Mit Urteil vom 18.11.2009 (9 S 184/09) hat das LG Köln die Berufung der beteiligten Versicherung gegen das Urteil des AG Bergisch-Gladbach vom 17.07.2009 (67 C 17/09), mit der diese zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 635,62 € zzgl. Zinsen verurteilt wurde, kostenpflichtig zurück gewiesen. Auch in Kenntnis der anderslautenden Rechtsprechung des OLG Köln wendet das LG Köln die Schwacke-Liste an und lehnt die Anwendung der Fraunhofer Tabelle aus den – bekannten – Gründen ab.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat der Klage zu Recht ganz überwiegend stattgegeben.
Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Mietwagenkosten aus abgetretenem Recht in Höhe von 635,62 € gemäß §§ 7, 17 StVG, § 3 PflVG a.F. bzw. § 115 VVG n.F., §§ 249 ff. BGB, § 287 ZPO i.V.m. §§ 535 Abs. 2, 398 BGB zu.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (z.B. NZV 2006, 463, 464) kann der Geschädigte vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei ebenso wie bei anderen Kosten der Wiederherstellung und wie in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst vornimmt, nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen.
Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen kann. Ausgangspunkt für die Betrachtung bildet der am Markt übliche Normaltarif. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es zulässig, zu dessen Bestimmung in Ausübung tatrichterlichen Ermessens gemäß § 287 ZPO auf das sog. gewichtete Mittel (jetzt Modus) des „Schwacke-Automietpreis-Spiegels“ im Postleitzahlengebiet des Geschädigten zurückzugreifen (BGH, NZV 2006, 463 f.; BGH NJW 2008, 1519 f.; BGH, Beschl. v. 13.01.2009 – VI ZR 134/08 – zit. nach juris, Rn. 5; OLG Köln, NZV 2007, 199 f.; OLG Köln, Urt. v. 03.03.2009 – 24 U 6/08 – zit. nach juris, Rn. 5 f.; LG Bonn, NZV 2007, 362 f.; LG Köln, Urt. v. 19.11.2008 – 9 S 171/08). Bei einer mehrtägigen Vermietung sind die entsprechenden Pauschalen heranzuziehen.
Als Schätzungsgrundlage kann hier der Schwacke-Automietpreisspiegel für dasJahr 2006 herange-zogen werden. Bedenken gegen die Richtigkeit dieser Schwacke-Liste bestehen seitens der Kammer nicht. Soweit die Beklagte die Schwacke-Liste für nicht anwendbar hält und meint, dass bei der Erhebung der Daten gravierende Mängel vorgelegen hätten, können sie hiermit nicht durchdringen. Zu berücksichtigen ist insoweit zunächst, dass die Schadensschätzung im Rahmen von § 287 ZPO dem Tatrichter ein besonders freies Ermessen einräumt (vgl. BGH, NJW 2008, 2910), wodurch auch dem Gesichtspunkt der Praktikabilität Rechnung getragen werden soll. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2008, 1519), der die Kammer in ständiger Rechtsprechung folgt, bedarf die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können (speziell der Schwacke-Liste), nämlich nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass sich geltend gemachte Mängel auf den zu entscheidenden Fall ausgewirkt haben. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Dass die Erhebung des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation mit dem Titel „Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008“ zu anderen Ergebnissen gelangt und ihr deswegen der Vorzug zu geben sei, genügt aus Sicht der Kammer in Kenntnis entgegengesetzter obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. OLG Köln, Urt. v. 10.10.2008 – 6 U 115/08 und Urt. v. 21.08.2009 – 6 U 6/09; OLG München, Urt. v. 25.07.2008 – 10 U 2539/08; OLG Thüringen, Urt. v. 27.11.2008 – 1 U 555/07; anders aber OLG Köln, Urt. v. 03.03.2009 – 24 U 6/08) allein nicht, um durchgreifende Zweifel an der Nutzbarkeit der Schwacke-Liste zu begründen. Die Kammer vermag – wie auch schon das Amtsgericht – keine derart überlegene Methodik der Fraunhofer-Erhebung festzustellen, welche zugleich die Annahme einer mangelhaften Erhebung für den Schwacke-Mietpreisspiegel rechtfertigen könnte. Zwar wurde im Rahmen der FraunhoferErhebung – anders als bei der Schwacke-Umfrage – eine anonymisierte Befragung von Mietwagenunternehmen durchgeführt. Das Amtsgericht geht aber zu Recht davon aus, dass es an konkretem Vortrag der Beklagten zu der von ihr allgemein geäußerten Vermutung fehlt, die im Rahmen der Schwacke-Erhebung befragten Autovermieter hätten bewusst ihre Preise „nach oben korrigiert“. Der Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens ersetzt entsprechenden Sachvortrag nicht. Im Übrigen ist die Zugrundelegung des Schwacke-Mietpreisspiegels für das Jahr 2006 zwischenzeitlich ausdrücklich durch den BGH gebilligt worden (vgl. BGH, Beschl. v. 13.01.2009 – VI ZR 134/08 – zit. nach juris, Rn. 5). Umgekehrt erscheint aus Sicht der Kammer die Wiedergabe von Preisen mit einer Vorbuchungsfrist von einer Woche durch das Fraunhofer Institut kaum geeignet, das typische Anmietungsszenario nach einer Unfallsituation widerzuspiegeln. Auch war die Datenerfassung auf die Situationen beschränkt, in denen ein Mietwagen per Telefon oder über das Internet gebucht wird. Zudem wird in der Fraunhofer-Erhebung lediglich der Marktpreis für ein großflächigeres Gebiet mit zwei Postleitzahlen angegeben. Die Schwacke-Liste erscheint aufgrund der engmaschigeren Einteilung und der damit einhergehenden Differenzierung zwischen großstädtischen und ländlicheren Gebieten eher geeignet, den Normaltarif für den „örtlich“ relevanten Markt abzubilden (so auch OLG Köln, Urt. v. 03.03.2009 – 24 U 6/08 – zit. nach juris). Die dagegen mit der Berufungsbegründung vorgetragenen Argumente unter Wiedergabe der Ausführungen des Oberlandesgerichts Hamburg überzeugen die Kammer nicht. So können nach Auffassung der Kammer Internettarife – auch wenn derartige Buchungen selbstverständlich zunehmen – nicht als allgemein verbindlich angesehen werden, vielmehr handelt es sich weiterhin um einen „Sondermarkt“.
Die Beklagte kann im Ergebnis auch nicht mit dem Einwand durchdringen, dass die Schwacke-Liste des Jahres 2006 nicht die geeignete Schätzungsgrundlage sei, weil sich der Unfall erst im Jahre 2008 ereignet habe. Der Kläger hat mit der Berufungserwiderung die Schwacke-Liste 2008 vorgelegt, bei deren Zugrundelegung sich ihr Anspruch sogar – wenn auch geringfügig – erhöhen würde.
Auch der Einwand der Beklagten, das Amtsgericht habe zu Unrecht einen Preisaufschlag in Höhe von 20% vorgenommen, trägt nicht. Ein Geschädigter verstößt noch nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, weil er ein Kraftfahrzeug zum Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber einem „Normaltarif“ teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen u.ä.) einen gegenüber dem „Normaltarif“ höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (z.B. BGH, NJW 2005, 51; BGH, NJW 2005, 1933; BGH, NJW 2006, 2621, 2622). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei der Beurteilung der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots bei Inanspruchnahme des Unfall-ersatztarifs eine generelle Betrachtung geboten und nicht auf den konkreten Einzelfall abzustellen.
Dass danach aufgrund der Besonderheiten der Unfallsituation in der Regel ein höherer Mietwagenpreis als der Normaltarif zur Schadensbeseitigung i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlich ist, steht nicht mehr grundsätzlich in Streit (OLG Köln, NZV 2007, 199, 200; OLG Köln, Urt. v. 21.08.2009 – 6 U 6/09 – zit. nach juris, Rn. 21; LG Bonn, NZV 2007, 362, 363). Diese betriebswirtschaftlich gerechtfertigte Erhöhung kann in Form eines pauschalen Aufschlags auf den Normaltarif erfolgen, dessen Höhe wiederum der bei der Schadensabrechnung besonders freigestellte Tatrichter gemäß § 287 ZPO schätzen kann (z.B. BGH, NZV 2006, 526).
Die Kammer folgt der im Vordringen befindlichen Ansicht, dass ein pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif gerechtfertigt sei, um die Besonderheiten der Kosten und Risiken des Unfallersatzfahrzeuggeschäfts im Vergleich zum Normalgeschäft angemessen zu berücksichtigen (z.B. OLG Köln, NZV 2007, 199, 201; LG Bonn, NZV 2007, 362, 363). Die Kammer veranschlagt diesen Aufschlag mit 20 % (ebenso z.B. OLG Köln, NZV 2007, 199, 201; OLG Köln, Urt. v. 21.08.2009 – 6 U 6/09 – zit. nach juris, Rn. 21; LG Hof, NJOZ 2008, 2806, 2809; LG Dortmund, Urt. v. 29.05.2008, 4 S 169/07; ähnlich LG Bonn, NZV 2007, 362, 363: 25 %).
…
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Zulassung der Revision ist auch nicht i.S.d. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, da nicht über streitige oder zweifelhafte Rechtsfragen zu entscheiden war.
Soweit das LG Köln.