Das AG Wiesbaden zur fiktiven Abrechnung: Stundenverrechnungssätze der markengebundenen Fachwerkstatt, Ersatzteilpreisaufschläge und Verbringungskosten

Mit Entscheidung vom 26.08.2009 (93 C 2667/09 (40)) wurde die eintrittspflichtige Versicherung durch das Amtsgericht Wiesbaden dazu verurteilt, weiteren Schadenersatz im Rahmen der fiktiven Abrechnung zu erstatten. Es handelte sich um die Positionen Stundenverrechnungssatz der markengebundenen Fachwerkstatt, Ersatzteilzuschläge sowie die Verbringungskosten. Saämtliche Positionen wurden von der Fa. Control €xpert gekürzt. Des weiteren wurden vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zugesprochen.

Aus den Gründen:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 470,01 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.04,2009-zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 63,54 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.O5.20O9 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Auf die Darstellung eines Tatbestandes wird nach den Vorschriften §§ 313 a Abs.1, 511 ZPO verzichtet

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner aus den-§§ 7 Abs.1, 16 Abs.1 StVG, 3 Ziff. 1 PflVG Anspruch auf weiteren Schadenersatz in Höhe des mit dem Klageantrag zu 1.) geltend gemachten Betrages in Höhe von 470,01 €.

Der Beklagte zu 1.) hat zwar am 25.05.2009 zu Protokoll der Rechtsantragsstelle in Germersheim erklärt, dass er sich gegen die Klage verteidigen möchte. Entgegen seiner Ankündigung ist eine Klageerwiderung aber nicht eingegangen. Die Beklagte zu 2.) hat auf die ihr am 19.05.2009 (BI.51-53 d.A.) zugestellte Klage auch innerhalb der ihr mit Beschluss vom 26.06.2009 (BI.12 d.A.) bis zum 05.08.2009 nochmals gesetzte Stellungnahmefrist nicht reagiert. Der Beschluss vom 26.06.2009 wurde ihr am 01.07.2009 (Bl.48 d.A.) zugestellt. Auch der Beklagte zu 1.), welchem der Beschluss vom 26.06.2009 am 02.07.2009 (BI.49 d.A.) zugestellt wurde, hat innerhalb der Schriftsatzfrist nicht auf die Klage erwidert.

Das Gericht macht deshalb von der ihm im vereinfachten Verfahren nach § 495 a ZPO eingeräumten Befugnis Gebrauch, den Rechtsstreit unter Zugrundelegung des Vortrags der Klägerseite durch unanfechtbares Endurteil zu entscheiden.

Nach dem Vortrag der Klägerseite haften die Beklagten der Klägerin für die ihr anlässlich des Verkehrsunfalls vom 13.12.2008 auf dem Bahnhofsvorplatz in Wiesbaden entstandenen Schäden an ihrem Pkw der Marke Rover 75 mit dem amtlichen Kennzeichen … dem Grunde nach zu 100%.  Der Beklagte zu 1.) war zum Unfallzeitpunkt Halter und Fahrer des Fahrzeugs der Marke Nissan mit dem amtlichen Kennzeichen … , welches zum Unfallzeitpunkt bei der Beklagten zu 2.) haftpflichtversichert war. Von dem Klägerseits geltend gemachten Gesamtschaden in Höhe von 4.208,52 € regulierte die Beklagte zu 2.) mit Abrechnungsschreiben vom 24.02.2009 nebst Anlage (BI.21-26 d.A.), auf dessen genauen Wortlaut Bezug genommen wird, einen Teilbetrag in Höhe von 3.738, 51 €.

Soweit die Beklagte zu 2.) im Rahmen der Regulierung den mit dem Klageantrag zu 1.) von der Klägerin nunmehr geltend gemachte Betrag in Höhe von 470,01 € unter Berufung auf ein Gegengutachten der Firma ControlExpert GmbH vom 18.02.2009 einbehalten hat, war sie hierzu nach Auffassung des Gerichts nicht berechtigt. Die von der Firma ControlExpert GmbH errechneten geringeren Reparaturkosten in Höhe von 2.796,99 € im Vergleich zu den klägerseits geltend gemachten Reparaturkosten in Höhe von 3.267,- € resultieren daraus, dass das Sachverständigengutachten der Beklagtenseite abweichend von dem klägerischen Schadengutachten nicht die Lohn-und Lackierkosten einer markengebundenen Fachwerkstatt, sondern einer freien Autowerkstatt zu Grunde gelegt hat, weiterhin den im klägerischen Schadengutachten angesetzten Ersatzteilzuschlag für zu hoch erachtet hat und im übrigen die für die Verbringung des Fahrzeugs in eine externe Lackiererei berechneten Kosten gänzlich in Abzug gebracht hat. Nach Auffassung des Gerichts ist der Kläger im Rahmen der von ihm zur Regulierung seines Unfallschadens gewählten fiktiven Schadensberechnung auf Gutachtenbasis jedoch berechtigt, die Reparaturkosten hinsichtlich der Lohn- und Lackierkosten auf der Grundlage der durchschnittlichen ortsüblichen Stundensätze der markengebundenen Rover – Fach Werkstätten seiner Region zum Unfallzeitpunkt zu berechnen. Zwar ist der Geschädigte unter dem Gesichtspunkt der ‚Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen; sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann (BGHZ 115, 364/368; 132, 373/376). Doch genügt der Geschädigte diesen Anforderungen regelmäßig, wenn er den Schaden auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens berechnet sofern das Gutachten hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt, dem konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden (BGH „Porsche-Urteil“ vom 29.04.2003 Az,: VI ZR 398/02). Diese Voraussetzungen erfüllt das vom Kläger eingeholte Schadengutachten des Ingenieur-Büros G. vom 15.12.2008.

Der Kläger hat gegen die Beklagten auch einen-Anspruch auf Erstattung der in der Reparaturkostenkalkulation des Schadensgutachtens des Ingenieurbüros G. enthaltenen Ersatzteilzuschlages von 10%. Der Ersatzteilzuschlag gehört nach Auffassung des Gerichts zu den üblicherweise anfallenden Rechnungsposten einer Fahrzeugreparatur und deshalb zu den nach § 249 Abs: 1 BGB vom Schädiger zu ersetzenden Schadenpositionen. Denn ein Kunde erhält Ersatzteile von einem Reparaturbetrieb regelmäßig nicht ohne Zuschlag auf die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers. Soweit sich aus dem Gegengutachten der Beklagtenseite ein prozentual geringerer Ersatzteilzuschlag entnehmen lässt, hat sich die Beklagtenseite darauf im streitgegenständlichen Verfahren mangels Einlassung nicht berufen. Soweit in der Rechtsprechung zum Teil die Auffassung vertreten wird, es handele sich bei den Ersatzteilzuschlägen lediglich um mögliche, nicht aber um notwendige Reparaturkosten, deren Notwendigkeit sich erst bei tatsächlicher Durchführung einer Reparatur ergebe, kann dem im Hinblick auf den bereits dargelegten, vom BGH vertretenen abstrakten Schadensbegriff im Rahmen einer fiktiven Abrechnung auf Reparaturkostenbasis nicht gefolgt werden (so auch statt weiterer AG Wiesbaden Urteil vom 30.11.2006, Az,: 92 C 3811/06; AG Berlin-Mitte Urteil vom 27.11.2007, Az.: 111 C 3246/06: AG Frankfurt/M. Urteil vom 15.02.2008, Az.: 31 C 2529/07).

Gleiches gilt für die Verbringungskosten in Höhe von 85,- € für die Verbringung des Fahrzeugs in eine externe Lackiererei. Auch diese gehören, da die Kfz-Reparaturbetriebe regelmäßig nicht über eine eigene Lackiererei verfügen, zu den üblicherweise anfallenden Reparaturkosten und sind entsprechend den Ausführungen zu dem Ersatzteilzuschlag von dem Schädiger und damit von den Beklagten zu ersetzen.

Insoweit gehörte es bei der Abrechnung auf Gutachtenbasis nicht zu den Aufgaben der Klägerin im Wege einer „Marktanalyse“ für die Geltendmachung von Verbringungskosten zu ermitteln, ob keine der Rover-Vertragswerkstätten in ihrer Region über eine eigene Lackiererei verfügt. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass für einen Abzug der Verbringungskostenbei Abrechnung auf Gutachtenbasis die Darlegungslast dafür, dass jedenfalls eine der in der Region um den Wohnsitz des Geschädigten ansässigen markengebundenen Fachwerkstätten über eine eigene Lackiererei verfügt, bei dem Schädiger, hier also bei der Beklagten liegt. Die Beklagten haben jedoch-wie ausgeführt-weder zur Klage noch zu den ihnen diesbezüglich mit Beschluss vom 26.06.2009 erteilten Hinweise Stellung genommen.

Die Erstattung der mit dem Klageantrag zu 2.) geltend gemachten vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 83,54 sind von den Beklagten als Gesamtschuldner ebenfalls als von § 249 BGB umfasste Rechtsverfolgungskosten nach den §§ 7 Abs. 1, 18 Abs.1 StVG, 3 Ziff. 1 PflVG der Klägerin zu erstatten.

Der Zinsanspruch ergibt sich hinsichtlich des Klageantrags zu 1.) aus den §§ 286 Abs. 1, 263 Abs.1, 247 BGB, hinsichtlich des Klageantrags.zu 2.) aus den §§ 291, 286 Abs.1, 247 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den §§ 708 Ziff. 11, 713 ZPO. Schuldnerschutzanordnungen nach § 711 ZPO waren nicht zu treffen, da die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, unzweifelhaft nicht vorliegen.

Die Berufung gegen das Urteil wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert.

Urteilsliste “Fiktive Abrechnung” zum Download >>>>>

Dieser Beitrag wurde unter Control-Expert, Ersatzteilzuschläge, Fiktive Abrechnung, Haftpflichtschaden, Lohnkürzungen, Rechtsanwaltskosten, Stundenverrechnungssätze, UPE-Zuschläge, Urteile, Verbringungskosten abgelegt und mit , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

4 Antworten zu Das AG Wiesbaden zur fiktiven Abrechnung: Stundenverrechnungssätze der markengebundenen Fachwerkstatt, Ersatzteilpreisaufschläge und Verbringungskosten

  1. SV F.Hiltscher sagt:

    „Soweit die Beklagte zu 2.) im Rahmen der Regulierung den mit dem Klageantrag zu 1.) von der Klägerin nunmehr geltend gemachte Betrag in Höhe von 470,01 € unter Berufung auf ein Gegengutachten der Firma ControlExpert GmbH vom 18.02.2009 einbehalten hat, war sie hierzu nach Auffassung des Gerichts nicht berechtigt. Die von der Firma ControlExpert GmbH errechneten……“

    das Gericht spricht hier fälschlicherweise von einem Gegengutachten..
    Man ist bei Gericht halt nicht informiert, dass Ga persönlich zu erstellen sind, dass GA unterzeichnet sein müssen, dass GA rechtskonform erstellt werden müssen, dass GA weisungsfrei erstellt werden müssen dass GA Mindestanforderungen haben, dass die Fa. ControlExpert GmbH alles weisungsgerecht u. nicht mit Sachverstand streicht……
    Aber woher sollen die Richter denn so etwas wissen?
    MfG
    F.Hiltscher

  2. Willi Wacker sagt:

    Hallo Herr Franz Hiltscher,
    völlig richtig. Ich habe bereits erlebt, dass ein Amtsrichter ein SV-Büro mit der Erstellung eines GA beauftragt hatte, was dann von mir beanstandet wurde mit der Folge, dass das Gericht einen SV aus dem Büro zum GA bestellte. Ein Büro oder eine GmbH können schon dogmatisch kein Gutachter sein, da Gutachter immer nur eine natürliche Person sein kann, die auch den Gutachtereid ablegen kann. Ein Büro oder eine GmbH kann das nicht.
    Mit freundlichen Grüßen
    Dein Willi Wacker

  3. WESOR sagt:

    @Franz Hiltscher….das Gericht spricht hier fälschlicherweise von einem Gegengutachten..
    Man ist bei Gericht halt nicht informiert, dass Ga persönlich zu erstellen sind, dass GA unterzeichnet sein müssen, dass GA rechtskonform erstellt werden müssen, dass GA weisungsfrei erstellt werden müssen dass GA Mindestanforderungen haben, dass die Fa. ControlExpert GmbH alles weisungsgerecht u. nicht mit Sachverstand streicht……
    Aber woher sollen die Richter denn so etwas wissen.

    Weil es teilweise in diesen „Prüfberichten“ sogar niedergeschrieben ist.

    Ihre Erkenntnisse sind wieder einmal treffend und nutzbar formuliert den weisungsgebundenen Korrekturen zu entgegnen.

  4. Willi Wacker sagt:

    Hallo Wesor,
    war das gar kein (Gegen-)Gutachten, sondern lediglich ein „Prüfbericht“? Ich ging nach dem Text von einem Gutachten aus.
    Mit freundl. Grüßen
    Willi Wacker

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert