LG Karlsruhe weist die eintrittspflichtige Versicherung mit Hinweis vom 15.02.2016 – 20 S 118/15 – auf die bestehende Rechtslage hin, wonach der örtliche Markt für Restwertgebote maßgeblich ist und nicht der von der Versicherung gewünschte Internetsondermarkt für Restwerte.

Hallo verehrte  Captain-Huk-Leserschaft,

zum beginnenden Wochenende stellen wir Euch hier einen richterlichen Hinweis der 20. Zivilkammer des LG Karlsruhe zum Thema Restwert vor. Während der von der Geschädigten beauftragte Sachverständige zutreffend und entsprechend der BGH-Rechtsprechung in dem Schadensgutachten den Restwert ermittelt hat mit drei örtlichen Angeboten, versucht der hier eintrittspflichtige Versicherer ein von ihm eingeholtes Restwertgebot aus dem Internet bei der Abrechnung durchzusetzen. Dabei vergißt er allerdings, dass es nur auf Restwertgebote aus dem regionalen Markt ankommt. Bei dem Internetrestwertmakt handelt es sich um einen nicht zu beachtenden Sondermarkt. Der Versicherer ist auch der – allerdings irrigen – Ansicht, der Geschädigte habe eine Wartepflicht, um dem Schädiger die Gelegenheit zu günstigeren Restwertgeboten einzuräumen. Diese Wartepflicht besteht grundsätzlich nicht. Sie ist auch aus keinem rechtlichen Grund herzuleiten. Aber die Versicherungen versuchen es immer wieder. Es ist schon bemerkenswert, mit welchen Tricksereien die Versicherer doch arbeiten? Den Rechtsstreit vor dem LG Karlsruhe wird die Versicherung jedoch – zu Recht – verlieren. Die Berufung ist abzuweisen. Darauf hat die Berufungskammer mit klaren und deutlichen Worten hingewiesen. Lest selbst den Hinweis der Kammer, mit dem sie darauf hinweist, dass sie beabsichtigt, die Berufung einstimmig zurückzuweisen. Gebt dann anschließend bitte Eure sachlichen Kommentare ab.   

Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Willi Wacker

Aktenzeichen:
20 S 118/15
2 C 121/15 AG Pforzheim

Landgericht Karlsruhe

Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO

In dem Rechtsstreit

Klägerin und Berufungsbeklagte

gegen

Beklagte und Berufungsklägerin

wegen Schadensersatzes

erteilt das Landgericht Karlsruhe – Zivilkammer XX – durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. B. , die Richterin am Landgericht M. und den Richter am Amtsgericht Dr. Q. am 15.02.2016 folgenden Hinweis:

Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Pforzheim vom 06.05.2015, Az. 2 C 121/15, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Auch die weiteren Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 ZPO liegen vor.

I.

Die Parteien streiten im Rahmen des Schadensersatzes nach einem Verkehrsunfall um die Bemessung des Restwerts.

Die Klägerin ist bundesweit im Fahrzeugleasing tätig. Am 06.10.2014 erlitt eines ihrer Fahrzeuge bei einem Verkehrsunfall einen Totalschaden. Die Einstandspflicht des Beklagten als Haftpflichtversicherer des unfallgegnerischen Fahrzeugs steht dem Grunde nach außer Streit. Die Klägerin holte ein Sachverständigengutachten ein, das unter dem 10.10.2014 erstellt wurde und den Restwert aufgrund dreier eingeholter regionaler Angebote mit 1.722, 69 € netto bemaß. Am 13.10.2014 veräußerte die Klägerin das Unfallfahrzeug für 1.764,70 €. Unter dem 29.10.2014 legte die Beklagte ein Restwertangebot über 4.243,7O € vor und regulierte den Schaden auf dieser Grundlage. Die Differenz zwischen den Restwerten von 2.479,– ist Gegenstand der Klage.

Das Amtsgericht hat der Klage wegen der Hauptforderung nebst Zinsen und Anwaltskosten stattgegeben (die geringere Teil-Abweisung wegen weitergehender Anwaltskosten ist in der Berufungsinstanz ohne Bedeutung). Die Frage, ob der Geschädigte verpflichtet sei, vor der Veräußerung seines Fahrzeugs die gegnerische Versicherung zu informieren und ihr Gelegenheit zur Einholung höherer Restwertangebote zu geben, sei umstritten, im Ergebnis aber zu verneinen.

Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts treffe den Geschädigten vor der Veräußerung eine Informations- und Wartepflicht gegenüber dem gegnerischen Haftpflichtversicherer. Keinesfalls dürfe er diesen vor vollendete Tatsachen stellen. Das gelte im vorliegenden Fall umso mehr, als die Klägerin als bundesweit tätiges Leasingunternehmen jährlich mit hunderten Verkehrsunfallregulierungen befasst sei.

Die Klägerin beantragt Berufungszurückweisung und verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags das amtsgerichtliche Urteil.

II.

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Das Amtsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben, §§ 7 StVG, 115 VVG, 249 BGB.

Nach ständiger Rechtsprechung leistet der Geschädigte dem Gebot zur Wirtschaftlichkeit im allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 BGB gezogenen Grenzen, wenn er die Veräußerung seines beschädigten Kraftfahrzeugs zu demjenigen Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger als Wert auf dem für ihn zugänglichen allgemeinen Markt ermittelt hat (BGH, NJW 2005, 3134). Dem hat die Klägerin  hier entsprochen. Insbesondere war sie nicht verpflichtet, vor einem Verkauf die Beklagte einzuschalten. In der Rechtsprechung des BGH ist seit langem geklärt, dass derartige Informationspflichten nicht bestehen. Danach muss der Geschädigte den Haftpflichtversicherer nicht über den beabsichtigten Verkauf seines Fahrzeugs informieren und ihm zur Einholung höherer Angebote Gelegenheit geben, weil andernfalls die dem Geschädigten nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen würde, die ihm die Möglichkeit der Schadensbehebung in eigener Regie eröffnet und deshalb auf seine individuelle Situation und die konkreten Gegebenheiten des Schadensfalls abstellt; nur dies entspricht dem gesetzlichen Bild des Schadensersatzes, nach dem der Geschädigte Herr des Restitutions geschehens ist und grundsätzlich selbst bestimmen darf, wie er mit der beschädigten Sache verfährt (BGH, NJW 2011, 667 Rn. 11 f.; BGH, NJW 2005, 3134, 3135; VersR 1993, 769, je mwN.). Die von der Beklagten vorgelegte abweichende Instanzrechtsprechung berücksichtigt diese ständige höchstrichterliche Rechtsprechung nicht und gibt deshalb weder Anlass, von der eindeutigen und zutreffenden Linie des BGH abzurücken, noch über eine Revisionszulassung eine nochmalige Befassung des BGH mit dieser Frage zu eröffnen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich nichts anderes daraus, dass die Klägerin  ein bundesweit tätiges Leasingunternehmen, als solches häufig mit Verkehrsunfallabwicklungen befasst und damit auch mit den Besonderheiten der Veräußerung zum Restwert vertraut ist. Insoweit weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass sie nicht gewerbsmäßig mit der Veräußerung von Unfallfahrzeugen befasst ist. Zudem ändert das nichts daran, dass sie auch in der Vielzahl der Fälle jeweils Herrin des Restitutionsgeschehens ist und bleiben muss; gerade bei einer Mehrzahl betroffener Fahrzeuge besthet für die Klägerin ein umso größeres Bedürfnis nach einem unverzüglichen Verkauf ohne Warte- und damit verbundener Standzeiten. Auswirkungen könnte der Gesichtspunkt der bundesweiten Tätigkeit allenfalls auf die Frage haben, ob möglicherweise an die – vorauszusetzende – korrekte Wertermittlung durch den Sachverständigen andere Anforderungen zu stellen sind, ob er insbesondere über den regionalen Markt hinaus andere Angebote einholen muss. Auch letzteres ist indes zu verneinen. Denn auch bundesweite Tätigkeit der Klägerin ändert nichts daran, dass das jeweilige Unfallfahrzeug ortsgebunden anfällt und sie nicht zur überregionalen Marktforschung und entsprechenden Verkaufsbemühungen verpflichtet ist.

Unabhängig vom Vorstehenden kann der von der Beklagten ermittelte Restwert noch aus einem weiteren Grund keine Berücksichtigung finden. Denn der Klägerin wäre es ohnehin nicht möglich gewesen, auf das von der Beklagten vorgelegte höhere Restwertangebiot einzugehen. Zwar erfüllte es nach dem Beklagtenvortrag grundsätzlich die formalen Anforderungen, die die Rechtsprechung an die Annahmefähigkeit von Restwertangeboten stellt (bindend; kostenlose Abholung; Barzahlung; vgl. dazu BGH, NJW 2010, 2722). Unstreitig standen den Bietern der von der Beklagten eingeholten Restwertangebote jedoch das Schadensgutachten und die Fotos des Unfallfahrzeugs nicht zur Verfügung. Unter diesen Umständen bestand für die Klägerin keine hinreichende Sicherheit, dass etwaige spätere Reklamationen durch den Käufer ausgeschlossen sind.

Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme sowie eventueller Rücknahme der Berufung bis zum 14.03.2016. Es wird daraufhin gewiesen, dass sich die 4,0-Gebühr gemäß Kostenverzeichnis zum GKG Nr. 1220 im Falle der Berufungsrücknahme auf eine 2,0-Gebühr ermäßigt (Kostenverzeichnis Nr. 1222).

.           Dr. B.                                            M.                                         Dr. Q.
Vorsitzender Richter                        Richterin                                      Richter
.  am Landgericht                         am Landgericht                         am Amtsgericht

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2 Antworten zu LG Karlsruhe weist die eintrittspflichtige Versicherung mit Hinweis vom 15.02.2016 – 20 S 118/15 – auf die bestehende Rechtslage hin, wonach der örtliche Markt für Restwertgebote maßgeblich ist und nicht der von der Versicherung gewünschte Internetsondermarkt für Restwerte.

  1. Urteilsbeobachter sagt:

    Schön wäre, wenn die Redaktion noch die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung angeben könnte.

  2. Iven Hanske sagt:

    Auch das AG Urteil wäre nett zu bekommen. Der BGH wird sowieso bald wieder zum Restwert, ähnlich wie hier, entscheiden müssen. Von daher Hut ab, wenn das LG aus Karlsruhe schon mal vorab erklärt, dass diese Trickserei keine Chance hat. Denn wer lange genug sucht, findet schon einen Dummen der aus Paketkäufen einen höheren Restwert behauptet, doch dieses überregionale legitime Geschäft bitte im Nachhinein nicht auf dem Rücken des Geschädigten. Ordentliche Restwertermittlung auf den regionalen Markt vom Gutachter, verkauft danach (ohne Kenntnisstand vom polnisch überbietenden Nachverhandler ohne deutsch Kenntnisse) und die Messen sind gesungen.

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