Die Berufungskammer des LG Hamburg hatte darüber zu befinden, ob die vom Gutachter in seinem Schadensgutachten aufgeführten Vermessungskosten zum Reparaturaufwand gehören und damit bei der 130%-Grenze zu berücksichtigen sind, oder ob es sich um notwendigen Aufwand der Schadensermittlung handelt, und damit bei der Berechnung des 130%-Betrages außer Betracht bleiben muss.
Das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek war mit Urteil vom 20.Mai 2009 – 714 C 5/09 – der Absicht, die Vermessungskosten seien Teil des Reparaturaufwandes und hat die Klage auf Zahlung der Differenz zwischen den tatsächlich angefallenen Reparaturkosten und dem von der eintrittspflichtigen Haftplichtversicherung gezahlten Totalschadensbetrag abgewiesen. Die Klägerin verlangt von der Beklagten, der Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers, restlichen Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall, der sich in Hamburg ereignete und bei dem das Motorrad der Klägerin beschädigt wurde. Die Klägerin holte ein Gutachten ein. Darin heißt es:“ Der Motorradrahmen zeigt keinen sichtbaren Verzug. Er ist zu vermessen.“ Die nach dem Gutachten – und unstreitig gestellten – erforderlichen Reparaturkosten betrugen 3.164,64 € brutto, wobei in diesem Betrag ein Anteil von 185,– € netto ( = 220,15 € brutto) für die Position „Vermessen Fixlohn“ enthalten war.
Der Wiederbeschaffungswert des Motorrades betrug 2.350,– € inkl. MWSt. Auch das ist unstreitig. Die Beklagte regulierte den Schaden auf Totalschadensbasis mit 1.770,– €. Daneben zahlte sie 252,72 € an die Firma Motorradhaus M. zum Ausgleich der Rechnung für die durchgeführte Rahmenvermessung. Die Klägerin ließ in der Folgezeit bei der Firma B. den Schaden reparieren, wofür mit Rechnung vom 2.12.2008 2.946,64 € berechnet wurden. Die Klägerin machte den Differenzbetrag von 1.176,64 € geltend. Der Klagebetrag ergibt sich aus der Differenz von 2.946,64 € minus gezahlter 1.770,– €. Das AG Hamburg-Wandsbek hat mit Urteil vom 20.5.2009 – 714 C 5/09 – die Klage abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung hatte Erfolg und führte zur Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils.
Nachfolgend das Urteil der Berufungskammer des LG Hamburg.
Landgericht Hamburg – 6. Zivilkammer –
– 306 S 79/09 – 20.11.2009
Im Namen des Volkes
Urteil
in dem Berufungsrechtsstreit
der Frau …. Klägerin und Berufungsklägerin
g e g e n
die ….. Beklagte und Berufungsbeklagte
wird für Recht erkannt:
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichtes Hamburg- Wandsbek vom 20.5.2009 – 714 C 5/09 – wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.176,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. 12.2008 sowie 155,30 € an vorgerichtlichen Anwaltskosten zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreiters hat die Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, der Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers, restlichen Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall, der sich in Hamburg ereignete und bei dem das Motorrad der Klägerin beschädigt wurde. Die Klägerin holte ein Gutachten ein. Darin heißt es: “Der Motorradrahmen zeigt keinen sichtbaren Verzug. Er ist zu vermessen.“ Die nach dem Gutachten – und unstreitig gestellten – erforderlichen Reparaturkosten betrugen 3.164,64 € brutto, wobei in diesem Betrag ein Anteil von 185,– € netto ( = 220,15 € brutto) für die Position „Vermessen Fixlohn“ enthalten war. Der Wiederbeschaffungswert des Motorrades betrug 2.350,– € inkl. MWSt. Auch das ist unstreitig. Die Beklagte regulierte den Schaden auf Totalschadensbasis mit 1.770,– €. Daneben zahlte sie 252,72 € an die Firma Motorradhaus M. zum Ausgleich der Rechnung für die durchgeführte Rahmenvermessung. Die Klägerin ließ in der Folgezeit bei der Firma B. den Schaden reparieren, wofür mit Rechnung vom 2.12.2008 2.946,64 € berechnet wurden. Die Klägerin machte den Differenzbetrag von 1.176,64 € geltend. Der Klagebetrag ergibt sich aus der Differenz von 2.946,64 € minus gezahlter 1.770,– €.
Das AG Hamburg-Wandsbek hat mit Urteil vom 20.5.2009 – 714 C 5/09 – die Klage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihre Forderung auf Ausgleich der vollen Reparaturkosten weiter.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg.
Die Beklagte ist gem. der §§ 7, 18 StVG i.V.m. § 115 VVG verpflichtet, der Klägerin vollständigen Reparaturaufwandsersatz zu leisten. Der Reparaturaufwandsersatz ist identisch mit dem Reparaturkostenbetrag, da ein merkantiler Minderwert nicht verblieb. Die Klägerin hat entsprechend der BGH-Rechtsprechung ihr Motorrad sach- und fachgerecht nach den Vorgaben des Gutachtens reparieren lassen. Dass sie es danach noch mindestens 6 Monate genutzt hat, ist zumindest in der Berufungsinstanz nicht mehr umstritten. Unter diesen Umständen sind die Reparaturkosten im Hinblick auf das schützenswerte Integritätsinteresse des Geschädigten auch dann noch zur Reparatur der beschädigten Sache erforderlich, wenn sie zwar den Wiederbeschaffungsaufwand überschreiten, aber nicht die Grenze von 130% des Wiederbeschaddungswertes. Über diesen Grundsatz herrscht bei den Parteien auch Einigkeit. Sie streiten allein um die Frage, ob die Vermessungskosten, im Gutachten mit 220,15 € kalkuliert und tatsächlich in Höhe von 252,72 € angefallen, ein Teil der Reparaturkosten oder – wie die Gutachterkosten – dem Schadensermittlungsaufwand zuzurechnen sind.
Welcher Schadenskategorie die Kosten der Fahrzeugvermessung, die nicht der Reparaturkontrolle dient, wie hier, sondern der Ermittlung eines möglichen weiteren Schadens, zuzuordnen sind, ist problematisch. Sofern es von der Art des Unfalls und vom Schadensbild im übrigen angezeigt und damit erforderlich ist, bewirkt erst der Ausschluss eventueller weiterer, ohne Vermessung nicht erkennbarer Schäden die Absicherung der Verkehrstüchtigkeit des Fahrzeugs. Nur wenn diese Sicherheit besteht, kann der Geschädigte nach der Reparatur der sichtbaren und ggfls. im Laufe der Reparaturarbeiten zu Tage getretenen weiteren Schäden sein Fahrzeug wieder unbedenklich in Benutzung nehmen. Das spricht dafür, die Kosten einer solchen Vermessung den Kosten gleichzustellen, die durch die Wiederherstellung der Verkehrstüchtigkeit entstehen. Diese Zuordnung wäre von Bedeutung auch für die Frage der Erstattungsfähigkeit notwendiger, aber nicht durch Reparaturkontrolle entstehender Vermessungskosten bei der fiktiven Abrechnung. Andererseits ist Zweck einer den Reparaturarbeiten im engeren Sinne vorangehenden und nicht deren Kontrolle dienenden Vermessung gerade auch, den Schadensumfang vollständig zu ermitteln und damit die Grundlage für eine möglichst verlässliche Reparaturkalkulation zu schaffen. Besteht angesichts der Art des Unfalls und in Anbetracht der sichtbaren Schäden für den Sachverständigen Anlass, eine Vermessung zur weiteren Aufklärung für geboten zu erachten, gehört die Vermessung zu seinen Aufgaben. Er kann sie, wenn er über die nötige technische Ausrüstung verfügt, selbst durchführen und seinem Auftraggeber, dem Geschädigten, in Rechnung stellen oder von einer von ihm eingeschalteten Werkstatt als Subunternehmer durchführen lassen und die dadurch entstehenden Kosten in seine Rechnung mit aufnehmen. In beiden Fällen wäre die Position „Vermessungskosten“ als Teil der Gutachterkosten vom Schädiger zu erstatten. Die Reparaturkostenrechnung der Reparaturwerkstatt bliebe von diesen Vermessungskosten unbelastet. Wählt der Sachverständige, der nicht selbst über die technische Ausrüstung für eine Vermessung verfügt, dagegen den Weg, die Vermessung in seine Schadenskalkulation aufzunehmen und damit der Werkstatt die Vermessung zu übertragen, weil sie eben über die entsprechenden Geräte verfügt, hat sich dadurch in der Sache selbst nichts geändert. Geändert haben sich letztlich nur die Abrechnungsmodalitäten dahingehend, dass der Sachverständige in Bezug auf die Kosten der ihm zur ordnungsgemäßen Schadensermittlung obliegenden Vermessung keine eigene Verbindlichkeit eingeht.
Vor diesem Hintergrund kann es im vorliegenden Fall letztlich dahinstehen, ob es sich bei der Rahmenvermessung auch um Reparatur oder jedenfalls um eine der Reparatur gleichzusetzende Maßnahme handelt. Es gibt keinen sachlichen Grund, diese Vermessungskosten bei der Gegenüberstellung des Reparaturaufwandes und des um 30 % erhöhten Wiederbeschaffungswertes zu berücksichtigen. Sie haben in diesem Zusammenhang außer Betracht zu bleiben.
Begründet und vorbehaltlich des Bestehens der Hauptforderung nicht angegriffen ist auch der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der vorgerichtlichen Anwaltskosten nach Maßgabe der Berechnung in der Klageschrift.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Revision wird zugelassen, § 543 Abs. 2 ZPO. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Soweit ersichtlich, ist die Frage, ob Vermessungskosten, die der Sachverständige in seine Reparaturkalkulation eingestellt hat, in Bezug auf die 130%-Grenze als Teil des Reparaturaufwandes zu berücksichtigen sind, noch nicht höchstrichterlich entschieden worden.
So die Berufungskammer des LG Hamburg. An der Begründung ist was wahres dran. Auch die Gutachterkosten werden nicht zum Reparaturaufwand gerechnet und erhöhen den Wiederbeschaffungsaufwand nicht. Folgerichtig müssen dann auch die Vermessungskosten, wenn sie zur Schadensfeststellung notwendig sind, aus dem Wiederherstellungsaufwand herausgerechnet werden. Was meint ihr?
Viele Positionen in der Schadenskalkulation sind keine Reparatur-,sondern Schadensfeststellungskosten,etwa die Sichtprüfung von Reifen oder Lenkgetrieben,wenn man so einen Unsinn überhaupt in ein Gutachten schreiben will.
Ganz bestimmt aber hat ein ordentlicher SV hier NICHTS der Werkstatt zu überlassen,sondern ER hat festzustellen,ob der Rahmen einen Verzug hat,oder nicht.
Das ist SEINE Aufgabe und hierzu muss ER bei der Erstellung seines Gutachtens notfalls auf einen Subunternehmer zurückgreifen,der dem SV dann eine Rechnung über die Rahmenvermessung stellt,die dann in der Gutachterhonorarsrechnung als Fremdleistung ausgewiesen wird!
Bei korrektem Gutachten dürfte es diese Urteile also eigentlich garnicht geben;das LG hat es aber glücklicherweise dann doch noch richtig gemacht.
Dass es sich bei den Vermessungskosten um Schadenfeststellungskosten handelt, hat ja bereits die Versicherung durch die Zahlung des Wiederbeschaffungsaufwandes und der Vermessungskosten selbst anerkannt.
Das Vermessungsergebnis war ja auch nicht nur für die Ermittlung der Reparaturkosten, sondern auch für die korrekte Ermittlung des Restwertes notwendig und gegebenenfalls auch für die Beurteilung der Fahrbereitschaft.
Insofern sehe ich das Urteil als korrekt an.
Man kann allerdings auch verstehen, dass der SV die Vermessungskosten nicht unbedingt auf die eigene Kappe nehmen will, um sie dann als Fremdkosten geltend zu machen. Man stelle sich nur mal einen Schaden vor, dass der Schaden von der HUK reguliert wird, dann deckt der zunächst gezahlte Teilbetrag nicht einmal die Vermessungskosten…
Richtigerweise wird zunächst vermessen und darüber eine Rechnung gestellt, ob nun auf den Kunden oder den SV sei dahingestellt. Mit dem Ergebnis kann der SV sein Gutachten korrekt erstatten. Und in der Schadenbeschreibung bzw. den notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen, die bei jedem Gutachten enthalten sein sollten, wird im Freitext darauf hingewiesen, dass über die erfolgte Vermessung der Schadenumfang erst ordentlich festgestellt werden konnte.
Zu diesem Zeitpunkt dürfte die Vermessung ja auch gar nicht mehr in der Kalkulation auftauchen, da sie je schon durchgeführt wurde.
Grüße
Andreas
Die Rückverformung kann doch auch mit einer Vermessung oder mit Richtwinkelsatz erfolgen und deshalb auch in der Rechnung eine zweite Vermessung oder Richtwinkelsatz zu verrechnen sein.
Rückverformung?
Richtwinkelsatz?
Wir reden hier gerade von der Vermessung eines Motorradrahmens zur Feststellung eines möglichen Verzuges nach dem Unfall. Und diese Vermessung wurde zur Erstattung des Gutachtens benötigt, um weitere Schäden auszuschließen oder eben festzustellen.
Viele Grüße
Andreas