In einem Schadensersatzprozess um restliche Sachverständigenkosten hat sich das Amtsgericht München mit Urteil vom 19.5.2010 – 345 C 8750/10 – eindeutig gegen eine Anwendung des sogenannten „Gesprächsergebnisses BVSK-HUK-Coburg 2005/2006“ ausgesprochen. Im zu entscheidenden Rechtsstreit hatte die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung mit Sitz in Coburg vorgerichtlich nur einen Teil der vom Sachverständigen berechneten Kosten für das von ihm ordnungsgemäß erstellte Schadensgutachten reguliert. Die HUK-Coburg war der Ansicht, das vom Sachverständigen berechnete Gutachterhonorar sei der Höhe nach nicht erforderlich, weil es nicht angemessen und üblich sei. Maßstab für die Erstattung der geltend gemachten Sachverständigenkosten sei allein das von ihr vorgelegte „Gesprächsergebnis BVSK-HUK-Coburg 2005/2006“. Die darin aufgeführten Honorarbeträge seien angemessen und üblich. Das vom Sachverständigen berechnete Honorar sei dagegen unangemessen und in der Höhe nicht erforderlich. Die von der Versicherung vorgerichtlich vorgenommene Kürzung der Sachverständigenkosten war weder von dem Geschädigten noch von dem Sachverständigen zu akzeptieren.
Der Sachverständige klagte daher aus abgetretenem Recht die restlichen Sachverständigenkosten vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht München ein – und zwar mit Erfolg. Grundsatz der Schadensregulierung ist § 249 BGB. Danach ist der zur Wiederherstellung erforderliche Geldbetrag zu erstatten. Im Übrigen handelt es sich bei den Sachverständigenkosten um notwendige Rechtsverfolgungskosten, und damit um Schadensersatzpositionen des Geschädigten, die im Wege der Abtretungsvereinbarung auf den Sachverständigen übergegangen sind, so dass dieser aktivlegitimiert wurde. Dabei sind die vom Geschädigten ausgelösten Sachverständigenkosten aus der Sicht des Geschädigten im Zeitpunkt der Beauftragung des Sachverständigen zu beurteilen. Der Geschädigte kann vom Schädiger und dessen Kfz-Haftpflichtversicherung als erforderlichen Herstellungsaufwand die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (vgl. BGH NJW 1992, 302; BGH NJW 2005, 51; BGH DS 2006, 193 = NJW 2005, 1108; BGH DS 2005, 383 = NJW 2005, 3134). Aus der Sicht des Geschädigten war die Einschaltung des Sachverständigen zur Erstellung des Schadensgutachtens notwendig. Dementsprechend sind die vom Sachverständigen berechneten Kosten erforderlicher Herstellungsaufwand und daher in vollem Umfang von der eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherung zu erstatten.
Das Amtsgericht konnte und wollte sich nicht an dem von der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung vorgelegten „Honorar-Gesprächsergebnis des BVSK mit der HUK-Coburg für 2005/2006“ orientieren. Es hielt die BVSK-Tabelle für eine vom Gericht nicht zu beachtende Parteierhebung. Das Gericht sah es nicht als gerechtfertigt an, eine Preiserhebung, die mit der Versicherungswirtschaft zustande gekommen ist, als Orientierungsmaßstab anzusehen. Entsprechend der BGH-Rechtsprechung (vgl. BGH Urt. v. 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – DS 2007, 144 m. Anm. Wortmann) entschied das Amtsgericht München, dass ein in Relation zur Schadenshöhe berechnetes Sachverständigenhonorar grundsätzlich als erforderlicher Wiederherstellungsaufwand im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB verlangt werden kann. Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen, sind weder der Schädiger und seine Kfz-Haftpflichtversicherung noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen ( BGH NJW 2004, 3326; BGH DS 2007, 144). Die Höhe der im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Sachverständigenkosten ist vom erkennenden Gericht nicht beanstandet worden. So hat auch das AG Lübeck mit Urteil vom 6.7.2010 – 31 C 1771/10 – entschieden, dass die Honorarempfehlung des BVSK kein Honorarmaßstab ist. Captain-Huk hat am 16.8.2010 darüber berichtet. Vorher hatte aber auch schon das AG Mitte in Berlin mit Urteil vom 21. 7.2009 – 3 C 3091/09 , dass der Kläger (der Sachverständige, der aus abgetretenem Recht klagt) nicht verpflichtet ist, sich an die Vorgabe des Gesprächsergebnisses zwischen der Beklagten (HUK-Coburg) und dem BVSK zu orientieren. Dieses Gesprächsergebnis verpflichtet den Kläger nicht. Auch hierüber hatte Captain-Huk am 5.8.2009 berichtet.
Es gibt daher keine rechtliche Grundlage, dass das Gesprächsergebnis des BVSK mit der HUK-Coburg Orientierungsmaßstab für Sachverständigenhonorare freier Sachverständiger sein soll. Vielmehr handelt es sich um eine Sondervereinbarung mit der Versicherung. Preise aufgrund von Sondervereinbarungen mit der Versicherung hat der BGH in seinem Urteil vom 20.10.2009 – VI ZR 53/09 – verworfen. Der Geschädigte muss sich nicht auf Preise verweisen lassen, die auf Grund von Sondervereinbarungen mit der Versicherungswirtschaft zustande gekommen sind.
Hi Willi Wacker,
nett dass du die Urteile, die den BVSK diskreditieren, hier einmal aufgeführt hast. Man hat bis auf AG München die Urteile zwar mal gelesen, dann aber auch schnell wieder in die geistige Schublade gelegt.
Prima Zusammenstellung.
Auch LG Dortmund sieht das offensichtlich so:
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/dortmund/lg_dortmund/j2010/4_S_11_10urteil20100805.html
… und damit haben wir dann schon 4 Urteile, die sich eindeutig gegen das BVSK-Gersprächsergebnis wenden.
Zur Wiederholung:
1. AG Berlin-Mitte Urt. v. 21.7.2009 – 3 C 3091/09 –
2. AB München Urt. vom 19.5.2010 – 345 C 8750/10 –
3. AG Lübeck Urt. vom 6.7.2010 – 31 C 1771/10 –
4. LG Dortmund Berufungsurt.v. 5.8.2010 – 4 S 11/10 –
Mit freundl. Grüßen
Willi Wacker
Aus einem Hinweisbeschluss: „Bei der BVSK-Honoraumfrage 2008/09 handelt es sich um eine Parteienerhebung im Auftrag des Versicherers.“
Na das kann ja dann nur noch besser werden.
Hi HD-30
Die Gerichte können häufig Honorarumfrage und Gesprächsergebnis nicht auseinanderhalten,weil bereits manche Anwälte hier nicht präzise trennen!
Auch deshalb VKS-Honorarumfrage!
Klingelingelingelts?
@ RA Deneke 03.09.2010 09.25h
Sehr geehrter Herr Kollege,
vielen Dank für Ihren Hinweis. Der wurde bereits mit eingearbeitet. Nochmals Danke. Der Blog ist für jeden Tip und sachdienlichen Hinweis dankbar.
Mit freundl. koll. Grüßen
Ihr Willi Wacker
@ HD-30 03.09.2010 10.34 h
Hallo HD-30,
kannst Du auch Gericht und AZ des Hinweisbeschlusses angeben? Die Angabe der Beklagtenseite wäre auch sinnvoll.
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker
HD-30 Freitag, 03.09.2010 um 10:34
Aus einem Hinweisbeschluss: “Bei der BVSK-Honoraumfrage 2008/09 handelt es sich um eine Parteienerhebung im Auftrag des Versicherers.”
Na das kann ja dann nur noch besser werden
Auch interessant.-
Bitte aber Quelle angebe, also Gericht, Aktenzeichen und Datum des Hinweisbeschlusses. Das gehört zu einer solchen Information einfach dazu. Danke.
Noch eine Frage: Woraus hat das Gericht seine Erkenntnisse gewonnen ?
Mit freundlichen Grüßen
Scouty
Hi Willi,Hi Redaktion
ich rege an,die Urteile,die das BVSK-HUK-Gesprächsergebnis als Vergleichsmassstab ablehnen-allen voran BGH v.10.10.2006 X ZR 42/06-in einer eigenen Urteilsliste zusammenzufassen.
Wenn der Herr Fuchs dann sein nächstes Gesprächsergebnis mit der HUK veröffentlicht,dann könnte man ihn ja mal fragen,weshalb er immernoch glaubt,die Berechtigung zur Führung eines Sachverständigenverbandes zu besitzen.
Ausserdem wäre eine Zusammenführung aller Urteile für die Argumentation in den Honorarrechtsstreiten wichtig!
Klingelingelingelts?
Hallo Glöckchen,
mein erster Kommentar war wohl wegen der – kurzfristigen – Abschaltung nicht mehr durchgegangen. Offenbar geht es jetzt mit CH wieder weiter. Ich wäre damit einverstanden, eine eigenständige Urteilsliste zum Download „BVSK-Empfehlung bzw. BVSK-HUK-Gesprächsergebnis“ einzurichten. Aber ich alleine entscheide nicht. Ich würde diese Urteilsliste allerdings auch begrüßen.
Ich habe das Klingeln verstanden.
Mit freundlichen Grüßen
Dein Willi