LG Köln urteilt im Kaskoschadensrecht im Falle einer Fahrzeugteile-Entwendung mit interessantem Urteil vom 22.6.2016 – 20 O 155/15 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,

am heutigen Sonnabend stellen wir Euch hier noch ein interessantes Urteil des LG Köln zu einem Kaskoschaden bei Fahrzeugteileentwendung vor. Dem Geschädigten waren von seinem Fahrzeug Teile entwendet worden, für die die Kaskoversicherung eintreten sollte. Diese wehrte sich. Im Ergebnis allerdings ohne Erfolg. Lest selbst das Urteil des LG Köln und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.

Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Willi Wacker

20 0 155/15                                                                                         Verkündet am 22.06.2016

Landgericht Köln

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

Klägers,

gegen

Beklagte,

hat die 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln
aufgrund mündlicher Verhandlung vom 18.05.2016
durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht M.-H., die Richterin am
Landgericht Dr. N. und die Richterin Dr. R.

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt,

1.  an den Kläger 5.600,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.02.2016 zu zahlen.

2.  an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 571,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.04.2016 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig gegen Sicherheitsleistung von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vollstreckbar.

T a t b e s t a n d :

Der Kläger unterhielt bei der Beklagten für seinen Pkw des Typs BMW Cabriolet, der mit Originalteilen zu einem BMW M3 umgebaut worden war, amtliches Kennzeichen: … , eine Teilkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung von 150 € auf der Grundlage der AKB, Stand Juli 2013, der Beklagten (Bl. 66 ff. d.A.). Er zeigte bei der Polizei in Euskirchen am 15.05.2014 an, dass zwischen dem 14.05.2014, 16.00 Uhr, und dem 15.05.2014, 12.45 Uhr, Teile von seinem Fahrzeug auf einem Stellplatz vor einer Mietwerkstatt entwendet worden seien. In der Schadenanzeige vom 19.09.2014 (Bl. 119 ff. d.A.) nannte er als Schadentag den 15.05.2014, 12.45 Uhr, und fügte hinzu: „Ich stellte das Fahrzeug nachmittags gegen 15-16 Uhr am Parkplatz vor der Hobbywerkstatt an der o.g. Straße ab nachdem ich dort die Bremsbeläge an dem Fahrzeug erneuert habe. Ich wollte am nächsten Tag weitere kleine Reparaturen vornehmen als ich dann den Diebstahl bemerkte“.

Eine vom Kläger bei der … GmbH eingeholte Reparatur-Kalkulation ergab Reparaturkosten von 5.750,60 € netto.

Der Kläger hat in der Klageschrift vorgetragen, er sei am 13.05.2016 nach der Arbeit mit dem Pkw zu der Hobbywerkstatt im … in Weilerswist gefahren, wo er die Bremsen habe machen wollen. Er habe dann festgestellt, dass er falsche Bremsbeläge habe. Darauf habe er sich entschieden, den BMW vor Ort in einer Parktasche vor der Hobbywerkstatt zu lassen, am nächsten Tag die richtigen Bremsbeläge zu besorgen und dann die Arbeiten durchzuführen. Er habe einen Bekannten, den Zeugen … angerufen, der ihn an der Hobbywerkstatt abgeholt habe. Am nächsten Morgen habe er dann die passenden Bremsbeläge besorgt und habe sich wieder vom Zeugen … zur Hobbywerkstatt fahren lassen, wo er habe feststellen müssen, dass die Stoßstangen vorne und hinten, die Seitenschweller links und rechts sowie die Türleisten entwendet worden waren. Ferner seien Kabel abgetrennt worden und seien Kratzer an der Karosserie vorhanden gewesen, die von der Demontage der Teile herrührten.

Der Kläger beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet den Versicherungsfall und hält dessen Vortäuschung für wahrscheinlich. Sie macht in diesem Zusammenhang geltend, dass bereits der Schadentag unklar sei, den der Kläger unterschiedlich benannt habe. Zudem sei die Entwendung vom am Fahrzeug verbauten Teilen, die allerdings leicht absetzbar seien, ungewöhnlich. Der Schaden werde fiktiv abgerechnet. Das Fahrzeug sei nur kurze Zeit bei ihr, Beklagte, versichert gewesen, was für vorgetäuschte Schadenfälle typisch sei. In der Schadenanzeige habe der Kläger im Widerspruch zum nunmehrigen Vortrag angegeben, die Bremsbeläge bereits ausgetauscht zu haben. Auffallend sei auch, dass der Kläger 2011 die eidesstattliche Versicherung abgegeben habe und das Fahrzeug beim Voreigentümer, dem Zeugen … schon einmal einen ähnlichen Schaden erlitten habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen die Protokolle der Sitzungen sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung von Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der Sitzungen vom 24.02.2016 und 18.05.2016 verwiesen. Die Akte 226 UJs …/14. der StA Bonn, war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Klage ist begründet.

Die Beklagte schuldet dem Kläger wegen dem von diesem bewiesenen Versicherungsfall nach § 1 VVG, A.2.2, A.2.7 AKB die der Höhe nach unstreitigen, sachverständig ermittelten Reparaturkosten für die infolge der Teileentwendung an seinem Fahrzeug entstandenen Schäden.

Der Kläger hat den Versicherungsfall „Teileentwendung“ zur hinreichend sicheren Überzeugung der Kammer – § 286 ZPO – nachgewiesen.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach ständiger Rechtsprechung des BGH und des OLG Köln dem Versicherungsnehmer bei einem behaupteten Fahrzeug-(Teile-)-Diebstahl Beweiserleichterungen zugutekommen. Er genügt seiner Beweislast, wenn er das so genannte äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung darlegt und beweist, also ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen (st. Rspr.; vgl. BGH VersR 2002, 431; BGH VersR 1996, 319, jeweils m.w.N.; OLG Köln VersR 2013, 1576). Der Mindestsachverhalt des äußeren Bildes eines Entwendungsgeschehens, dass nämlich das versicherte Fahrzeug zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort (unbeschädigt) abgestellt und später dort nicht mehr aufgefunden wurde (vgl. BGH a.a.O.) bzw. Teile entwendet worden wurden, ist allerdings durch Vollbeweis zu erbringen. Ist ein Zeuge vorhanden, so kann der Beweis für das äußere Bild durch diesen geführt werden. Kann der Versicherungsnehmer den Nachweis des äußeren Bildes nicht durch Zeugen erbringen, so kann der Nachweis durch die eigenen Angaben des nach § 141 ZPO anzuhörenden Versicherungsnehmers erbracht werden (BGH, NJW-RR 1991, 983; NJW-RR 1992, 853; OLG Köln r+s 2000, 320; OLG Köln NJOZ2003, 1143). Die Anhörung des Versicherungsnehmers setzt allerdings voraus, dass dieser uneingeschränkt glaubwürdig ist.

Andererseits muss auch der Versicherer gegen Missbrauch des Versicherungsnehmers geschützt werden. Gelingt dem Versicherungsnehmer auf der ersten Stufe der Nachweis eines äußeren Geschehensablaufs für einen Diebstahl, kommen dem Versicherer auf der 2. Stufe Beweiserleichterungen dergestalt zugute, dass er Tatsachen darlegen und beweisen muss, die eine Vortäuschung des Versicherungsfalls mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nahe legen.

Zu berücksichtigen ist im Rahmen des Nachweises des äußeren Bildes, dass die Angaben eines Zeugen/einer Partei zum äußeren Bild eines Fahrzeugdiebstahls grundsätzlich nur die Wiedergabe eines einfachen, nicht komplexen Sachverhalts erfordern. Treten bei Angaben zu einer sehr überschaubaren Sachlage aber Widersprüche auf, ohne dass diese durch Erinnerungsschwächen zu erklären wären, sind diese in besonderem Maße zu gewichten (OLG Köln VersR 2013, 1576).

In Bezug auf den letzteren Punkt hat die Kammer berücksichtigt, dass die Angaben zum äußeren Geschehen in der Klageschrift durchaus von den Angaben des Klägers bei seiner Anhörung und denen des Zeugen … bei seiner Vernehmung abweichen. Dies betrifft nicht nur das Datum des Abstellens des Fahrzeuges, sondern auch die Frage, ob der Kläger gemeinsam mit dem Zeugen zu der Hobbywerkstatt gefahren ist oder ob dieser ihn erst später auf seinen Anruf hin dort abgeholt hat und auch den Vortrag dazu, ob der Kläger nach seiner Arbeit zur Werkstatt gefahren ist oder sich von dort aus vom Zeugen … zur Arbeit hat bringen lassen. Eine Erklärung dazu, wie es zu dem abweichenden Vortrag in der Klageschrift gekommen ist, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht gefunden. Der Kläger selbst hat sich dahingehend geäußert, dass das alles immer hin und her gegangen sei und er diesen Details keine besondere Bedeutung beigemessen habe, auch nicht beim Ausfüllen der der Beklagten übersandten Schadenanzeige. Letzteres hat die Kammer dem Kläger aufgrund des von ihm hinterlassenen persönlichen Eindrucks geglaubt. Es war wohl so, dass diesem die Tatsache der Teileentwendung entscheidend war, er aber nicht die Relevanz der Begleitumstände für eine Regulierungsentscheidung des Versicherers erkannt hat.

Überzeugt hat schließlich das Gericht die Aussage des Zeugen … , der im Einzelnen glaubhaft und glaubwürdig geschildert hat,

–    dass er zusammen mit dem Kläger zu der Werkstatt gefahren ist,
–    wo dieser Arbeiten an seinem Fahrzeug vorgenommen hat, mit denen er nicht fertig geworden ist,
–    weshalb er den Pkw vor der Werkstatt geparkt habe,
–    dass er diesen dann zu seiner Arbeitsstelle gefahren habe,
–    und am nächsten Tag wieder zu dem Fahrzeug gefahren habe,
–    wo man dann das Fehlen der Teile an dem zuvor unbeschädigten Pkw festgestellt habe.

Bestätigt wurde diese Aussage in weiten Teilen durch den Zeugen … , der über die Anwesenheit des Klägers in seiner Hobbywerkstatt bekundet hat, ferner angegeben hat, dass der Kläger jemanden dabei gehabt hätte und dass der Kläger erklärt habe, er komme am nächsten Tag noch einmal vorbei, um an dem Auto weiterzuarbeiten. Er hat auch bestätigt, dass am nächsten Tag die Stoßstangen gefehlt haben.

Die Zeugen … und … haben ausgesagt, dass sie das Fahrzeug des Klägers zu einem nicht näher eingrenzbaren Zeitpunkt in dem Zustand wie auf Foto Blatt 101 d.A. abgebildet gesehen haben. Der Zeuge … wiederum hat ausgesagt, dass dies auch am Vortag der Entdeckung des Teilediebstahls der Fall gewesen sei.

Aufgrund der Zeugenaussagen sieht die Kammer die Teileentwendung als bewiesen
an.

Eine erhebliche Wahrscheinlichkeit des Vortäuschens der Tat ist demgegenüber von der Beklagten nicht aufgezeigt worden.

Die Tatsache, dass der Kläger den Schaden fiktiv abrechnet, genügt dafür ebenso wenig wie die Angabe in der Schadenanzeige, er habe die Bremsbeläge bereits ausgetauscht gehabt. Die Schadenanzeige ist mehr als 4 Monate nach dem Schadenereignis ausgefüllt worden, weshalb der Kläger sich möglicherweise an dieses Detail nicht erinnert hat, zumal er dem Randgeschehen – wie oben ausgeführt worden ist – keine Relevanz beigemessen hat.

Die Beklagte schuldet daher dem Kläger unter Berücksichtigung der vereinbarten Selbstbeteiligung die Reparaturkosten in Höhe von 5.600,60 € netto, die wie tenoriert verzugsbedingt zu verzinsen sind.

Aus dem Gesichtspunkt des Verzuges ist die Beklagte auch zur Zahlung der vorprozessual angefallenen Rechtsanwaltskosten verpflichtet.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 709 ZPO. Der Streitwert wird auf 5.600,60 E.UR festgesetzt.

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