Hallo Leute, hier nun ein Urteil des LG Berlin zu den Kosten der Rechtsschutzdeckungsanfrage. Die Zivilrichter der 42. Zivilkammer des LG Berlin haben mit Urteil vom 9.12.2009 – 42 O 162/09 – die Kosten für die Einholung einer Deckungszusage bei der Rechtsschutzversicherung als erstattungsfähigen Schaden angesehen. Lest aber selbst.
Landgericht Berlin
Im Namen des Volkes
Urteil
Geschäftsnummer: 42 O 162/09 Verkündet am: 09.12.2009
In dem Rechtsstreit …
hat die Zivilkammer 42 des Landgerichts Berlin, Littenstraße 12-17, 10179 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 18. November 2009 durch die Richterin … für Recht erkannt:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 410,43 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 7119,78 € vom 04. Juni 2009 bis zum 07. Juli 2009 sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08. Juli 2009 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um restliche Schadenersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich am 29. April 2009 in Berlin ereignete. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist mittlerweile zwischen den Parteien unstreitig.
Am Unfalltag befuhr die Zeugin … mit dem klägerischen Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … die Halenseestraße in Berlin-Charlottenburg in Fahrtrichtung Mansurenallee auf der rechten von drei Fahrspuren. Der Beklagte zu 1) befuhr mit dem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen …, dessen Halterin die Beklagte zu 2) ist, zunächst die linke Fahrspur. Er wechselte auf die rechte Fahrspur, um in eine dort befindliche Einfahrt einzubiegen. Während des Einbiegens kam es zur Kollision mit dem klägerischen Fahrzeug.
Mit Schreiben vom 30. April 2009 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers der Haftpflichtversicherung der Beklagten zu 2) den Unfallhergang mit. Diese teilte daraufhin mit Schreiben vom 04. Mai 2009 mit, dass sie die Frage der Haftung noch nicht beurteilen könne, weil ihr noch keine Schadensanzeige ihres Versicherungsnehmers vorliege. Mit Schreiben vom 06. Mai 2009 bezifferte der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Schaden und forderte die Haftpflichtversicherung der Beklagte zu 2) zur Zahlung bis zum 20. Mai 2009 auf. Eine weitere Aufforderung mit Fristsetzung zum 02. Juni 2009 erfolgte mit Schreiben vom 25. Mai 2009.
Am 17. Juni 2009 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers Deckungsschutz bei dessen Rechtsschutzversicherung, den diese am 19. Juni 2009 gewährte. Bereits im Mai 2009 bezahlte die Rechtsschutzversicherung des Klägers 603,93 € abzüglich 153 € Selbstbeteiligung an den Prozessbevollmächtigten des Klägers zum Ausgleich von dessen vorgerichtlicher Gebührenforderung.
Der Kläger meint, die Beklagten befänden sich seit dem 03. Juni 2009 in Verzug. Die gesetzte Frist zur Regulierung des Schadens sei angemessen gewesen.
Der Kläger meint ferner, die Deckungsschutzanfrage sei aufgrund des zögerlichen Regulierungsverhaltens der Haftpflichtversicherung der Beklagten zu 2) erforderlich gewesen.
Hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten behauptet der Kläger, dass in dem streitgegenständlichen Mandat deutlich mehr als zwei Schreiben gefertigt worden seien. Es seien allein 19 weitere Schreiben an andere Beteiligte versandt und mehrere Telefonate geführt worden. Darüber hinaus habe das zögerliche Regulierungsverhalten die Sache umfangreicher und schwieriger gemacht.
Mit der am 19. Juni 2009 bei Gericht eingegangenen und am 05. August 2009 zugestellten Klage machte der Kläger zunächst die folgenden Schadenspositionen geltend:
Reparaturkosten 4.540,40 €
Mietwagenkosten 280,00 €
Wertminderung 500,00 €
Sachverständigenkosten 716,74 €
Unkostenpauschale 25,00 €
vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren 827,05 €
Rechtsanwaltsgebühren für die Beantragung von Deckungsschutz 316,18 €
Nachdem die Beklagte zu 2) die volle Haftung des Beklagten zu 1) anerkannt und am 07. Juli 2009 6105,42 €, sowie 603,93 € auf die vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebührenforderung an den Kläger gezahlt hat, hat der Kläger die Klage am 10. September 2009 insoweit zurückgenommen und macht nunmehr nach einer Reduzierung des Klageantrags im Termin zur mündlichen Verhandlung hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 114,03 € die folgenden Schadenspositionen geltend:
Unkostenpauschale 10,00 €
vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren 109,09 €
Rechtsanwaltsgebühren für die Beantragung von Deckungsschutz 316,18 €
435,27 €
Hinsichtlich der Berechnung der Gebührenforderung für die Deckungsschutzanfrage wird auf die Klageschrift (Bl. 6 d.A.) und hinsichtlich der erfolgten Abrechnung durch die Haftpflichtversicherung der Beklagten zu 2) auf den Schriftsatz vom 02. September 2009 (Bl. 40 d.A.) Bezug genommen.
Der Kläger beantragt nunmehr,
die Beklagten zu verurteilen, an ihn 435,27 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 7.205,35 € vom 03. Juni 2009 bis zum 07. Juli 2009 sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08. Juli 2009 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Parteien stellen ferner wechselseitige Kostenanträge hinsichtlich des zurückgenommenen Teils der Klage.
Die Beklagten bestreiten die Aktivlegitimation des Klägers hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren.
Ferner meinen die Beklagten, dass es sich bei den klägerischen Fristsetzungen lediglich um Zahlungsziele handle, womit die Beklagten nicht in Verzug gesetzt werden können. Darüber hinaus, sei die Frist viel zu kurz bemessen gewesen. Im Zeitpunkt der Klageerhebung seien die eingehenden Ermittlungen noch nicht abgeschlossen gewesen.
Die Beklagten behaupten weiter, es handle sich um einen ganz einfach gelagerten Verkehrsunfall mit einfacher Korrespondenz.
Hinsichtlich der Deckungsschutzanfrage meinen die Beklagten, dass es sich dabei nicht um eine adäquate Unfallfolge handle und die Kosten daher nicht zu erstatten sind.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand, insbesondere zu den von den Parteien jeweils vertretenen Rechtsansichten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die dazu eingereichten Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagten aus dem Unfallereignis vom 29. April 2009 ein weitergehender Schadenersatzanspruch gemäß §§ 7, 18 StVG, § 115 VVG, §§ 823, 249ff. BGB zu.
Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig. Unstreitig ist auch, dass die Beklagten bereits auf die Schadensposition „Unkostenpauschale“ 15 € gezahlt haben. Dem Kläger steht mithin ein weitergehender Anspruch in Höhe von 5 € zu. Denn das Gericht bemisst die ohne Einzelnachweis für entsprechende Aufwendungen geltend gemachte allgemeine Unkostenpauschale in ständiger Rechtsprechung, wie auch das Kammergericht (vgl. KG, 10.09.2007, 22 U 224/06), mit 20 €, § 287 ZPO.
Der Kläger kann vorliegend auch weitere 89,25 € an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ersetzt verlangen, bezüglich derer er auch aktivlegitimiert ist. Die Rechtsschutzversicherung des Klägers hat die vorgerichtliche Gebührenforderung seines Prozessbevollmächtigten lediglich in Höhe von 603,93 ausgeglichen. Hinsichtlich eines darüber hinaus gehenden Betrages – wie vorliegend geltend gemacht – ist der Kläger weiterhin Anspruchsinhaber und damit aktiv legitimiert.
Die Höhe des Anspruchs auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bemisst sich nach der Höhe des dem Kläger zustehenden Anspruchs. Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 5,00 €. Zuzüglich des bereits unstreitig außergerichtlich gezahlten Betrages in Höhe von 6105,42 € ist mithin von einem Gegenstandswert von bis 7000,00 € auszugehen. Der Kläger kann vorliegend auch den Ersatz einer 1,5 Gebühr verlangen. Gemäß § 14 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühren im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen. Hierbei sind Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit für den Mandanten sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Mandanten zu berücksichtigen. Sofern – wie hier – die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen ist, ist die Bestimmung durch den Rechtsanwalt nur dann nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 S. 4 RVG), wobei eine Toleranzgrenze von 20 % angenommen wird (vgl. Gerold / Schmidt / v. Eicken / Madert / Müller-Rabe, RVG Kommentar, 16. Auflage, § 14 Rn.34). Nach dem Urteil des BGH (VI ZR 261/05, 31.05.2006) ist davon auszugehen, dass die Schwellengebühr von 1,3 eine Regelgebühr darstellt, die für den „durchschnittlichen“ bzw. „normalen“ Verkehrsunfall gerechtfertigt ist. Diese Regelgebühr ist mithin der Ausgangspunkt für die Billigkeitsprüfung, zumal auch eine über den durchschnittlichen Aufwand hinaus gehende anwaltliche Tätigkeit, insbesondere auch eine besondere Schwierigkeit hinsichtlich der Schadensabwicklung nicht hinreichend dargetan ist. Die geltend gemachte 1,5 Gebühr überschreitet vorliegend die Toleranzgrenze nicht und ist somit nicht unbillig im Sinne des § 14 RVG.
Der Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten besteht daher in Höhe von 693,18 € abzüglich der bereits gezahlten 603,93 € verbleiben 89,25 €.
Des Weiteren sind nach Ansicht des Gerichts grundsätzlich auch die Kosten für die Einholung einer Deckungszusage bei der Rechtsschutzversicherung ein erstattungsfähiger Schaden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich der eintrittspflichtige Haftpflichtversicherer mit der Regulierung in Verzug befindet, so dass der Geschädigte gehalten war, zur weiteren zweckentsprechenden Rechtsverfolgung Deckungsschutz bei seiner Rechtsschutzversicherung einzuholen. Da ein Geschädigter grundsätzlich berechtigt ist, zur Verfolgung seiner Ansprüche aus einem Verkehrsunfall sich der Hilfe eines Rechtsanwalts zu bedienen und diese Kosten vom Schädiger erstattet verlangen kann, gilt gleiches auch für die Kosten der Einholung einer Deckungszusage.
Die Beklagten befanden sich seit dem 04. Juni 2009 und nicht – wie geltend gemacht – ab dem 03. Juni 2009 in Verzug. Denn es ist anerkannt, dass dem Schuldner bei der Regulierung eines Haftpflichtschadens eine angemessene Frist zur Prüfung von Grund und Umfang der Ersatzpflicht zuzubilligen ist. Vor Ablauf dieser Prüfungsfrist tritt – trotz eventueller vorheriger Mahnung – kein Verzug ein (vgl. KG, 30.06.2008, 22 U 13/08). Die Dauer der Prüfungsfrist ist von den Umständen des Einzelfalles abhängig. Der Versicherer hat die Prüfung des Schadens, für den er einzustehen hat, tunlichst zu beschleunigen. Selbst mit Rücksicht auf das Beschleunigungsgebot hält das Gericht die zunächst vom Kläger im Schreiben vom 06. Mai 2009 gesetzte Zahlungsfrist von 14 Tagen für viel zu kurz, zumal die Haftpflichtversicherung der Beklagten zu 2) mit Schreiben vom 04. Mai 2009 mitteilte, dass ihr noch keine Schadensmeldung ihres Versicherungsnehmers vorliegt und die Haftungsfrage daher noch nicht beurteilt werden könne.
Im vorliegenden Fall dürfte für eine hinreichende und tragfähige Untersuchung des Schadensfalles eine Frist von vier Wochen angemessen sein. Eine längere Regulierungsfrist erschien vorliegend jedoch nicht erforderlich, um im Interesse der Versicherungsgemeinschaft eine Abwehr unberechtigter Ansprüche zu prüfen. Die Beklagten haben weder vorgetragen, dass ihrer Haftpflichtversicherung die Einsicht in die Ermittlungsakte nicht möglich war, noch, dass sonstige Schwierigkeiten bei der Prüfung der Ansprüche bestanden hätten, die eine längere Regulierungsfrist erforderlich gemacht hätten. Der Kläger hat seinen Schaden gegenüber der Haftpflichtversicherung der Beklagten zu 2) erstmals mit Schreiben vom 06. Mai 2009 beziffert, nachdem er mit Schreiben vom 30. April 2009 bereits den Unfallhergang geschildert hatte. Die vierwöchige Frist endete mithin mit Ablauf des 03. Juni 2009.
Der Kläger kann daher die Kosten für die am 17. Juni 2009 und damit nach Eintritt des Verzuges durch seinen Prozessbevollmächtigten gestellte Deckungsschutzanfrage in Höhe von 316,18 € ersetzt verlangen.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 ZPO. Den Beklagten waren nach billigem Ermessen auch die Kosten des Rechtsstreits hinsichtlich der Klagerücknahme vom 10. September 2009 aufzuerlegen. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig und die Beklagten befanden sich bereits seit dem 04. Juni 2009 in Verzug.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
So das Urteil des LG Berlin. Was sagt ihr?
A.A. BGH VIII ZR 132/10 vom 09.03.2011 in einer Mietsache.
Bekannt,anderer Fall!
War aber auch anderer Sachverhalt.