Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
unsere Urteilsreise durch Deutschland geht weiter. Von Montabaur im Westerwald geht es weiter nach Halle in Sachsen-Anhalt. Wieder einmal ging es in dem Berufungsrechtsstreit um restliche Sachverständigenkosten. Die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung bestritt, allerdings unsubstantiiert, den Wiederbeschaffungswert. Sie behauptet dann weiter, deshalb sei das Sachverständigengutachten auch unbrauchbar. Diese Ansicht ist schon aufgrund der bestehenden Rechtsprechung unbeachtlich, denn der vom Geschädigten eingeschaltete Sachverständige ist Erfüllungsgehilfe des Schädigers, so dass dessen vermeintliche Fehler zulasten des Schädigers und dessen Versicherer gehen. Es muss daher immer wieder darauf hingewiesen werden, dass der Sachverständige der Erfüllungsgehilfe des Schädigers ist. Dann stellen sich die behaupteten Unbrauchbarkeitsfragen nicht, denn der Schädiger müßte seinen Erfüllungsgehilfen erst auffordern, den vermeintlichen Mangel zu korrigieren, wenn denn einer besteht. Der Schadensersatzanspruch des Unfallopfers auf Erstattung der berechneten Sachverständigenkosten gem. § 249 BGB bleibt davon unberührt, denn das ist ein Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegen den Schädiger. Bekanntlich haben im Schadensersatzprozess werkvertragliche Gesichtspunkte nichts zu suchen. Es fällt aber auf, dass die Behauptungen der Versicherungen, das Gutachten sei unbrauchbar, weil der Wiederbeschaffungswert falsch beziffert sei, immer häufiger gebracht werden. Die Versicherer versuchen damit, über die Hintertür quasi, doch die Internetrestwertbörse zu etabablieren, obwohl der BGH unmissverständlich nur auf den örtlichen Markt – und nicht auf Internetrestwertgebote – abgestellt hat.
Wir geben Euch zunächst das Berufungsurteil und dann die angefochtene Entscheidung des AG Halle an der Saale bekannt. Lest selbst und gebt Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Landgericht Halle verkündet am:
Geschäfts-Nr.: 27.12.2012
2 S 197/12
94 C 3905/11 Amtsgericht Halle
(Saale)
Im Namen des Volkes!
Urteil
In dem Rechtsstreit
ÖSA öffentliche Versicherungen Sachsen-Anhalt AdöR, v. d. d. Vorstand, Am Alten Theater 7, 39104 Magdeburg
– Beklagte und Berufungsklägerin –
gegen
Kfz-Sachverständiger
– Kläger und Berufungsbeklagter-
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Halle auf die mündliche Verhandlung vom 18.12.2012 durch die Richterin am Landgericht … als Einzelrichterin
für R e c h t erkannt:
I.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Halle (Saale) vom 02.08.2012 – Az. 94 C 3905/11 – wird zurückgewiesen.
II.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
III.
Das Urteil sowie die erstinstanzliche Entscheidung sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
und b e s c h l o s s e n :
Der Gegenstandswert für die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens wird festgesetzt auf 659,53 Euro.
Gründe:
A.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.
B.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
I.
Die Berufung ist zulässig.
Sie ist gem. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthaft sowie gem. den §§ 517, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt als auch begründet worden.
II.
In der Sache hat sie hingegen keinen Erfolg.
Vielmehr hat das Amtsgericht die Beklagte zu Recht zur Zahlung der aus abgetretenem Recht geltend gemachten Schadensersatzansprüche verurteilt.
Die angefochtene Entscheidung lässt weder Rechtsfehler erkennen noch rechtfertigen die ihr zugrunde zu legenden Tatsachen ein anderes Ergebnis (§ 513 ZPO).
1.
Insbesondere ist die Beklagte zur Begleichung der streitgegenständlichen Sachverständigenkosten verpflichtet.
Dabei ist unbeachtlich, inwieweit die beklagte Haftpflichtversicherung auf der Grundlage des vom Kläger erstellten Sachverständigengutachtens reguliert und ob sich der Geschädigte mit einer vermeintlich zu geringen Regulierung einverstanden erklärt hat. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die Haftpflichtversicherung in den Schutzbereich des zwischen dem Sachverständigen und dem Geschädigten abgeschlossenen Vertrages einbezogen ist und Schadensersatz beanspruchen kann, wenn der Sachverständige vertragliche Pflichten verletzt hat, die auch zugunsten der Versicherung bestehen. Indes ist vorliegend nicht von einer solchen Pflichtverletzung auszugehen. Die vom Kläger vorgenommene Begutachtung ist nicht zu beanstanden.
Zunächst reichen die Rechte des in die Schutzwirkung des Vertrages einbezogenen Dritten nicht weiter, als die des Vertragspartners selbst. Maßgebend ist insoweit der Inhalt des Vertrages des Geschädigten mit dem Sachverständigen. Beauftragt der Geschädigte den Sachverständigen mit der Schadensschätzung zum Zwecke der Schadensregulierung, hat der Sachverständige das Gutachten unter Berücksichtigung der geltenden Rechtsprechung zum Schadensersatz bei Kfz-Unfällen zu erstellen. Dabei ist der Sachverständige aber nicht zu weiteren Erhebungen und Berechnungen etwa im Interesse der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners verpflichtet. Vielmehr hat er sich auf dem regional zugänglichen allgemeinen Markt für das beschädigte Fahrzeug zu orientieren, auch wenn er weiß, dass das Gutachten im Regelfall als Grundlage der Schadensregulierung dient und Auswirkungen für die Haftpflichtversicherung haben kann. Da der Geschädigte Internetangebote nicht berücksichtigen muss, sind diese auch vom Sachverständigen nicht mit einzubeziehen, denn der Sachverständige hat den Fahrzeugrestwert aus der Position seines Auftraggebers zu ermitteln (BGH Urteil vom 13.01.2009, Az. VI ZR 205/08).
Unter Heranziehung dieser Grundsätze war der Kläger vorliegend nicht gehalten, auf überregionale Angebote anderer Fahrzeughändler zurückzugreifen.
Abgesehen davon hat das Amtsgericht bereits zu Recht darauf hingewiesen, dass weder ersichtlich noch substantiiert vorgetragen worden ist, dass es zum fraglichen Zeitpunkt tatsächlich andere, günstigere Angebote für das hier in Rede stehende Fahrzeug gegeben hat. Soweit sich die Beklagte auf ein Internetangebot beruft, hat der Kläger unwidersprochen vorgetragen, dass dieses Internetangebot aus dem Jahre 2006 datiert und im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Schadensregulierung nicht relevant war. Hinzu kommt, dass es sich um ein auswärtiges Angebot handelt und dem darin genannten Preis noch erhebliche Nebenkosten für Überführung etc. hinzuzurechnen wären.
Nach alledem kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Beklagte auf eine Pflichtverletzung des Klägers bzw. auf die Unbrauchbarkeit des von ihm erstellten Sachverständigengutachtens berufen kann, weshalb sie verpflichtet ist, gem. § 249 BGB diese allgemein anerkannte Schadensposition gleichermaßen zu regulieren.
2.
Des Weiteren ist die Beklagte auch verpflichtet, die ebenfalls als erforderlicher Aufwand im Sinne von § 249 BGB anerkannte Schadensposition der Verbringungskosten zu zahlen.
Auch insoweit ist das Amtsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Abtransport des unfallbeschädigten Motorrollers aus dem öffentlichen Verkehrsraum erforderlich war und deshalb auch die hierfür entstandenen Kosten erstattungsfähig sind.
Soweit die Beklagte erstmals im Beruf ungsverfahren einzelne Rechnungspositionen der Höhe nach angreift, ist sie damit gem. § 531 ZPO ausgeschlossen.
Nach alledem war die Berufung insgesamt zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erwächst aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
IV.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes für die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens erwächst aus den §§ 3 ZPO, 47, 63 Abs. 2 GKG.
V.
Die Revision ist gemäß § 543 ZPO nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern.
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Mit Berichtigungsbeschluss
Amtsgericht Halle (Saale) Verkündet am: 02.08.2012
Geschäfts-Nr.:
94 C 3905/11
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
Kfz-Sachverständiger
Klägerin
gegen
ÖSA Öffentliche Versicherung Sachsen-Anhalt, vertr. d.d. Vorstand Peter Ahlgrim, Rainer Bülow und Manfred Steffen, Adam-Kuckhoff-Straße 41,06108 Halle (Saale)
Beklagte
hat das Amtsgericht Halle (Saale) im schriftlichen Verfahren gemäß 128 ZPO, bei welchem Schriftsätze bis zum 13.07.2012 eingereicht werden konnten durch die Richterin am Amtsgericht …
für Recht erkannt:
1.) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 659,53 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.09.2008 aus einem Betrag von 520,89 € seit dem 04.09.2008 und aus einem Betrag von 138,64 € seit dem 19.11.2011 zu zahlen.
2.) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12,00 € für vorgerichtliche Mahnkosten zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.11.2011 zu zahlen.
3.) Die Beklagte wird verurteilt, als weitere Nebenforderung an den Kläger 101,40 € für vorgerichtliche Anwaltskosten zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.09.2011 zu zahlen.
4.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
und beschlossen:
Der Streitwert wird festgesetzt bis zum 22. März 2012 auf 784,84 € und danach auf 659,53 t.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Schadensersatz aus abgetretenem Recht aus einem Verkehrsunfall vom 22.08.2008.
Die Beklagte ist Krafthaftpflichtversicherung der … . Der Kläger erstellte für die Geschädigte, die … GmbH & Co. KG an die Beklagte ein Gutachten zur Schadensfeststellung.
Die Beklagte haftet zu 100 % für die unfallbedingten Schäden.
Der Kläger begehrt für die Erstellung eines Schadensgutachtens und die Verbringung des Fahrzeuges vom 28.08.2008 nunmehr insgesamt 659,53 €.
Der Kläger beantragt zuletzt,
wie tenoriert
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass das Schadensgutachten unbrauchbar sei, da der Kläger von einem unzutreffenden Wiederbeschaffungswert ausgegangen sei.
Des Weiteren hält die Beklagte die vom Kläger angesetzten Verbringungskosten für nicht erforderlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung von Gutachterkosten und Verbringungskosten in Höhe von insgesamt 659,53 € aus § 398 BGB i.V.m. § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG.
Die Abtretung vom 09.09.2011 sowie 02.09.2011 (Anlage K 5a, Blatt 13 der Akte sowie K 5b, Blatt 14 der Akte) sind gemessen an den Grundsätzen des Bundesgerichtshofes (siehe hier zur Entscheidung vom 07.06.2011, Az.: VI ZR 260/10) wirksam.
Soweit die Beklagten zunächst behauptet haben, dass der vom Kläger in seinem Gutachten angesetzte Wiederbeschaffungswert zu hoch sei und daher das ganze Gutechten unbrauchbar, konnten die Beklagten diese Behauptung nicht ausreichend substantiiert darlegen. Im Gegenteil spricht die von den Beklagten vorgelegte Anlage A3 auf Blatt 40 der Akte eher dafür, dass der vom Kläger angesetzte Wiederbeschaffungswert nicht zu hoch war.
Auch so weit die Beklagten sich gegen die Klage verteidigen mit der Behauptung, dass die Verbringung des Fahrzeuges nicht erforderlich gewesen war, ist diese Behauptung nicht ausreichend substantiiert dargelegt und unter Beweis gestellt worden.
Vielmehr dürfte es offenkundig sein, dass ein Verbleib des streitgegenständlichen Fahrzeuges im öffentlichen Verkehr nicht möglich gewesen war und das Fahrzeug ohnedies aus dem öffentlichen Verkehrsraum verbracht hätte werden müssen.
Die jeweils angesetzten Einzelpreise bzw. Gebühren erscheinen nicht unangemessen hoch.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 11 ZPO.
…
Richterin am Amtsgericht
Amtsgericht Halle (Saale) Halle (Saale), 02.08.2012
Geschäfts-Nr.:
94 C 3905/11
Beschluss
In dem Rechtsstreit
Kfz-Sachverständiger
Klägerin
gegen
ÖSA Öffentliche Versicherung Sachsen-Anhalt, vertr. d.d. Vorstand Peter Ahlgrim, Rainer Bülow und Manfred Steffen, Adam-Kuckhoff-Straße 41,06108 Halle (Saale)
Beklagte
hat das Amtsgericht Halle (Saale) am 02.08.2012 durch die Richterin am Amtsgericht … beschlossen:
Wird das Urteil vom 02.08.2012 dahin berichtigt, dass der Tenor hinsichtlich der Kosten wie folgt lautet:
3a. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Grunde:
Das Urteil war wie geschehen nach § 319 ZPO zu berichtigen, da eine offensichtliche Auslassung vorliegt. In den Urteilsgründen findet sich bei den prozzessualen Nebenentscheidungen der Hinweis auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
…
Richterin am Amtsgericht