Mit Hinweisbeschluss vom 12.05.2009 (11 U 219/08) erläutert das OLG Köln, warum nach seiner Ansicht die Berufung der beteiligten Versicherung wegen Verurteilung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten durch das LG Bonn vom 14.11.2008 (13 O 485/07) ohne Aussicht auf Erfolg ist.
Der Wortlaut:
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Beklagten nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen in § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO vorliegen.
Das Landgericht hat der Klage im zuerkannten Umfang zu Recht stattgegeben. Die Einwendungen der Berufung greifen nicht durch.
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann der Geschädigte nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf ( vgl. etwa BGHZ 160, 377, 383 – NJW 2005, 51; NJW 2006, 2106 ; NJW 2007, 1124; NJW 2007, 2122; NJW 2007, 2758; NJW 2008, 1519; NJW 2008, 2910; NJW 2009, 58). Der Geschädigte hat nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann.
Dabei kann ein Unfallersatztarif auf Grund unfallspezifischer Kostenfaktoren (etwa Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalles mit Ersatzforderungen wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen u.a., z.B. BGH NJW 2009, 58) erforderlich i.S. des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB sein. Diese Frage kann offenbleiben, wenn feststeht, dass dem Geschädigten ein günstigerer „Normaltarif“ in der konkreten Situation ohne Weiteres zugänglich war, so dass ihm eine kostengünstigere Anmietung unter dem Blickwinkel der ihm gem. § 254 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht zugemutet werden konnte (vgl. BGH NJW 2006, 1508; NJW 2006, 2693; NJW 2007, 1123; NJW 2007, 1676; NJW 2007, 2758; NJW 2007, 2916; NJW 2008, 2910; NJW 2009, 58; SP 2009, 147 = NJW-Spezial 2009, 170). Ebenso kann diese Frage offenbleiben, wenn zur Überzeugung des Tatrichters feststeht dass dem Geschädigten die Anmietung zum „Normaltarif“ nach den konkreten Umständen nicht zugänglich gewesen ist, denn der Geschädigte kann in einem solchen Fall einen den „Normaltarif“ übersteigenden Betrag im Hinblick auf die subjektbezogene Schadensbetrachfung auch dann verlangen, wenn die Erhöhung nicht durch unfallspezifische Kostenfaktoren gerechtfertigt wäre (vgl. BGH NJW 2006, 2621; NJW 2006, 2693; NJW 2007, 2916; NJW 2008, 2910, NJW 2009, 58). Diese Rechtsprechung zur Zugänglichkeit eines Normaltarifs kann auch auf Fallgestaltungen übertragen werden, bei denen dem Geschädigten kein Unfallersatztarif, sondern ein einheitlicher Tarif angeboten wurde. In beiden Fällen ist es aber Sache des Geschädigten darzulegen und zu beweisen, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt – zumindest auf Nachfrage – kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war. Unterlässt der Geschädigte die Nachfrage nach günstigeren Tarifen, geht es nicht um die Verletzung der Schadensminderungspflicht, für die grundsätzlich der Schädiger die Beweislast trägt sondern um die Schadenshöhe, die der Geschädigte darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen hat (vgl. BGHZ 163, 19 = NJW 2005, 1933; NJW 2006, 1506; NJW 2007, 3782; NJW 2008,1519; NJW 2009, 58). Insofern liegt es anders als in Fällen, in denen die Inanspruchnahme eines Unfallersatztarifs grundsätzlich gerechtfertigt erscheint und durch einen Aufschlag zum Normaltarif geschätzt werden kann; hier trägt der Schädiger die Darlegungs- und Beweislast, wenn er geltend macht, dass dem Geschädigten ein günstigerer Tarif nach den konkreten Umständen „ohne Weiteres“ zugänglich gewesen sei (vgl. BGH NJW ; 2008, 2910; NJW 2009, 58).
Es bestehen keine durchgreifenden Bedenken dagegen, dass das Landgericht in Übereinstimmung mit der überwiegenden Rechtsprechung des OLG Köln (19. Zivilsenat, NZV 2007,199; 15. Zivilsenat OLGR 2008, 545 = SP 2008, 218; 24. Zivilsenat Urt. v: 3.3.2009 – 24 U 6/08; 13. Zivilsenat Beschl. v. 20.4.2009 – 13 U 6/09; 4. Zivilsenat Beschl. v. 15.7.2008 – 4 U 1/08; abw. 6. Zivilsenat Urt. v. 10.10.2008 – 6 U 115/08 NZV 2009, 145) und der des Senats (Beschl. v. 13.5.2008 – 11 U 11/08) den Normaltarif im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel (hier des Jahres 2007) ermittelt hat.
Die Art der Schätzungsgrundlage für die Ermittlung des Normaltarifs gibt § 287 ZPO nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werde. Ferner dürfen wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Acht bleiben. In geeigneten Fällen könne Listen und Tabellen bei der Schadensschätzung durchaus Verwendung finden (BGH NJW 2008, 1519; NJW 2009, 58). Der Bundesgerichtshof hat wiederholt entschieden, dass in Ausübung des tatrichterlichen Ermessens nach § 287 ZPO der Normaltarif auf der Grundlage des des Schwacke-Mietpreisspiegels im Postleitzahlengebiet des Geschädigten ermittelt werden kann, solange nicht mit konkreten Tatsachen Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage aufgezeigt werden, die sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (BGH NJW 2008 1519; NJW 2008, 2910; NJW 2009, 58; SP 2009, 147).
Auch mit der Vorlage der Studie des Fraunhofer Instituts Arbeitswirtschaft und Organisation „Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008″ hat die Beklagte keine konkreten Fehler der Schwacke-Liste als Schätzungsgrundlage aufgezeigt. Zwar liegen die Durchschnittspreise der Tarife dieser Studie unter den sich aus der Schwacke-Liste errechenden Normaltarifen. Nicht zu verkennen ist auch, dass die Ergebnisse der Fraunhofer-Liste auf einer anonymen Befragung beruhen, während die Schwacke-Liste aufgrund einer Sefbstauskunft der Vermieter in Kenntnis dessen zustandegekommen sind, dass die Angaben zur Grundlage einer Marktuntersuchung gemacht werden. Den daraus abgeleiteten Schluss, dass die Fraunhofer-Liste der Schwacke-Mietpreisspiegel überlegen sei (OLG Köln 6. Zivilsenat Urt.v. 10.10.2008 – 6 U 115/08 NZV 2009, 145; OLG München RuS 2008, 439; OLG Jena NZV 2009, 181 = RuS 2009, 40), zieht der Senat aber nicht. Grundlage des vom Fraunhofer-Institut erstellten Marktpreisspiegels ist eine Erhebung von Daten über Telefon und Internet. Ermittelt sind die Preise auf der Grundlage einer einwöchigen Vorbuchungsfrist. Zudem ist die Recherche auf eine zweisteilige Zuordnung von Postleizahlen bezogen. Vor allem aber beruht die Datenbasis ganz überwiegend auf den Internetangeboten (76.457 von 86.783 Datensätzen) von nur sechs bundesweit und weltweit tätigen Vermietungsuntemehmen. Dem Vorteil der Anonymität der Anfragen steht daher der geringere Umfang der Datenerfassung gegenüber. Bei einer Gesamtbetrachtung kann die Fraunhofer-Liste die Eignung der Schwacke-Mietpreisspiegel nicht durchgreifend in Zweifel ziehen (ebenso OLG Köln 24. Zivilsenat Urt. v. 3.3.2009 – 24 U 6/08; 13. Zivilsenat Bescnl. v. 20.4.2009 – 13 U 6/09).
3.
Auf den danach ermittelten Normaltarif hat das Landgericht einen Aufschlag von 20 % als den in der Regel nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlichen Aufwand angesehen und nur in den in den Fällen, in denen feststeht, dass den Geschädigten in der konkreten Situation ohne Weiteres ein Normaltarif zugänglich war, die Erstattung des Aufschlages versagt. Das ist im Ergebnis zutreffend.
Allerdings kann ein erhöhter pauschaler Aufwand nicht ohne weiteres angenommen werden. Das gilt auch für angeblich erhöhte Beratungsleistungen und Verwaltungsaufwand und Zinsverluste aufgrund von längeren Zahlungsfristen. Der Aufwand für die Anmietung außerhalb der üblichen Geschäftszeiten wird- so auch hier (unter 4.) – über Nebenkostenzuschläge im Einzelfall berücksichtigt. Nach der Rechtsprechung des Senats ist daher für jeden Einzelfall eine Darlegung notwendig, dass und welcher Mehraufwand im Hinblick auf die Unfallsitution angefallen ist oder dass dem Geschädigten in der konkreten Situation ein Normaltarif nicht zugänglich war. Nur wenn diese vom Anspruchsteller zu beweisenden Voraussetzungen feststehen, kann ein gegenüber dem Normaltarif erhöhter Mietaufwand im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlich und damit erstattungfähig sein (Senat Beschl. v. 13.5.2008 – 11 U 11/08; so auch OLG Köln 15. Zivilsenat OLGR 2008, 545 = SP 2008, 218; 24. Zivilsenat Urt. v. 3.3.2009 — 24 U 6/08). Dies verhilft der Berufung im vorliegenden Fall indes nicht zum Erfolg. Die Klägerin hat – worauf das Landgericht bei seiner Entscheidung außerdem abgehoben hat – den Anfall spezifischer Kostenpostionen nach Schadensfällen getrennt aufgelistet (Aufstellung zum Schriftsatz v. 9.6.2008 unter IV., BL 280 d.A.), ohne dass die Beklagte dem entgegengetreten ist. Soweit sie den Mehraufwand in der Berufungsbegründung pauschal bestreitet, fehlt es an jeglicher Auseinandersetzung mit der von der Klägerin vorgelegten Aufstellung. Das Bestreiten ist deshalb unerheblich; überdies ist es prozessual verspätet (§ 531 Abs. 2 ZPO). Da die Beklagte nicht dargetan hat, dass den Geschädigten – von den vom Landgericht ausgesonderten Fällen abgesehen – ein Normaltarif ohne Weiteres zugänglich war, ist die Zukerkennung des Aufschlages von 20 % auf den Normaltarif berechtigt.
4. Tatsächlich angefallen und in Rechnung gestellte Nebenkosten kann der Geschädigte, da sie in dem Normaltarif der Schwacke-Liste nicht enthalten sind, erstattet verlangen. Für die Einbeziehung ist auf die Nebenkostentabelle von Schwacke zurückzugreifen (Senat Beschl. v. 13.5.2008 – 11 U 11/08; OLG Köln 24. Zivilsenat Urt v. 3.3.2009 — 24 U 6/08). Auf dieser Grundlage hat das Landgericht die Erstattung der in den Einzelfällen geltend gemachten Nebenkosten (Voll- und Teilkasko, Zu- und Abstellkosten, Zuschläge für Zweitfahrer, Anmietung außerhalb der üblichen Geschäftszeiten und für Winterreifen) zu Recht zuerkannt.
Der Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen seit Zugang dieses Beschlusses. Die Frist kann nach § 224 Abs. 2 ZPO nur verlängert werden, wenn der Gegner zustimmt oder erhebliche Gründe glaubhaft gemacht werden. Auf die Möglichkeit einer kostengünstigeren Zurücknahme des Rechtsmittels wird hingewiesen (Nr. 1222 Kostenverzeichnis 2:u § 3 Abs. 2 GKG).
Soweit das OLG Köln.