Mit einem richterlichen Hinweis hat das Landgericht Ansbach am 14.10.2008 zur Frage der Anwendung der Schwacke-Liste bei der Ermittlung der Mietwagenkosten eindeutig Stellung bezogen. In dem Berufungsverfahren gegen die WGV Schwäbische Allgemeine Versicherung AG erteilte das Gericht der Verwendung der Fraunhofer Tabelle eine Absage (Gesch.-Nr.: 1 S 639/08).
Aus dem Hinweisbeschluss:
Die Beklagten werden darauf hingewiesen, dass das Gericht die Zurückweisung der Berufung durch einstimmigen Beschiuss nach § 522 Abs. 2 ZPO beabsichtigt. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsatzliche Bedeutung und es bedarf weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Wahrung einer Einheitlichkeit der Rechtsprechung einer Entscheidung des Berufungsgerichts.
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt die Kammer zunächst Bezug auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils vom 08.05 2008 (Seite 3/6 des Urteils; Bl 121/124 d. A).
Das Erstgericht ist zurecht davon ausgegangen, dass vorliegend dem Kläger die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs zu einem erhöhten Unfallersatztarif gestattet war, dieser also vorliegend den objektiv erforderlichen Aufwand zur Schadensbeseitigung im Sinne des § 249 Satz 2 BGB darstellte. Das Erstgericht hat auch, wie dies in ständiger Rechtsprechung durch das Landgericht Ansbach gehandhabt wird, zurecht als Schätzgrundlage im Rahmen des § 287 ZPO hinsichtlich des Normaltarifs die Schwacke-Liste für das Postleitzahlengebiet des Klägers herangezogen
Eine unvollständige Tatsachenfeststellung im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegt nicht vor. Die Schwacke-Liste stellt weiterhin nach Auffassung des Gerichts eine geeignete Grundlage für die Schätzung des als erforderlichen Aufwand zur Schadensbeseitigung anzusehenden Normaltarifs im Rahmen des § 287 ZPO dar. Auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Beklagtenvertreter im Berufungsbegründungsschriftsatz vom 14.08.2008 ergibt sich nichts anderes. Das Gericht ist sich bewußt, dass die Schwacke-Liste Manipulationen am Markt ausgesetzt ist. Dies gilt aber für jede Methode der rückwirkenden Ermittlung des zum Unfallzeitpunkt geltenden Tarifs. Würde man ein Sachverständigengutachten erholen, wäre auch der Sachverständige darauf angewiesen, dass die Mietwagenanbieter zum Zeitpunkt der Gutachtenserstattung zutreffende Auskunft darüber erteilen, wie hoch die Mietwagenkosten für einen bestimmten Wagentyp an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit waren. Eine echte Marktanalyse wäre aufgrund der Vergangenheitsbetrachtung nicht durchführbar. Mit dem Bundesgerichtshof, der ausdrücklich die Heranziehung der Schwacke-Liste als zulässig erachtet hat, geht die Kammer daher auch weiterhin davon aus, dass diese als Grundlage für eine Schätzung des Normaltarifs nach § 287 ZPO heranzuziehen ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Beklagten zitierten Erhebung des Fraunhofer-Instituts aus Ende Mai 2008. Allein der Umstand, dass die vorgelegte Tabelle eine Differenzierung allein nach der ersten Ziffer der Postleitzahl (vorliegend also PLZ-Gebiet 9 ….) vornimmt, zeigt für die Kammer, dass diese Erhebung nicht ausreichend detailliert ist, um hierauf eine sachgerechte Schätzung nach § 287 ZPO zu stützen. Die beklagtenseits angebotenen Zeugen sind nicht geeignet, die Schwacke-Liste als Schätzgrundlage zu diskreditieren. Allein dass vereinzelte Mietwagenunternehmen, noch dazu ein halbes Jahr nach der tatsächlich erfolgten Anmietung, einen geringeren Mietzins anbieten, führt nicht dazu, die Erhebungen der Schwacke-Liste zu entwerten. Diese spiegeln nicht nur die Tarife vereinzelte Anbieter wider, sondern basieren auf einer breiteren Grundlage diverser Tarife und bieten sich als Schätzgrundlage im Sinne des § 287 ZPO daher geradezu an. Das Gericht hält auch vor dem Hintergrund, dass die Schwacke-Liste ein am Markt etablierter Mietpreisspiegel ist, daran fest, diesen als Schätzgrundlage heranzuziehen.
Das Erstgericht hat in seinen Entscheidungsgründen auch ausgeführt, dass vorliegend ein betriebwirtschaftlicher Aufschlag auf den Normaltarif gerechtfertigt ist, da für den Meitwagenunternehmer aufgrund der Unfallbedingtheit der Anmietung des Ersatzfahrzeugs ein erhöhtes Ausfallrisiko, Forderungs-, Finanzierungs- und Stundungskosten, Unterschlagungsrisiko, Vorhaltekosten, geringere Fahrzeugauslastung und höhere Personalkosten zu berücksichtigen sind. Diese Mehrkosten sind klägerseits auch nicht konkret vorzutragen, da ein pauschaler Aufschlag gerade beinhaltet, dass die allgemeinen Kosten nicht in jedem Fall konkret entstehen, sondern als Pauschale für alle auftretenden und denkbaren Fälle aufgeschlagen werden. Ansonsten könnte kein pauschaler Aufschlag gemacht werden, sondern es müssten in jedem Einzelfall die konkret entstandenen Kosten beispielsweise für Forderungsausfallrisiko und Anmietung außerhalb der Geschäftszeit berechnet werden. Durch den pauschalen Aufschlag soll eine aufwendige Beweisaufnahme, die dann notwendig wäre, aber gerade vermieden werden.
Die Entscheidung des Amtsgerichts Ansbach widerspricht auch nicht der aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11.03.2008, AZ. VI ZR 164/07 (NJW 2008, 1519 ff). Zwar führt der Bundesgerichtshof aus, dass im Hinblick auf die gebotene subjektbezogene Schadensbetrachtung der Geschädigte den „Normaltarif übersteigende Mietwagenkosten nur verlangen könne, wenn er darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einfiussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt – zumindest auf Nachfrage – kein wesentlich günstigerer „Normaltarif zugänglich war. Der Geschädigte könne nämlich nach § 249 BGB grundsätzlich nur den zur Herstellung „erforderlichen“ Betrag ersetzt verlangen, so gelte dies erst recht für die ausnahmsweise Ersatzfähigkeit an sich nicht erforderliche Aufwendungen wegen der Nichtzugänglichkeit eines „Normaltarifs“ (NJW 2008 Seite 1520). Insoweit verweist der Senat jedoch auf seine vorangegangene Entscheidung vom 14.02 2006 (NJW 2006, 1506 ff). Hier hat der BGH aber gerade festgestellt, dass im Rahmen der Frage der objektiven Erforderlichkeit eines „Unfallersatztarifs“ der Tatrichter im Rahmen einer Schätzung nach § 287 ZPO nicht genötigt ist, die Kalkulationsgrundlagen des konkreten Anbieters im Einzelnen betriebswirtschaftlich nachzuvollziehen. Vielmehr komme es darauf an, ob etwaige Mehrleistungen und Risiken bei der Vermietung an Unfallgeschädigte generell einen erhöhten Tarif – unter Umständen auch durch einen pauschalen Aufschlag auf den „Normaltarif -rechtfertigen. Hier liegt eine solche objektive Erforderlichkeit aufgrund der genannten Mehrleistungen und Risiken vor, so dass es auf die subjektbezogene Schadensbetrachtung, auf weiche der BGH in seinem Urteil vom 11.03.2008 abstellt, gerade nicht mehr ankommt. Die Inanspruchnahme des Unfallersatztarifs war bereits objektiv erforderlich.
Die Berufung hat mithin keine Aussicht auf Erfolg.
Soweit die eindeutigen Ausführungen des LG Ansbach.
Hi Babelfisch,
mit diesem Hinweisbeschluss hat die Berufungskammer sich klar und deutlich zu der Liste des Fraunhofer-Institutes geäußert. Die Liste ist soweit es um die erste Zahl im Postleitzahlsystem geht, nicht detailiert genug. Entscheidend ist der Marktpreis im regionalen Umfeld, nicht in einem Einzugsgebiet, das unter Umständen über Bundesländergrenzen hinaus geht. Ein klarer Beschluss und eine ebenso klare Absage an die Fraunhofer-Liste. Prima!
Willi Wacker
Guten Morgen Babelfisch und guten Morgen Willi Wacker,
das lesen aber mindestens 225 Anwälte gar nicht gern. Zeigt es doch – Masse ist nicht zwangsläufig Klasse.
Frohes Schaffen!
SV