Mit Urteil vom 29.12.2011 (8 O 282/11) hat das Landgericht Frankenthal die beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 607,18 € zzgl. Zinsen sowie weiterer RA-Kosten verurteilt. Die Schätzung der Höhe des Normaltarifs durch das Gericht beruht auf einer – fragwürdigen? – Ermittlung des Mittelwertes zwischen Schwacke und Fraunhofer. Der Mittelweg ist nicht immer der richtige. Interessant ist hierbei, dass der Mietwagen von der Firma Avis stammte, eine der Firmen, die nach den Gebetsmühlenvorträgen der Versicherungsanwälte doch immer derartig kostengünstige Angebote machen, die auch weit unter der Fraunhofer Tabelle liegen.
Aus den Entscheidungsgründen:
Tatbestand:
Die Parteien streiten nach überwiegender Erledigung der Hauptsache noch über die Höhe der erstattungsfähigen Kosten der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs nach einem Verkehrsunfall.
Der Kläger erlitt am xx.xx.2011 mit seinem PKW, amtl. Kennz. XX-YY 123 in L. einen Verkehrsunfall, für dessen Folgen die Beklagten als Fahrer bzw. Haftpflichtversicherer des gegnerischen Fahrzeugs in vollem Umfang einzustehen haben.
Am xx.xx.2011, also sieben Tage nach dem Unfall, mietete der Kläger für die Zeit der Reparatur seines Fahrzeugs bei dem Mietwagenunternehmen AVIS ein Ersatzfahrzeug des Typs Opel Zafira 1,7 Cdti (Klasse 4) an, mit dem er bis zum 30.07.2011 insgesamt 1.841 km zurücklegte. Das Mietwagenunternehmen stellte ihm hierfür insgesamt 1.999,40 € in Rechnung (GA 30).
Die Beklagte zu 2. hat am 20.09.2011, nach Zustellung der Klage, auf die ursprüngliche Klageforderung in Höhe von 8.988,67 € eine Zahlung in Höhe von 7.608,57 € geleistet, davon 619,30 € auf die Mietwagenkosten. Auf die geltend gemachten vorprozessualen Rechtsanwaltskostenhöhe von 718,40 € hat die Beklagte zu 2. unter entsprechender Reduzierung des Gegenstandswerts 661,16 € gezahlt. Hinsichtlich dieser Zahlungen haben die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
Der Kläger trägt vor:
Die von ihm verauslagten Mietwagenkosten seien in voller Höhe erstattungsfähig. Maßgeblich sei insoweit die sog. Schwacke-Liste. Nach dieser seien bei einer gewöhnlichen Anmietung insgesamt 2.018,- € in Ansatz zu bringen, nämlich 16 Tagesmieten in Höhe von 91,– €, Zustell- und Abholgebühren in Höhe von 2 x 25,- €, 16 Zuschläge für einen zweiten Fahrer in Höhe von jeweils 11,– € und 16 Tage Haftungsbefreiung in Höhe von jeweils 21,- €. Vorliegend sei auf die reinen Mietkosten noch ein Zuschlag von 25 % bzw. von 364,-€ zu machen, der sich daraus ergebe, dass er, der Kläger, keine Vorauszahlung und auch keine Kaution habe leisten müssen, keine feste Mietzeit vereinbart habe und auch keine Kreditkarte habe einsetzen können, da er eine solche nicht besitze. Die erstattungsfähigen Kosten seien demnach mit 2.382,- € zu bemessen, was belege, dass er, der Kläger, mit der Anmietung bei der Fa. AVIS ein günstiges Angebot genutzt habe. Noch günstigere Angebote seien damals am relevanten örtlichen Markt nicht verfügbar gewesen.
Der Kläger beantragt noch,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 1.380,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 8.988,67 € für die Zeit vom 27.08.2011 bis zum 20.09.2011 und aus 1.380,10 € seit dem 21.09.2011 zu zahlen;
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 57,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 718,40 € für die Zeit vom 27.08.2011 bis zum 20.09.2011 und aus 57,24 € seit dem 21.09.2011 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie tragen vor:
Mietwagenkosten seien nur in Höhe der gezahlten 619,30 € erstattungsfähig. Abzustellen sei insoweit auf die sog. Fraunhofer-Liste, die einen Betrag von 631,- € ergebe, von dem noch ein 10 %iger Abzug für ersparte Eigenaufwendungen zu machen sei. Der Kläger müsse sich darauf verweisen lassen, das Ersatzfahrzeug erst 7 Tage nach dem Unfall angemietet zu haben. Er habe also ausreichend Zeit gehabt, sich nach günstigeren Angeboten als demjenigen von AVIS umzusehen, auch habe er, statt Vorkasse zu zahlen, eine Deckungszusage der Zweitbeklagten einholen können. Laut vorgelegten Internetangeboten vom 31.10.2011 sei für eine Mietzeit von 16 Tagen bei der Fa. AVIS ein klassengleiches Fahrzeug für 480,87 € und bei Europcar für 448,95 € verfügbar gewesen.
Zur ergänzenden Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist teilweise begründet. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagten aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 249 Abs. 2 S. 1BGB, § 115 Abs. 1 Nr. 1 WG auf Ausgleich von insgesamt 1.226,48 € Mietwagenkosten, so dass VVG nach Abzug der von der Zweitbeklagten bereits erbrachten Zahlung in Höhe von 619,30 € ein Restbetrag von 607,18 € verbleibt.
Der Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs für den Zeitraum 15.07. bis 30.07.2011 wird von den Beklagten nicht in Zweifel gezogen.
Zur Höhe der erstattungsfähigen Mietwagenkosten gilt, dass der Unfallgeschädigte nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz nur derjenigen Mietwagenkosten verlangen kann, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte hat nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges innerhalb eines gewissen Rahmens grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann (BGH NJW 2009, 58).
Der Kläger hat bei seiner Anhörung durch das Gericht eingeräumt, vor der Anmietung des Ersatzfahrzeugs bei der Fa. AVIS keine ausreichende Anzahl von Alternativangeboten eingeholt zu haben und die ihm angebotenen Preise der Fa. AVIS auch nicht hinterfragt, also nach günstigeren Angeboten gefragt zu haben. Dass der Kläger bei der Fa. Europcar nach einem Fahrzeug gefragt und von dort kein Angebot erhalten hat, reicht ersichtlich nicht aus, um – auch aus seiner Sicht – die Erforderlichkeit der von ihm aufgewandten Mietwagenkosten der Fa. AVIS darzutun. Dies gilt umso mehr, als, wie die Beklagten zu Recht einwenden, dem Kläger eine Woche zur Verfügung stand, um sich nach günstigeren Angeboten umzusehen.
Bei dieser Sachlage sind die erforderlichen Mietwagenkosten zu schätzen, § 287 ZPO. Dem stehen nicht die von den Beklagten vorgelegten Internetangebote der Fa. Europcar und AVIS entgegen. Diese betreffen den Zeitraum 07.11. bis 23.11.2011, besitzen also für den hier relevanten Zeitraum 15.07. bis 30.07.2011 keine Gültigkeit. Abgesehen hiervon handelt es sich um Angebote mit Vorleistungspflicht. Auch muss sich der Kläger auf Internet-Angebote nicht verweisen lassen.
Als mögliche Schätzgrundlage für Mietwagenkosten kommen bekanntlich der Schwacke Automietpreisspiegel (sog. Schwacke-Liste) und der Fraunhofer Marktpreisspiegel Mietwagen (sog. Fraunhofer-Liste) in Betracht, und zwar mit deutlichen Unterschieden im Ergebnis, wie dies auch der Vortrag der Parteien belegt. Das erkennende Gericht schließt sich der jedenfalls im hiesigen Raum offenbar im Vordringen begriffenen Auffassung an, in Hinblick auf die hinlänglich bekannten und erörterten Vorteile und Mängel beider Listen für die Bestimmung des Normaltarifs für Selbstzahler eine Schätzung nach dem arithmetischen Mittel beider Markterhebungen vorzunehmen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 11.08.2011 – 1 U 27/11, juris, Rdn. 37 ff; OLG Saarbrücken, NJW-RR 2010, 541, 543). Zur näheren Begründung wird auf die zitierten Entscheidungen und die dortigen, weiteren Nachweise Bezug genommen.
Was die Berechnung der erforderlichen Mietwagenkosten nach den beiden Listen anbelangt, so gilt zunächst, dass der Kläger auch die in der Schwacke-Liste gesondert ausgewiesenen Kosten der Haftungsbefreiung verlangen kann, denn diese ist in den Tarifen der Fa. AVIS unstreitig enthalten. Ebenfalls verlangt werden können die in der Schwacke-Liste gesondert ausgewiesenen Kosten der Zustellung des Mietfahrzeugs, denn diese Kosten hat der Kläger tatsächlich aufgewendet. Nicht aufgewendet hat er dagegen lt. der vorgelegten Rechnung der Fa. AVIS vom 01.08.2011 Kosten für die Abholung des Fahrzeugs. In der Fraunhofer-Liste sind all diese Kosten nicht gesondert erfasst, sondern in den jeweiligen Tarifen enthalten. Von den so zu errechnenden Kosten sind jeweils 5 % wegen ersparter Eigenaufwendungen abzuziehen (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O., Rdn. 51), was dem Gericht in Hinblick auf die zurückgelegte Laufleistung von 1.841 km angemessen erscheint. Hinzu kommen dann noch die tatsächlich aufgewandten Kosten eines Zweitfahrers gem. Rechnung der Fa. AVIS in Höhe von (brutto) 50,– € (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O., Rdn. 51). Dagegen ist der Mehrpreis für ein Dieselfahrzeug nicht erstattungsfähig, zumal das verunfallte Fahrzeug keinen Dieselmotor besaß.
Maßgeblich ist für den Anmietzeitraum Sommer 2011 die Schwacke-Liste 2011, Gruppe 4, PLZ 670, Tabelle Modus bzw. die Fraunhofer-Liste 2010, Gruppe 4, PLZ 67.
Demnach berechnen sich die Mietwagenkosten wie folgt: |
||||
EP Schwacke |
Ges. Schwacke |
EP Fraunhofer |
Ges. Fraunhofer | |
2 x Wochentarif |
627,00 € |
1.254,00 € |
242,10 € |
484,20 € |
2 x Tagestarif |
112,00 € |
224,00 € |
73,40 € |
146,80 € |
16 Tage Haftungsbefreiung |
21,55 € |
344,80 € |
0,00 € |
|
Zustellung |
23,00 € |
23,00 € |
0,00 € |
|
Summe |
1.845,80 € |
631,00 € |
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abzgl. 5 % Eigenersparnis |
-92,29 € |
-31,55 € |
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verbleiben |
1.753,51 € |
599,45 € |
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zzgl. Zweitfahrer |
50,00 € |
50,00 € |
||
Gesamt | Schwacke |
1.803,51 € |
Fraunhofer |
649,45 € |
Summe Schwacke u. Fraunhofer |
2.452,96 € |
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Mittel (erstattungsfähige Kosten) |
1.226,48 € |
|||
Gezahlt |
-619,30 € |
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Noch zu zahlen |
607,18 € |
Die geltend gemachte Zinsforderung aus diesem sowie aus dem übereinstimmend für erledigt erklärten Betrag ist aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. Der Kläger hat der Zweitbeklagten unstreitig Zahlungsfrist bis 26.08.2011 gesetzt. Nach Schadensersatzgesichtspunkten stehen dem Kläger auch die geltend gemachten vorprozessualen Rechtsanwaltskosten zu. Diese sind auch nicht zu kürzen, da die teilweise Unbegründetheit der Klage nicht zu einer Reduzierung des vorgerichtlichen Gegenstandswertes hin in einer geringere Gebührenstufe führt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 4, 91a ZPO, wobei die Kosten des erledigten Teils der Hauptsache wegen des vorprozessualen Zahlungsverzuges zulasten der Beklagten gehen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Soweit das LG Frankenthal.