Mit Urteil vom 30.09.2010 (4 S 48/10) hat das LG Dortmund das Urteil des AG Dortmund vom 22.01.2010 (431 C 6658/09) teilweise abgeändert und neu gefasst. Danach wurde die beklagte Versicherung zur Zahlung 374,98 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtliche RA-Kosten verurteilt. Das Gericht macht deutlich, dass die Schwackeliste Anwendung findet, nicht die Fraunhofer Tabelle. Das Urteil ist zwar schon ein Jahr alt, aber dennoch hoch interessant in seinen Ausführungen, da es den Geschädigten im Mittelpunkt seiner Überlegungen stellt und auf die fatale Wirkung unterschiedlichster Kasuistik hinweist.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Berufung ist in vollem Umfang begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte aufgrund des Verkehrsunfalls vom xx.xx.2009 in Dortmund gemäß §§ 7, 17 StVG, 823 BGB, 115, 116 VVG Anspruch auf Zahlung weiteren Schadensersatzes in Form von Mietwagenkosten.
Die Beklagte haftet unstreitig in vollem Umfang für sämtliche Schäden, die dem Kläger aufgrund des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls entstanden sind. Zwischen den Parteien stehen lediglich noch anteilige Mietwagenkosten im Streit. Die Firma X in Dortmund berechnete dem Kläger unter dem 19.01.2009 einschließlich Mehrwertsteuer einen Betrag von 640,15 €. Hierauf zahlte die Beklagte 265,26 €. Von dem eingeklagten Differenzbetrag in Höhe von 374,89 € hat das Amtsgericht 213,01 € zugesprochen, im Übrigen die Klage abgewiesen und insoweit die Berufung zugelassen.
Die von dem Amtsgericht vorgenommene Schätzung des Schadens war abzuändern, da diese teilweise mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht in Einklang steht und im Übrigen eine Abänderung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist. Es handelt sich nicht nur um eine Ermessensentscheidung in einem Einzelfall. Wegen der Vielzahl an gleichgelagerten Fällen ist eine Vereinheitlichung der Schadensschätzung im Landgerichtsbezirk angezeigt. Gerade auch dies ist nach § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO Sinn und Zweck einer Berufungszulassung, die das Amtsgericht gewählt hat.
Der Geschädigte kann nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten durfte.
Das Amtsgericht hat bei seiner Schätzung den für das Jahr 2009 herausgegebene Schwacke-Automietpreisspiegel zugrunde gelegt und aufgrund der über 20 Jahre währenden Marktbeobachtung des entscheidenden Richters einen Abzug von 25 % vorgenommen. Zugrunde gelegt worden sind dabei die Beträge des Nenngebietes mit der Postleitzahl 441. Einen Aufschlag von 20% für die Unfallsituation ist abgelehnt worden.
Die Kammer hat den erforderlichen Aufwand gemäß § 287 ZPO entsprechend ihrer gefestigten Rechtsprechung geschätzt. Zur Ermittlung dieser Kosten stellen der sogenannte gewichtete Normaltarif und auch das von der Kammer zugrunde gelegte arithmetische Mittel nach dem Schwacke-Automietpreisspiegel für das jeweilige Postleitzahlengebiet des Geschädigten einen geeigneten Anknüpfungspunkt dar. Soweit die Beklagte eingewandt hat, dass die Schadensschätzung nicht nach dem Schwacke-Automietpreisspiegel, sondern nach der Preistabelle des Fraunhofer-Instituts vorzunehmen sei, hält die Kammer an ihrer Rechtsprechung weiterhin fest. Insoweit wird auf die unter www.nrwe.de veröffentlichten Entscheidungen, u.a. 4 S 72/09 Bezug genommen. Auch der Bundesgerichtshof hat wiederholt die Heranziehung des Schwacke-Automietpreisspiegel gebilligt; vgl. BGH Urteil vom 09.03.2010, Az. VI ZR 6/09.
Nicht zu beanstanden ist daher, dass das erstinstanzliche Urteil den Schwacke-Automietpreisspiegel für das Jahr 2009 bei der Schadensschätzung heranzieht und nicht auf den Mietpreisspiegel des Jahres 2008 abstellt und einen 2 % igen Aufschlag hierauf gewährt wird. Insoweit ist auch die Kammer dazu übergegangen, den für das jeweilige Jahr gültigen Mietpreisspiegel, in dem der Verkehrsunfall und damit die Anmietung des Ersatzfahrzeugs durch den Geschädigten stattgefunden haben, heranzuziehen.
Soweit das erstinstanzliche Gericht jedoch einen Wochentarif für das Postleitzahlengebiet 441 bei der vorgenommenen Schadensschätzung zugrunde gelegt hat, war dies durch die Berufungskammer abzuändern. Abzustellen ist auf die Postleitzahl des Wohnsitzes des Geschädigten, es sei denn die Anmietung muss unfallbedingt fern vom Wohnort stattfinden. Abzustellen ist daher auf das Postleitzahlengebiet 442.
Die Kammer hat ebenfalls eine Anmietdauer von 6 Tagen zugrunde gelegt, auch wenn an den Übergabetagen das Fahrzeug nur den halben Tag genutzt worden ist. Die Kammer hat noch keine Abrechnung von anderen Mietwagen unternehmen gesehen, bei denen in einer solchen Situation nur halbe Tage berechnet worden wären. Der Kläger ist hier schon kostensparend vorgegangen, indem er nach dem Unfall am Freitag erst am folgenden Montag ein Fahrzeug angemietet hat.
Was die Schadensschätzung des Amtsgerichts und den Abzug von 25 % angeht, so mag die Schätzung im Ergebnis denen anderer Gerichte entsprechen. Die einen orientieren sich ausschließlich an dem Schwacke-Automietpreisspiegel, andere an der Mietpreisermittlung durch das Fraunhofer IAO, wieder andere wählen einen Zwischenbetrag. Die Geschädigten laufen „Gefahr“ bei jedem Richter des gleichen Amtsgerichts einen anderen Schadensbetrag zugesprochen zu erhalten, und zwar mittlerweile in einer erheblichen Spannbreite. Der 11. Zivilkammer des Hauses ist zuzustimmen, dass diese nicht wünschenswert sein kann. § 511 ZPO sieht daher ausdrücklich eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung vor.
Die Kammer verweist auf die in den veröffentlichten Urteilen aufgezeigten Gesichtspunkte, die für eine Anwendung des Schwacke-Automietpreisspiegels sprechen und betont nochmals, dass es bei der Frage, ob eine Schadensforderung berechtigt ist auf den verständigen, wirtschaftlich vernünftig denkenden Menschen in der Unfallsituation ankommt. Es ist nicht Sache der Gerichte einen Marktpreis festzusetzen. Die Diskussion über die Preise hat sich verselbständigt, ohne dass der Blick auf den Geschädigten beachtet wird. Wenn ein Geschädigter ein Mietwagenunternehmen aufsucht und dieses erklärt, dass es in etwa in der Höhe des derzeit geltenden Schwacke-Automietpreisspiegels abrechnet, dann brauchen diesem Kunden keine Bedenken gegen die Höhe kommen. Er darf diesen Preis akzeptieren, so wie auch der Bundesgerichtshof die Preise nach dem Schwacke-Automietpreisspiegel nicht beanstandet hat. Eine Situation, wie in der Anfangszeit der geänderten Rechtsprechung zum Unfallersatztarif, als die Preise 100% über den Listenpreisen lagen, besteht nicht mehr.
Die Kammer hält auch an ihrer bestehenden Rechtsprechung fest, dass zur Schätzung der erforderlichen Mietwagen kosten ein Aufschlag von 20 % auf die Tarife nach dem Schwacke-Automietpreisspiegel vorzunehmen ist. Der Bundesgerichtshof hat wiederholt entschieden, dass auch ein pauschaler Aufschlag auf den „Normaltarif“ in Betracht kommt und nach § 287 ZPO vom Tatrichter geschätzt werden kann.
Dieser Aufschlag kommt nicht nur dann in Betracht, wenn der Geschädigte mitten des Nachts oder an einem Sonn- oder Feiertag in einen Unfall verwickelt wird. Dies sind die wenigsten Fälle. Für diese Fälle hätte es der Weiterentwicklung der umfangreichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bis hin zu dem gebilligten pauschalen Aufschlag nicht bedurft. Auch den in jüngster Zeit entschiedenen Fällen lagen keine derartigen „Notsituationen“ zugrunde. Die Kammer verweist auf das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 19.01.2001, AZ. VI ZR 112/09. Die Anmietung erfolgte 5 Tage nach dem Unfall. In dem Urteil vom 02.20.2010, AZ. VI ZR 7/09 erfolgte die Anmietung sogar 11 Tage nach dem Unfall. Auch in diesen Urteilen wird gebilligt, dass auch die Vorfinanzierungssituation rechtfertigen kann, einen erhöhten Tarif in Anspruch zu nehmen. Der Geschädigte ist von sich aus nicht gehalten, zu seiner finanziellen Situation vorzutragen (BGH a.a.O.). Die Kammer hat in ihren Urteilen bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass die Geschädigten durch die Vorfinanzierung der Reparaturkosten oft finanziell stark belastet sind. Die Regulierung durch die Versicherer findet oft erst nach Wochen statt. Insbesondere wertet das Amtsgericht nicht ausreichend, dass der Geschädigte nicnt sämtliche Leistungen des erhöhten Tarifs in Anspruch genommen haben muss. Es genügt, dass spezifische Leistungen des Vermieters allgemein den Mehrpreis rechtfertigen und von dem Geschädigten einen Teil davon in Anspruch genommen werden durfte (BGH a.a.O.)
Der nachfolgend ermittelte Vergleich zeigt, dass dem Kläger kein überhöhter Tarif in Rechnung gestellt worden ist, sondern die Kosten im Rahmen des Üblichen lagen.
Die Kammer ist bei der Ermittlung der erforderlichen Kosten zudem von einem Fahrzeug der Mietwagenklasse 4 ausgegangen. Es handelte sich – sowohl bei dem verunfallten Fahrzeug des Klägers als auch bei dem Mietwagen – um einen Opel Astra, der nach den Angaben im Vorwort der Schwacke – Mietpreistabelle in die Wagenklasse 4 fällt.
Die Kammer sieht allerdings mangels konkreter Angaben des Klägers keinen Raum für die Geltendmachung von Kosten für das An- und Abholen des Fahrzeuges, da der Kläger nach eigenen Angaben dies an der Reparaturwerkstatt angemietet hat. Dass das Fahrzeug zunächst dorthin verbracht werden musste, wurde nicht behauptet.
Dem Kläger stehen unter Berücksichtigung dieser Umstände nach folgender Vergleichsberechnung und Schätzung gemäß § 287 ZPO folgende Mietwagenkosten im Wege des Schadensersatzes als erforderliche Kosten zu:
Mietwagenkosten nach Gruppe 4 und PLZ – Gebiet 442 entsprechend des Schwacke – Mietpreisspiegels für 2009:
. Anzahl Preis Summe
3-Tage 2 266,47 532,94 €
abzgl. 10 % Eigenersparnis 0,10 -53,29 €
. 479,65 €
zzgl. 20 % Aufschlag 0,2 95,93 €
. 575,58 €
zzgl. Nebenkosten
Vollkasko
3-Tage 2 66,85 133,70 €
Gesamtanspruch 709,28 €
gezahlt -265.26 €
Restanspruch 444,02 €
Hieraus folgt, dass die von der Mietwagenfirma in Rechnung gestellte Gesamtsumme von 640,15 € nicht zu hoch bemessen ist, sondern sich sogar unterhalb der Grenze einer möglichen Schadensschätzung nach § 287 ZPO bewegen.
Auf die Berufung des Klägers war das erstinstanzliche Urteil demzufolge abzuändern und die Beklagte zur Zahlung weiteren Schadensersatzes in tenoriertem Umfang sowie anteiliger außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren zu verurteilen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO.
Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, da die vorliegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Der Bundesgerichtshof hat zu den entschiedenen Fragen bereits umfangreich Stellung bezogen.
Soweit das LG Dortmund.