Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
wir setzen unsere Leipziger Urteilsreihe fort und veröffentlichen heute hier das sechste Urteil des Amtsgerichts aus Leipzig zu den Sachverständigenkosten. In diesem Fall musste aus abgetretenem Recht gegen die AllSecur Versicherung geklagt werden, weil diese nicht vollständig die ihr obliegenden Schadensersatzleistungen erfüllt hat. Zwar wurde die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung zur Zahlung der restlichen, erfüllungshalber abgetretenen Sachverständigenkosten verurteilt, aber wieder wurden durch das erkennende Gericht werkvertragliche Angemessenheit geprüft und Einzelpositionsbetrachtungen angestellt. All das wäre gegebenenfalls bei einem Rechtsstreit über restlichen Werklohn zu prüfen gewesen, hat aber im Schadensersatzprozess, auch wenn der Schadensersatzanspruch abgetreten worden ist, nichts zu suchen. Es kann nur immer wieder betont werden, dass sich der Schadensersatzanspruch durch die Abtretung nicht umwandelt. Schadensersatz bleibt Schadensersatz, auch nach einer Abtretung. Lest daher das Urteil selbst und gebt dann bitte Eure Meinungen dazu kund.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Leipzig
Zivilabteilung I
Aktenzeichen: 106 C 7381/15
Verkündet am: 17.11.2015
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
…
– Klägerin –
gegen
AllSecur Deutschland AG, Theodor-Stern-Kai 1, 60596 Frankfurt, v.d.d. Vorstand
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
hat das Amtsgericht Leipzig durch
Richter am Amtsgericht B.
im vereinfachten schriftlichen Verfahren gemäß § 495 a ZPO am 17.11.2015
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 126,30 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 Abs. 1 BGB hieraus seit 06.12.2014 sowie als Nebenforderung 3,00 € vorgerichtliche Mahnkosten zu bezahlen.
2. Die Beklagte tragt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Streitwert: bis 500,00 €
Tatbestand
Der Tatbestand wird wegen Nichterreichens der Berufungssumme von mehr als 600,00 € gemäß § 313a ZPO nicht dargestellt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulassig. Sie hat in der Sache auch Erfolg.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 398 BGB, 115 VVG, 249 ff BGB.
Die Abtretung ist wirksam.
Die Beklagte ist unstreitig für den streitgegenstandlichen Unfall zu 100% ersatzpflichtig.
Der Schadensersatzanspruch erfasst auch den noch offenen Betrag aus der Sachverständigenrechnung vom 06.05.2014.
Die Kosten eines Sachverständigengutachtens nach einem Verkehrsunfall gehören zu dem erforderlichen Herstellungsaufwand. Ersatzpflichtig sind diejenigen Aufwendungen, die ein wirtschaftlich vernünftig denkender Geschädigter in der Situation des Geschadigten getätigt hätte.
Die Höhe des festgesetzten Grundhonorars von 292 € ist angemessen und nicht zu beanstanden. Eine Abrechnung anhand der Schadenshöhe ist ortsüblich.
Die in der Rechnung vom 06.05.2014 angeführten Nebenkosten sind ebenfalls angemessen.
Die Klägerseite hat substantiiert dargelegt, dass Fahrtkosten für 16 km entstanden sind. Die Höhe der festgesetzten Kilometerpauschale von 1,31 Euro ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Der BGH hat in seiner Entscheidung unter dem Aktenzeichen VI ZR 225/13 Fahrtkosten in Höhe von 1,80 Euro pro Kilometer gebilligt. Da die Klägerseite pro Kilometer 1,31 Euro geltend macht, liegt dieser Betrag weit unter der vom BGH in der Entscheidung aus dem Jahr 2013 gebilligten Kosten. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bei den Fahrtkosten nicht allein auf die Benzinkosten, sondern auf die gesamten mit dem Fahrzeug verbundenen Kosten unter Berücksichtigung von betriebswirtschaftlichen Aspekten abzustellen ist. Fahrtkosten pro Kilometer in Höhe von 1,31 Euro werden daher als angemessen angesehen.
Die Kosten für ein Lichtbild mit 2,86 Euro liegen leicht über der vom BGH gebilligten Höhe von 2,80 Euro. Dies hält das Gericht für unschädlich, da keine erhebliche Abweichung vorliegt, Dass der Sachverständige 9 Lichtbilder fertigt, liegt im Ermessen des Sachverständigen und ist nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle zugänglich. Auch die Kosten für einen zweiten Fotosatz sind angemessen. Hinsichtlich der Schreibgebühren hat das Amtsgericht Leipzig bereits in Entscheidung aus den Jahren 2006 und 2007 Schreibkosten in Höhe von 4,90 Euro pro Seite ausdrücklich gerichtlich gebilligt. Die Klägerseite macht Schreib- und Druckkosten von 4,86 Euro geltend. Hierbei ist nicht alleine entscheidend, was tatsächlich ein Ausdruck eines Fotos kostet, sondern der gesamte mit den Schreibkosten verbundene Aufwand. Kosten für weitere Gutachten in Höhe von 19,00 Euro werden ebenfalls als erforderlich angesehen. Es ist gerichtsbekannt, dass weitere Kopien der Gutachten gefertigt werden. Es sind insoweit sowohl der Schädiger, der Geschädigte, als auch die Versicherung zu bedienen. Die Versand-, Telefon- und Internetkostenpauschale in Höhe von 23,30 Euro wird ebenfalls als angemessen angesehen. Die Klägerin liegt damit weit unter dem Maximalwert der BVSK-Befragung von 2003 mit einem Betrag von 38,00 Euro.
Das Gericht vermag sich der Entscheidung des OLG Dresden vom 19.02.2014, Az.: 7 U 0111/12, wonach eine Erstattung von Nebenkosten, welche mehr als 25 % des Grundhonorars ausmachen, ausscheidet, nicht anzuschließen.
Dieser Rechtssprechung steht, nach Ansicht des erkennenden Gerichts, die Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes entgegen Bereits mit Urteil vom 11.02.2014 hat sich der BGH unter dem Aktenzeichen: VI ZR 225/13 dahingehend geäußert, dass bei einem Grundhonorar von 260,00 EUR, Lichtbildkosten in Höhe von 22,40 EUR, Telefon-, Porto- und Schreibkosten in Höhe von 75,00 EUR, Fahrtkosten / Zeitaufwand in Höhe von 91,80 EUR (d. h. 1,80 EUR je km, max. 100,00 EUR) sowie aus dem darauf errechneten Betrag entfallender Mehrwertsteuer, weder in Anbetracht in Höhe des Grundhonorars, noch in Anbetracht der Nebenkosten, zu beanstanden seien (BGH a.a.O., Orientierungssatz Nr 4).
Auch in seiner Entscheidung vom 22.07.2014, Az.: VI ZR 357/13, beanstandet der BGH eine Pauschalierung der Höhe der Nebenkosten.
Die, losgelöst von den Umstanden des Einzelfalls erfolgte Beurteilung des Tatrichters, die von einem Sachverständigen zusätzlich zu einem Grundhonorar berechneten Nebenkosten, seien in Routinefällen grundsätzlich in Höhe von 100,00 EUR erforderlich, wahrend sie, soweit sie diesen Betrag übersteigen, erkennbar überhöht und deshalb nicht ersatzfähig seien, entbehrt einertragfähigen hinreichenden Grundlage (BGH a.a.O., Leitsatz Nr. 3).
Aus alledem folgt, dass die Klägerseite einen Anspruch auf vollständige Bezahlung der gestellten Rechnung hat.
Maßgeblich für die Entscheidung ist insbesondere, dass die Kosten der Beauftragung der Klägerin bei der Auftragserteilung vom05.05.2014 vertraglich vereinbart worden sind. Dies bestätigt der Auftraggeber … mit seiner Unterschrift auf dem Formular der Auftragserteilung. Danach wird die auf der Rückseite des Formulars der Auftragserteilung aufgedruckte Honorartabelle und Preisliste verbindlich vereinbart. Die Tabelle wird zur Kenntnis genommen (Anlage K1, Bl. 10, 11 d.A).
Der Verkehrsunfall ereignete sich am 17.04.2014. Der Auftrag wurde bereits unter dem 05.05.2014 ausgelöst. Zwischen Verkehrsunfall und Auftragserteilung bestand daher nur eine kurze Zeitspanne. Damit kommt es maßgeblich auf die subjektive Sichtweise des Auftraggebers, … , bei der Auftragserteilung an. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Auftraggeber von einem erheblich überteuerten Honorar des Sachverständigen ausgehen durfte.
Allerdings ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis-und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (sog, subjektbezogene Schadensbetrachtung). Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (BGH, Urteil vom 22.07.2014, VI ZR 357/13, Rnr. 15, m.w.N.).
In der selben Entscheidung hat der BGH die BVSK-Honorarbefragung für nicht geeignet gehalten, die zu erwartenden Ansätze bei den anfallenden Nebenkosten verlässlich abzubilden (BGH, a.a.O., Rnr. 20).
Die Nebenforderungen sind gemäß §§ 280, 286 BGB zu ersetzen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 713 ZPO.
Hallo, Willi Wacker,
die Wertigkeit der Entscheidungsgründe dieser Abteilung des AG Leipzig wurde bereits eingehend abgehandelt, so dass sich eine erneute Befassung mit diesem Thema erübrigt.
Roberto Sch.