem Sachverständige ihre Gutachten zu ersteilen haben. Die Höhe der Sachverständigenkosten ist in der Regel nur dann zu beanstanden, wenn ein eindeutiges Auswahlverschulden des Geschädigten vorliegt bzw. die Kosten sich als eindeutig überhöht darstellen. Von letzterem ist in der Regel dann auszugehen, wenn kein vernünftiges Verhältnis von Schaden zu Gutachterkosten mehr gegeben ist. Im vorliegenden Falle betragen die Bruttosachverständigenkosten jedoch weniger als 1/3 der Bruttoreparaturkosten, sodass nicht von einer Unverhältnismäßigkeit zwischen Schäden und Gutachterkosten auszugehen ist. Auch Anhaltspunkte für ein Auswahlverschulden in Bezug auf den Sachverständigen … bestehen nicht, sodass die Kosten in voller Höhe ersatzfähig sind. Auf die vereinzelten Einwendungen der Beklagten zu bestimmten Positionen der Sachverständigenabrechnung kommt es mithin nicht an.
Soweit die Beklagte mit Nichtwissen bestreitet, dass Kosten für die Demontage eines Stoßfängers in Höhe von 168,00 € angefallen seien und angemessen seien, so gilt Folgendes: Da vorliegend ein Unfallschaden durch einen Heckanstoß zu begutachten war, durch den das Heckabschlussblech verbogen und eingedrückt würde, ist nicht ersichtlich, wie der Sachverständige diese Feststellungen ohne Demontage des Stoßfängers hinten hätte treffen können. Der Sachverständige hat dafür dieselben Kosten angesetzt, die auch in der Reparaturwerkstatt angefallen wären (Seite 5 des Sachverständigengutachtens). Da die Beklagte diese Kosten zur Behebung des Schadens nicht beanstandet hat, kann sie hiermit auch in Bezug auf die Sachverständigenrechnung nicht gehört werden.
Auch weitere Reparaturkosten in Höhe von 346,17 € schuldet die Beklagte. Auch insoweit ist dem Gutachten des Sachverständigen … zu folgen.
Die Geschädigte ist berechtigt, auch im Wege fiktiver Schadensberechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt in Anspruch zu nehmen. Hierzu hat bereits der BGH in seinem Urteil vom 29.04.2003, DAR 2003, S. 373, abschließend Stellung genommen. Der Geschädigte muss sich deshalb nicht auf von der Versicherung vorgeschlagenen anderweitige Betriebe verweisen lassen. Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte mit Schreiben vom 05.03.2009 die Referenzwerkstätten Fa. … Karosseriebau und Fa. … Unfallinstandsetzung benannt. Bei beiden Firmen handelt es sich, insoweit gerichtsbekannt, nicht um markengebundene Fachwerkstätten der Fa. Mercedes-Benz. Insoweit war die Klägerin auch nicht gehalten, sich die Stundenverrechnungssätze dieser Werkstätten anrechnen zu lassen (so auch: LG Braunschweig, Beschl. v. 03.12.2008, Az. 12 S 564/08 und AG Salzgitter, Az. 23 C 131/09).
Schließlich ist auch die in Ansatzbringung fiktiver Verbringungskosten ersatzfähig. Diese Kosten sind auch dann als fiktive Reparaturkosten zu ersetzen, wenn sie in der vom Sachverständigen berücksichtigten Werkstatt angefallen wären, weil diese keine eigene Lackiererei hat. Darüber hinaus ist aufgrund der Tatsache, dass die Lackierungen der Fahrzeuge immer vielfältiger und differenzierter werden, in aller Regel davon auszugehen, dass Kfz-Fachwerkstätten nicht über eine eigene Lackiererei verfügen, sondern im Reparaturfalte die zu reparierenden Fahrzeuge zur Lackierung verbringen.
Im vorliegenden Fall war die Position Verbringungskosten mit 99,80 € netto im Sachverständigengutachten … angesetzt worden, was bedeutet, dass diese Kosten in jedem Falle anfallen, wenn die Reparatur von der im Sachverständigengutachten zugrunde gelegten Werkstatt durchgeführt werden. Folglich handelt es sich um notwendige und daher erstattungsfähige Kosten im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB.
Die Zinsforderung folgt aus § 291 BGB.
Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 91 Abs. i ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit gründet sich auf die §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Urteilsliste “Fiktive Abrechnung und SV-Honorar” zum Download >>>>>
Hallo Hans Dampf,
in diesem Rechtstreit hat die HUK-Coburg und ihre Prozessbevollmächtigten in der Klageerwiderung wiederum auf die altbekannte Schiene der werkvertraglichen Gesichtspunkte ( …das Sachverständigenhonorar sei angemessen ausgeglichen worden…) gesetzt und ist folgerichtig auf die Nase gefallen. Im Schadensersatzprozess sind werkvertragliche Gesichtspunkte, wie Angemessenheit oder Üblichkeit, völlig fehl am Platze. Insoweit ist dem Richter am AG Salzgitter ein Lob auszusprechen, dass er sich durch eine abwegige Erwiderung nicht hat ins Bockshorn jagen lassen. Auch die weiteren Ausführungen zum restlichen Sachverständigenhonorar überzeugen. Ebenso überzeugen die weiteren Ausführungen zu den Stundenverrechnungssätzen auch bei fiktiver Schadensabrechnung sowie die weiteren Kosten der Demontage des Stoßfängers. Insgesamt ein überzeugendes Urteil.
Mit freundlichen Grüßen
RA. Wortmann