Mit Entscheidung vom 15.07.2004 (15 O 86/04 KfH IV; NZV 2005, 263) wurde die DEVK Allgemeine Versicherungs-AG durch das Landgericht Karlsruhe – Kammer für Handelssachen in Pforzheim – zur Unterlassung verurteilt. Grund der Unterlassungsklage war, dass die DEVK Geschädigte auf niedrige Mietwagenpreise verweisen wollte.
Es handelt sich zwar um eine etwas ältere Entscheidung, die jedoch nach wie vor inhaltlich hochaktuell ist. Insbesondere was die gesamte Verweisungsthematik bei der Unfallschadensabwicklung betrifft. Stichwort: Schadensmanagement; Verweisung auf Billiglohnwerkstätten, BVSK-Gesprächsergebnisse….
Aus den Gründen:
1. Die einstweilige Verfügung vom 17.5.2004 wird mit der Maßgabe bestätigt, dass der Verfügungsbeklagten bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis 2u 6 Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bei der Abwicklung eines Verkehrsunfalls dem Geschädigten oder Dritten schriftlich, telefonisch oder anderweitig mitzuteilen, es würden lediglich Mietwagenkosten übernommen, deren genannte Höhe im Einzelfall dem bloßen Nutzungsausfall nach der jeweils aktuellen (Sandsn/Danner/Küppersbusch) Nutzungsausfalltabelle entspricht (Sanden/Danner/Küppersbusch, Nutzungsausfalltabelle, Stand 2003:
Nutzungsausfallgruppe B EUR xx,- /Kalendertag
Nutzungsausfallgruppe C EUR xx,- /Kalendertag
Nutzungsausfallgruppe D EUR xx,- /Kalendertag
Nutzungsausfallgruppe E EUR xx,- /Kalendertag
Nutzungsausfallgruppe F EUR xx,- /Kalendertag
Nutzungsausfallgruppe G EUR xx,- /Kalendertag
Nutzungsausfallgruppe H EUR xx,- /Kalendertag
Nutzungsausfallgruppe l EUR xx,- /Kalendertag
Nutzungsausfallgruppe J EUR xx,- /Kalendertag
Nutzungsausfallgruppe K EUR xx,- /Kalendertag
Nutzungsausfallgruppe L EUR xx,- /Kalendertag
Nutzungsausfallgruppe M EUR xx,- /Kalendertag
Nutzungsausfallgruppe N EUR xx,- /Kalendertag
Nutzungsausfallgruppe O EUR xx,- /Kalendertag )
2. Die Verfügungsbeklagte trägt die weiteren Kasten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Die Verfügungsklägerin (im folgenden: Klägerin) betreibt eine Autovermietung in Pforzheim und hat einen Ladentisch (sog. Counter) bei der … in Pforzheim (im folgenden … ) :
Bei einem Verkehrsunfall Ende März 2004 wurde ein Pkw E 270 CD der Firma … GmbH … (im folgenden … ) beschädigt. Haftpflichtversicherin ist eine der Tochtergesellschaften der DEVK Versicherungen Gruppe.
Die … ließ den PKW bei … reparieren. Für die Zeit der Reparaturdauer mietete sie als Ersatzfahrzeug bei der Klägerin einen Pkw Mercedes-Benz E 240 Autom. zu einem Mietzins von 734,- EUR für drei Tage.
Auf einem maschinell erstellten, an den Geschädigten gerichteten Formularschrelben vom 29.3.2004 (Anlage A4, Anlagenheft AS. 15) kreuzte die Sachbearbeiterin der Haftpflichtversicherin von den mit Nummern versehenen Textbausteinen u.a. die Bausteine Nr. 7 und 9 an, die wie folgt lauten:
“ 7. Sollte ein Mietfahrzeug erforderlich sein, bieten wir Ihnen die Vermittlung zum Preis von 85.00 EUR pro Tag (netto incl. Kilometer und Nebenkosten) an. Bitte rufen Sie uns an, wir helfen Ihnen gerne.
9. Unfallbedingte Mietwagenkosten können wir in Höhe von 65,00 EUR (pro Tag netto incl. Kilometer und Nebenkosten) übernehmen.“
Das Formschreiben hat Kopf- und Fußzeilen, wie nachfolgend abgebildet:
…
Mit einem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 27.4.2004 übersandte die Sachbearbeiterin der Haftpflichtversicherung für Mietwagenkosten einen Scheck über 65 EUR mit u.a. folgendem Text:
„Wir haben Ihrem Kunden bereits am 29.3.04 einen Mietwagenpreis von EUR 65,00 netto mit Kilometer und Nebenkosten genannt, zu welchem eine Anmietung möglich gewesen wäre… Die Anmietung eines teureren Mietwagens verstößt somit gegen die obliegende Schadenminderungspflicht. Wir erstatten daher Mietwagenkosten von EUR 65,00 netto… “
Der erstattete Betrag entspricht dem Tagessatz der Nutzungsausfallgruppe J nach der Nutzungsausfalltabelle Sanden/Danner/Küppersbusch.
Die sog. Schwacke-Liste für Unfallersatz (Bundesdurchschnitt) führt für das unter die Fahrzeugklasse PK 08 fallende Unfallfahrzeug einen Mietpreis von 297,74 EUR incl. Mehrwertsteuer pro Tag an.
Mit der Begründung, die Verfügungsbeklagte (im folgenden: Beklagte) verhalte sich wettbewerbswidrig und behindere den Markt, indem sie unter Ausnutzung der Rechtsunkenntnis dem Unfallgeschädigten den Mietpreis diktiere, der es infolge autoritären und psychischen Drucks nicht mehr wage, einen Ersatzwagen zu marktüblichen Preisen anzumieten oder auf die Nutzung eines Ersatzwagens ganz verzichte, hat die Klägerin am 17.5.2004 eine einstweilige Verfügung erwirkt. Mit der Beschlussverfügung ist der Beklagten bei Meidung von Ordnungsmitteln untersagt worden, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs, Unfallgeschädigte oder Dritte schriftlich, telefonisch oder anderweitig darauf hinzuweisen, dass im Falle der Anmietung eines Fahrzeuges für die unfallbedingte Ausfalldauer des Geschädigtenfahrzeugs, nur tägliche Mietwagenkosten in Höhe eines bezifferten Euro-Betrages übernommen würden.
Gegen die einstweilige Verfügung hat die Beklagte am 19.6.2004 Widerspruch eingelegt.
Die Klägerin trägt vor, die Beklagte handelte wettbewerbswidrig. Ein Wettbewerbsverhältniss liege jedenfalls zwischen ihr und den von der Beklagten vermittelten Autovermietungen, hier der Fa. … Autovermietung GmbH (im folgenden:…) vor, deren Wettbewerb die Beklagte mit ihrem Einwirken auf den Geschädigten fördere. Preisdiktate eines Mietpreises in Höhe etwa des Nutzungsausfalles habe die
Beklagte in zahlreichen Fällen, wobei sie zum Teil ausdrücklich Wettbewerber der Klägerin bewerbe, vorgenommen (Anlagenkonvolute A12, A13).
Die Beklagte behaupte Preise, die am Markt nicht angeboten werden. Auch die von der Beklagten genannte Fa. … biete einen Pkw einer niedrigeren Fahrzeugklasse, und zwar einen Mercedes-Benz E 220 GDI, zu einem Tagespreis von immerhin 129,-EUR an – und das ohne Kaskoschutz und beschränkt auf eine Fahrleistung von 500 km pro Tag (Anlage A 11). Im Übrigen befänden sich die Niederlassungen der Fa. … weit entfernt von Pforzheim. Bei einem nach der anerkannten Schwacke-Liste ermittelten durchschnittlichen Mistpreis von 297,74 EUR pro Tag störe die Beklagte den Wettbewerb sittenwidrig, indem sie den Geschädigten anschreibe und ihm einen am Markt nicht erzielbaren Mietpreis von 65.- EUR nenne. Die Beklagte setze den Geschädigten mit der Mitteilung, es würden nur Kosten von 65,- EUR ersetzt, die bloß den Satz für den Nutzungsausfall darstellen, unter Druck.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
die einstweilige Verfügung zu bestätigen mit der Maßgabe des folgenden Zusatzes: insbesondere Mietpreise zu nennen, die der Nutzungsausfallentschädigung für ein vergleichbares Fahrzeug nach der Tabelle Sanden/Danner/Küppersbusch entsprechen.
Die Beklagte beantragt,
die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Die Beklagte, die in der Widerspruchsbegründung sich noch als KraftfahrzeugHaftpflichtversicherer des Schädigers bezeichnet hat, hat erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 15.7.2004 die Passivlegitimation gerügt. Haftpflichtversicherin der Schädigerin sei der DEVK Deutsche Eisenbahn Versicherung Sach- und HUK-Versicherungsverein a.G. Ansprüche aus dem UWG seien schon begrifflich ausgeschlossen, da es sich bei dem Verhältnis zwischen Versicherer und Geschädigtem um ein rein deliktrechtliches und kein Wettbewerbsverhältnis handele. Im Rahmen Ihrer Schadensersatzpflicht könne es ihr nicht genommen werden, ihre Rechtsposition zu Mietwagenkosten darzulegen und einem Geschädigten Mietwagenangebote zu nennen und die Ersatzpflicht auf den Angebotspreis zu beschränken. Der Hinweis auf ein mögliches preisgünstiges Mietangebot diene allein der Schadensminderung, die auch den bei der Beklagten Versicherten zugute komme. Sie sei nicht an einem Mietwagenunternehmen beteiligt, ihre Preisangaben beruhten auf einer Marktanalyse und ihr vorliegenden Angeboten von Mietwagenunternehmen. Da der Geschädigte nicht berechtigt sei, ein teureres Mietfahrzeug in Anspruch zu nehmen, wenn ihm ein günstigeres Angebot bekannt sei, sei es wettbewerbsrechtlich nicht anstößig, wenn auch die Versicherung ihm die Vermittlung zu einem konkreten Preis, den die Firma Autovermietung … angeboten hätte, nenne. Bei Anmietung eines vergleichbaren Fahrzeugs zu einem günstigeren Tagespreis, keinem Unfallersatztarif, läge ein Tarif von 75,40 EUR brutto im mittleren Bereich.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die einstweilige Verfügung war nach Maßgabe des Hilfeantrags Ziff. 3 der Antragsschrift der Verfügungsklägerin zu bestätigen.
1.
Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 25 UWG a.F., jetzt § 12 Abs. 2 UWG zulässig. Die nach diesen Bestimmungen vermutete Dringlichkeit ist durch Zeitablauf bis zur Einziehung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht widerlegt. Die Klägerin hat von dem beanstandeten Verhalten der Beklagten erstmals mit Erhalt des Schreibens vom 29.4.2004 Kenntnis erhalten. Bis zur Einreichung des
Antrags waren damit lediglich etwas mehr als 14 Tage verstrichen. Dies ist eine Zeitdauer, die mit Blick auf Herbeischaffung von Mitteln der Glaubhaftmachung und der Einholung der erforderlichen Informationen bis zur Beantragung der einstweiligen Verfügung jedenfalls kein Untätigsein der Klägerin nahe legt. Eine frühere Kenntnis hat der Verletzer darzulegen und glaubhaft zu machen (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., UWG § 25 Rn. 13a). Dies ist vorliegend nicht geschehen.
2. Verfügungsanspruch
Der Klägerin steht gemäß § 8 Abs. 1, 2, 3 Nr. 1 UWG i.V.m, §§ 3, 4 Nr. 1 u. 10 UWG n.F. (§§ 13 Abs. 1, 2 Nr. 1 i.V.m 1 UWG a.F.) ein Unterlassungsanspruch zu.
Sowohl nach den zum Zeitpunkt der hier beanstandeten Erstbegehung geltenden Bestimmungen ais auch nach den am 7.7.2004 in Kraft getretenen Bestimmungen des UWG – nach diesen richtet sich, ob für die Zukunft ein Unterlassungsanspruch gegeben ist – liegt eine unlautere Wettbewerbshandlung der Beklagten vor.
a)
Die Sachlegitimation der Beklagten, die vorliegend auch Schuldnerin des Unterlassungsanspruchs ist, ist gegeben. Richtiger Beklagter bei einem Unterlassungsanspruch ist der Störer. Verschulden ist nicht erforderlich.
Ob die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung des Schädigers die Beklagte oder tatsächlich vielmehr eine Tochter- oder Schwestergesellschaft der Beklagten innerhalb der DEVK Versicherungen Gruppe ist, ist nicht entscheidend, denn auch die Beklagte muss sich hier den beanstandeten Inhalt der Schreiben vom 29.3. und 27.4.2004 entgegenhalten lassen. Offensichtlich verwenden die Versicherungsunternehmen der DEVK-Gruppe, die DEVK Deutsche Eisenbahn Versicherung Sach- und HUK-Versicherungsverein a.G. Betriebliche Sozialeinrichtung der Deutschen Bahn AG, DEVK Allgemeine Versicherungs-AG und die DEVK Rechtsschutz-Versicherungs-AG gleiche Briefbögen, in denen für den Empfänger nicht eindeutig erkennbar nach Absender unterschieden wird.
In der für den Geschäftsverkehr maßgebenden Fußzeile der Briefbögen sind sowohl die Beklagte als auch die DEVK Deutsche Eisenbahn Versicherung Sach- und HUK-Versicherungsverein a.G. genannt. Beide haben dasselbe erstgenannte Vorstandsmitglied und denselben Sitz. Im Brieffenster wird darüber hinaus die Bezeichnung „DEVK Versicherungen“ ohne Zusatz verwendet. Soweit die Beklagte darauf abhebt, dass im Briefkopf links oben im Schreiben v. 27.4.2004 die Beklagte nicht genannt und im Schreiben vom 29.3.2004 die zwar genannte DEVK Allgemeine Versicherungs-AG (die Beklagte) aber nicht angekreuzt sei, steht dies nicht entgegen. Vielmehr erweist sich das Piktogramm neben der Bezeichnung DEVK Allgemeine Versicherungs-AG im Schreiben vom 29.3.2004 als Besondere Betonung, da ein entsprechendes Kästchen neben der DEVK Deutsche Eisenbahn Versicherung Sach- und HUK-Versicherungsverein a.G. fehlt (vgl. Anlage 4. Anlagenheft AS. 15). Im Übrigen hat sich die Beklagte im Widerspruchsschriftsatz vom 28.6.2004 (richtig wohl v. 18.6.2004), Seite 2, AS. 49 selbst als Kfz Haftpflichtversicherer des Schädigers bezeichnet. Zudem zeigt u.a. z.B. das Schreiben vom 16.2.2004 an einen anderen Unfallgeschädigten (Anlagenheft AS. 101), bei dem tatsächlich zwei Kästchen angebracht und das bei DEVK Allgemeine Versicherungs-AG befindliche Kästchen angekreuzt ist, dass die Beklagte auch als Haftpflichtversicherungsunternehmen tätig ist (vgl. z.B. auch das Schreiben Anlage A 12, Anlagenheft AS, 83).
b)
Es liegt eine Wettbewerbshandlung vor, denn das Verhalten der Beklagten ist geeignet, den Mietwagenabsatz der von ihr dem Geschädigten genannten Mietwagenunternehmen – vorliegend die Fa. … zum Nachteil der Klägerin zu fördern. Dies gilt auch für die von der Klägerin zusätzlich vorgelegten Regulierungsschreiben der Beklagten zugunsten der dort genannten Mietwagenunternehmen (vgl. die Schreiben Anlagenkonvolut A 13, Anlagenheft AS, 95-103). Die Förderung fremder wirtschaftlicher Betätigung und/oder die Einmischung in den Wettbewerb anderer reicht aus. Dass für die Versicherin dabei im Vordergrund steht, ihre Schadensersatzpflicht zu minimieren, steht nicht entgegen. Zwischen den von der Beklagten bzw. der Versichern begünstigten Unternehmen und der Klägerin besteht jedenfalls ein Wettbewerbsverhältnis.
Das Verhalten der Beklagten ist nach dem zum Zeitpunkt der Begehung geltenden Recht, gemäß § 1 UWG a.F. aus den Gesichtspunkten der Nötigung (vgl. Baumbach/Hefermehl a.a.O., UWG § 1 Rn. 46 f.) und der unlauteren Behinderung des Marktes (Verdrängungs- und Vernichtungsunterbietung) wettbewerbswidrig (vgl. Baumbach/Hefermehl, aaO./ Rn. 255, 832, 833, 872, 873). Für die Zukunft fällt das Verhalten der Beklagten unter §§ 3,4 Nr. 1, Nr. 10 UWG n.F.
Nach § 4 Nr. 1 UWG n.F. sind unlauter im Sinne von § 3 insbesondere Wettbewerbshandlungen, die geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer durch Ausübung von Druck oder u.a. durch sonstigen unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beinträchtigen. Nach § 4 Nr. 10 UWG n.F. handelt unlauter, wer Mitbewerber gezielt behindert.
Die Beklagte zwingt den potentiellen Kunden der Klägerin unter Ausnützung der als Druckmittel benutzten Erstattungsfähigkeit bestimmte Geschäftspartner auf, deren Vermittlung sie anbietet. Durch die Ankündigung, dass lediglich der Mietpreis erstattet wird, der tatsächlich der Höhe der Nutzungsausfallentschädigung für das Fahrzeug entspricht, nimmt sie in unsachlicher Weise auf die Entschließung des Kunden, ob er überhaupt ein Ersatzfahrzeug mietet, Einfluss. Die Beklagte behindert die Klägerin als Mitbewerber der aufgezwungenen Geschäftspartner.
Soweit dem Geschädigten von vornherein lediglich die Anmietung zu einem – unter Berücksichtigung des gesamten Marktes, einschließlich der sog. Unfalltarife -, extrem niedrigen Preis als erstattungsfähig genannt wird, der lediglich dem Satz für den bloßen Nutzungsausfall entspricht, wird in unzulässiger Weie auf die Entscheidungsfreiheit von potentiellen Kunden der Klägerin eingewirkt. Eine Verpflichtung des Geschädigten, aus dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht grundsätzlich sind Ersatzfahrzeug zum billigsten am Markt erhältlichen Mietpreis zu mieten mit der Folge, dass kein Ersatz für darüber hinausgehende Mietpreise verlangt werden könne, besteht nicht (vgl. BGH NJW 1959, 279, 280 – rechte Spalte unten). Denn der Kunde wird bei seiner Entscheidung nicht nur den Tagessatz als solchen, sondern die Kriterien das Leistungswattbewerbs (Preiswürdigkeit, Qualität und Umfang der Leistung), also die angebotenen Leistungen des Vermieters berücksichtigen dürfen, die im Preis enthalten sind, z.B. Anzahl der enthaltenen Fahrkilometer, schnelle Verfügbarkeit des Ersatzwagens, Zubringer- und Abholdienst, Vollkaskoversicherung – mit oder ohne Selbstbehalt, Ausstattung, Wartung, Alter und Zustand, Reinigung u. dgl.. Gerade auf die Freiheit, nach den Kriterien des Leistungswettbewerbs zu entscheiden, zielt der Angriff der Versicherung, die mit der Ankündigung und tatsächlichen Begrenzung der Erstattung auf Niedrigstpreise, den Verbraucher einzuengen versucht. Der von ihr vorliegend genannte Preis mag als Sonderangebot an Wochenenden, außerhalb des Geschäftsverkehrs, als Service- oder Kulanzleistung einer Werkstatt oder aufgrund einer Mischkalkulation bei Kfz-Inspektionen oder Reparaturen möglicherweise im Einzelfall erzielt werden. Eine Begrenzung der Geschädigten auf solche Preissätze behindert jedoch den freien Wettbewerb bei der Anmietung von Ersatzwagen.
Mit Blick auf die von nahezu allen Mietwagenunternehmen angebotenen Unfallersatztarife mutet die Beklagte damit einem Geschädigten im Ergebnis zu, das Vorliegen eines Unfalls zu verschweigen, um einen möglichst günstigen Tarif zu erhalten.
Allerdings ist hier die für das Schadensersatzrecht maßgebende Frage nicht zu entscheiden, ob der zu Schadensersatz Verpflichtete die Erstattung von Mietwagenkasten nach den teureren Mietpreisen für Unfallersatzwagen (vgl. die Durchschnittssätze nach der sog. Schwacke-Liste, Anlage A 7, Anlagenheft AS, 21) ablehnen darf oder sich die Aufteilung in Vermietungsprodukte entgegenhalten lassen muss. Der Bundesgerichtshof (NJW 1996, 1958) hat es im Regelfall nicht als einen Verstoß gegen die Pflicht zur Geringhaltung des Schadens erachtet, wenn der bei einem Verkehrsunfall Geschädigte ein Ersatzfahrzeug zu einem im Rahmen der so genannten Unfallersatztarife günstigen Tarif anmietet (a.A. unter Hinweis auf eine Bestärkung von missbräuchlichen Preisgestaltungen Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § .249 Rn, 31 – dort auch zum Streitstand).
Zu den Unterscheidungen in der Preisgestaltung – von den Mietwagenunternehmen als verschiedene Produkte behandelt – kommt es u.a. wegen einkalkulierter Kosten der Vorhaltung geeigneter Unfallersatzfahrzeuge. Insbesondere bei gehobenen Fahrzeugtypen, deren geringerer Auslastung und der Differenzierung in den Konditionen.
Der von der Beklagten genannte Mietpreis von 65 EUR pro Tag entspricht nicht nur keinem günstigen Unfallersatztarif, sondern ist bei einem von der Klägerin genannten Anschaffungspreis in Höhe von netto 37.580,25 EUR – unter Berücksichtigung von Rabatten (vgl. Anlage A 20, Anlagenheft AS. 127) – insgesamt kaum kostendeckend. Das Fahrzeug müsste an mehr als 578 Tagen vermietet werden, um allein den Nettoanschaffungspreis zu erwirtschaften. Bei einer Auslastung von 50 % bedeutet dies eine Laufzeit von mehr ais drei Jahren. Dabei sind Unterhaltungs-, Wartungs- und Reparaturkosten, Versicherungen, Verzinsung des eingesetzten Kapitals, Verwaltungs- und Personalkosten noch nicht berücksichtigt.
Auch der Vergleich zu den einschlägigen Sätzen der Nutzungsausfalltabelle nach Sanden/Danner/Küppersbusch, der den bloßen Nutzungsausfall für Fahrzeuge der maßgebenden Kategorie bereits mit 65 EUR täglich bemisst, ergibt, dass es sich bei dem von der Beklagten genannten Preis um einen nur einmalig und kurzfristig erzielbaren, und nicht um einen marktüblichen Mietpreis von einer gewissen Dauer handeln kann. Soweit die Beklagte eine Stellungnahme der … v. 14.7.2004 (Anlage AG 8, Anlagenheft AS. 158) vorlegt, wonach eine Preisgestaltung für das Modell Mercedes 270 von 65,- EUR pro Tag unter kaufmännischen Gesichtspunkten durchaus möglich sei, weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass auch die Fa. … einen Pkw Mercedes Benz E 220 CDI, also eine geringere Klasse als das beschädigte Fahrzeug, in ihrer Preisliste vom 6.7.2004 (Anlage A 11, Anlagenheft AS. 77) mit 129,00 EUR pro Tag – zuzüglich 35,00 EUR Haftungsherabsetzung auf 550,00 EUR sowie Teilkasko Diebstahlsschutz von 11,00 EUR, mithin insgesamt 175,00 EUR anbietet.
3.
Allerdings kann der Beklagten nicht generell untersagt werden Mietwagenkosten überhaupt zu beziffern, die einstweilige Verfügung war daher mit der Maßgabe des Hilfsantrage Nr. 3 der Antragsschrift zu bestätigen (§ 938 Abs. 1 ZPO). Der Hilfsantrag der Klägerin bezeichnet insoweit in zulässiger verallgemeinernder Form das Charakteristische der Verletzungshandlung der Beklagten.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO.
Bei dieser Entscheidung muss man allerdings aufpassen, dass die Entscheidung der Kammer für Handelssachen des LG Karlsruhe aus 2004 stammt.
Ansonsten könnte man auch hier mit BGH Urteil vom 20.10.2009 – VI ZR 53/09 – argumentieren, dass mit Sonderkonditionen des eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherers versehene Vereinbarungen keine marktüblichen Preise sind. Insoweit hat das sog. VW-Urteil des BGH m.M. auch Einfluss auf die Mietwagenpreise, die auf Sonderkonditionen beruhen.
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker
Das Urteil ist nicht rechtskräftig geworden.
Hallo Herr Boris Schlüszler,
können Sie das AZ des Rechtsmittelverfahrens mitteilen und ggfls über den Fortgang des Rechtsstreites berichten?
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Willi Wacker
Sehr geehrter Herr Schlüszler,
das ist ein ganz wichtiger Gesichtspunkt- Ihr Hinweis auf die fehlende Rechtskraft.
Es interessiert, wie und wo der Rechtsstreit mit welchem Ergebnis zu Ende ging.
Danke im voraus.
Rübezahl
Entscheidung abgedruckt in NZV 2005,263 – ohne Hinweis, dass hier etwas nicht rechtskräftig geworden wäre