Sehr geehrte Captain-HUK-Leser,
nachfolgend gebe ich Euch noch ein weiteres Mietwagenurteil mit umfangreicher Begründung zum Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) bekannt. Die Berufungskammer wendet zu Recht auch die Schwacke-Liste an. Die pauschalen Einwände der beklagten Kfz-Versicherung sind nicht geeignet, das schlüssige Vorbringen der Klägerin zu Fall zu bringen, da das pauschale Bestreiten nicht erheblich ist. Bekanntlich hatte der BGH die Schwacke-Liste als geeignete Schätzgrundlage gem. § 287 ZPO bestätigt. Ein erneuter Versuch der Versicherungswirtschaft, gegen Schwacke anzurennen, ist damit gescheitert. Lest aber selbst.
Viele Grüße Euer Willi Wacker
9 S 334/10 Verkündet am 04.05.2011
11 C 177/10
Amtsgericht Gummersbach
Landgericht Köln
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Gummersbach vom 22.10.2010 – 11 C 177/10 – aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 626,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.02.2010 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 92 % und die Klägerin zu 8%.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e :
I.
Die Klägerin betreibt ein Mietwagenunternehmen. Mit der Klage macht sie restliche Mietwagenkosten aus abgetretenem Recht gegen die Beklagte als eintrittspflichtige Haftpflichtversicherung aus einem Verkehrsunfall geltend.
Die volle Haftung der Beklagten auf Grund des Verkehrsunfalls am 14.01.2010 in Wiehl, bei dem das Fahrzeug des Zeugen T. beschädigt wurde, ist dem Grunde nach unstreitig. Der Zeuge T. mietete bei der Klägerin noch am Unfalltag einen Ersatzwagen, den er am 22.01.2010 zurückgab. Der Zeuge T. nahm eine Vollkaskoversicherung in Anspruch. Das Fahrzeug war mit Winterreifen ausgestattet.
Zum Mietbeginn trat der Zeuge T. seinen Schadensersatzanspruch aus dem Verkehrsunfall vom 14.01.2010 in Höhe der vertraglich vereinbarten Mietwagenkosten durch schriftliche Erklärung erfüllungshalber an die Klägerin ab. Die Abtretungserklärung lautete wie folgt: „Aus diesem Verkehrsunfall steht mir gegen den o.g. Schädiger sowie dessen Haftpflichtversicherer ein Anspruch auf Schadensersatz zu. Ich weise den leistungsverpflichteten Versicherer unwiderruflich an, unter Anrechnung auf meine Ansprüche auf Ersatz der Mietwagenkosten direkt an den Vermieter zu zahlen. Gleichzeitig trete ich meinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Mietwagenkosten gegen das leistungsverpflichtete Versicherungsunternehmen und seine versicherten Personen an den Vermieter ab. […..] Meine persönliche Haftung für die Mietwagenkosten bleibt durch diese Abtretung unberührt. Soweit der Versicherer bzw. die versicherte Person nicht oder nicht voll zahlen, verpflichte ich mich, den offenstehenden Teil der Mietwagenkosten dem Vermieter unmittelbar zu bezahlen.“
Die Mietwagenkosten rechnete die Klägerin gegenüber der Beklagten ab; die Beklagte zahlte vorgerichtlich 894,88 Euro. Der Zeuge T. wurde zu keinem Zeitpunkt von der Klägerin in Anspruch genommen.
Auf der Grundlage der in der Klageschrift vorgenommenen Berechnung verlangt die Klägerin von der Beklagten einen weiteren Betrag von 680,35 Euro.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die in Rede stehende Abtretung sei wirksam. Die von ihr aufgrund der sog. Schwacke-Liste berechneten Mietwagenkosten seien gemäß § 249 Abs. 2 BGB erforderlich gewesen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Abtretung sei unwirksam, weil diese der Klägerin eine nach § 3 RDG unzulässige Rechtsdienstleistung ermögliche. Hilfsweise hat sie den tatsächlichen Anfall der Kosten und deren Erforderlichkeit bestritten.
Im Übrigen wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Als Begründung hat es angeführt, dass die Klägerin aufgrund der Abtretung vom 14.01.2010 nicht berechtigt sei, die restlichen Mietwagenkosten geltend zu machen, weil die Abtretung gemäß § 134 BGB wegen eines Verstoßes gegen § 3 RDG unwirksam sei. Eine solche Abtretung sei dann unwirksam, wenn mit ihr nach den gesamten rechtlichen und wirtschaftlichen Umständen die geschäftsmäßige Durchsetzung des Anspruchs ermöglicht, d.h. nicht nur eine Sicherung verwirklicht, sondern dem Geschädigten die Verfolgung und Durchsetzung seines Anspruchs abgenommen werden soll. Umstände in diesem Sinne seien vorliegend gegeben. Schon der Wortlaut der Abtretung lasse nicht hinreichend eine bloße Sicherung eigener Ansprüche der Klägerin erkennen. Ermöglicht werde vielmehr eine umfassende Abwicklung der Angelegenheit, einschließlich einer geschäftsmäßigen Besorgung der Rechtsangelegenheit. Das weitere Vorgehen der Klägerin bestätige dies. So habe die Klägerin den Unfallgeschädigten nicht zur Zahlung aufgefordert und sich auch gegenüber der Beklagten nicht auf die bloße Geltendmachung eines abgetretenen Anspruchs beschränkt, sondern die grundsätzlich dem Geschädigten selbst obliegende Schadensabwicklung auch in rechtsdienstleistender Weise übernommen. Dies belege ein Schreiben vom 11.02.2010. Gerade die Befassung mit den äußerst problembehafteten Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Höhe der Mietwagenkosten zeige – im vorliegenden Fall wie in gerichtsbekannten Parallelsachen – die geschäftsmäßige und damit unzulässige Rechtsdienstleistung der Klägerin. Auch bestehe kein praktisches Bedürfnis an einer gewissen Mitwirkung des Mietwagenunternehmens bei der gerichtlichen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, vielmehr sei es ausreichend, dass ein Mietwagenunternehmen die ersatzpflichtige Haftpflichtversicherung vorgerichtlich zur Zahlung auffordern könne.
Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren 12 auf Zahlung des oben genannten Betrages weiter. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass die streitgegenständliche Abtretung wirksam und die geltend gemachten Mietwagenkosten erforderlich seien.
Mit ihrer Berufung beantragt die Klägerin,
unter Abänderung des am 22.10.2010 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Gummersbach – 11 C 177/10 – die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 680,35 Euro nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 26.02.2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts. Zudem vertritt sie die Auffassung, dass die sog. Schwacke-Liste nicht als Schätzungsgrundlage für die Höhe der angemessenen Mietwagenkosten herangezogen werden könne.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin hat auch in der Sache teilweise Erfolg. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Zahlungsanspruch in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 VVG i.V.m. §§ 398 ff. BGB zu.
1. Die Abtretung ist nicht wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz unwirksam. Nach § 5 Abs. 1 S. 1 RDG sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Liegt in der Ausübung der Rechtsdienstleistung eine solche Nebentätigkeit, kommt es für die Frage der Rechtmäßigkeit der Abtretung und Einziehung von Kundenforderungen nicht mehr auf die nach altem Recht durchzuführende Abgrenzung zwischen der Wahrnehmung einer eigenen und der Wahrnehmung einer fremden Angelegenheit an. Die klageweise Geltendmachung von Schadensersatzforderungen des Kunden, die auf die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs infolge eines Verkehrsunfalls zurückzuführen sind, stellt für die Klägerin eine Nebenleistung zur Ausübung ihrer Hauptleistung – der Vermietung von Kraftfahrzeugen – dar.
Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte durch die Neufassung des Rechtsdienstleistungsgesetzes die Berechtigung zur Einziehung von Kundenforderungen nicht mehr vom Eintritt des Sicherungsfalls abhängig sein. Der Unternehmer kann vielmehr seine Leistung sogleich direkt gegenüber dem wirtschaftlich Einstandspflichtigen geltend machen und braucht seine Kunden nicht in Anspruch zu nehmen. Dem Gesetzgeber standen dabei auch ganz konkret die Fälle der Mietwagenunternehmen vor Augen. So heißt es in BR-Drs. 623/06, S. 96 f. 110 f.:
„Soweit Kfz-Werkstätten, Mietwagenunternehmen oder Sachverständige Hinweise zur Erstattung sonstiger, nicht im Zusammenhang mit ihrer eigentlichen Leistung stehende Schäden, insbesondere zu Personenschäden und Schmerzensgeldansprüchen geben, handelt es sich entweder um allgemein gehaltene Ratschläge, die – wie etwa der Hinweis auf die allgemeine Schadenpauschale – nicht als Rechtsdienstleistung anzusehen sind, oder – soweit etwa Schmerzensgeldansprüche konkret beziffert oder geltend gemacht werden – um eindeutige Rechtsdienstleistungen, die mangels Zusammenhangs mit der eigentlichen Tätigkeit der Genannten, aber auch aufgrund der besonderen Bedeutung für den Geschädigten generell auch nicht als Nebenleistung zulässig sein werden.
Soweit ein Kfz-Reparaturbetrieb, ein Mietwagenunternehmen oder ein Kraftfahrzeugsachverständiger dem Unfallgeschädigten dagegen Hinweise zur Erstattungsfähigkeit der durch seine Beauftragung entstandenen Kosten erteilen, handelt es sich um eine nach § 249 BGB zu beurteilende rechtliche Frage, deren Beantwortung – jedenfalls in den Fällen, in denen hierüber Streit entstehen kann – regelmäßig eine besondere rechtliche Prüfung im Sinn des § 2 Abs. 1 erfordert. In diesen Fällen wird aber die rechtliche Beratung des Unfallgeschädigten zur vollständigen Erfüllung der vertraglichen Hinweis- und Aufklärungspflichten des Unternehmers gehören und damit nach geltendem Recht wie auch künftig nach § 5 Abs. 1 zulässig sein (vgl. – auch zur Zulässigkeit des Forderungseinzugs in diesen Fällen – Begründung zu § 5 Absatz 1).
(…)
Zu den vertraglich vereinbarten Rechtsdienstleistungen, die (noch) nicht typischerweise zum jeweiligen Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören, kann etwa die Einziehung von Kundenforderungen zählen, die einem Unternehmer, Arzt oder einer Werkstatt erfüllungshalber abgetreten wurden. Diese Forderungseinziehung, bei der die Rechtsdienstleistung – die Einziehung der eigenen Vergütungsansprüche gegenüber einem Dritten – besonders eng mit der eigentlichen, den Vergütungsanspruch auslösenden Haupttätigkeit verbunden ist, soll künftig auch dann grundsätzlich erlaubt sein, wenn sie eine besondere rechtliche Prüfung erfordert (zur Erlaubnisfreiheit des schlichten Forderungseinzugs ohne rechtliche Prüfung in diesen Fällen vgl. Begründung zu § 2 Absatz 2). Weitere Anwendungsfälle der als Nebenleistung zulässigen Inkassotätigkeit finden sich auch im Bereich der Unfallschadenregulierung etwa bei der Geltendmachung von Sachverständigen-, Mietwagen- oder Reparaturkosten (vgl. dazu auch Begründung zu § 2 Absatz 1). Hierbei entsteht häufig Streit etwa über die von einer Werkstatt in Rechnung gestellten Reparaturkosten oder über die Höhe der Mietwagenrechnung, insbesondere bei Zugrundelegung eines so genannten Unfallersatztarifs. Gerade die im Streitfall erforderliche Rechtfertigung der eigenen Leistung oder Abrechnung durch den Unternehmer belegt die in § 5 Abs. 1 geforderte Zugehörigkeit zu dessen eigentlicher Hauptleistung. Soweit die Rechtsprechung unter Geltung des Artikel 1 § 5 RBerG bis heute ganz überwiegend daran festhält, dass die Einziehung abgetretener Kundenforderungen durch den gewerblichen Unternehmer nur dann zulässig ist, wenn es diesem wesentlich darum geht, die ihm durch die Abtretung eingeräumte Sicherheit zu verwirklichen (vgl. zuletzt BGH, VI ZR 268/04 v. 15.11.2005, VersR 2006, 283; BGH, VI ZR 251/04 v. 20.9.2005, NJW 2005, 3570; BGH, VI ZR 173/04 v. 5.7.2004, NJW-RR 2005, 1371; BGH, VI ZR 300/03 v. 26.10.2004, NJW 2005, 135), soll dies künftig nicht mehr gelten.“
Danach ergibt sich aus Sicht der Kammer im vorliegenden Fall kein Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz. Unabhängig davon, dass die Klägerin wiederholt und in einer Vielzahl von Fällen bei ihr angefallene Mietwagenkosten nach Verkehrsunfall anstelle des Unfallgeschädigten aufgrund einer entsprechenden Abtretung gegenüber der ersatzpflichtigen Versicherung geltend macht, handelt es sich dabei nicht um ihre Haupttätigkeit. Ihre Haupttätigkeit ist nach Ansicht der Kammer ausschließlich in der Vermietung von Fahrzeugen zu sehen; erst nachdem eine solche Vermietung stattgefunden hat, können die dafür angefallenen Kosten in Rechnung gestellt werden. Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, bei der (gerichtlichen) Geltendmachung der Ansprüche handele es sich um eine Tätigkeit im gewerblichen Ausmaß, hat dies nach Auffassung der Kammer keinen Einfluss auf die Frage, ob eine Tätigkeit Neben- oder Haupttätigkeit ist. Im Übrigen ist zu beachten, dass die Klägerin sich lediglich in Bezug auf die Mietwagenkosten – also ihr Hauptgeschäft – die Forderungen des Unfallgeschädigten abtreten lässt. Keinesfalls nimmt sie eine umfassende Beratung des Unfallgeschädigten vor oder setzt an dessen Stelle dessen sämtliche Ansprüche aufgrund des Verkehrsunfalls durch. Schließlich ist zu beachten, dass der Gesetzgeber die Geltendmachung von Mietwagenkosten durch den Mietwagenunternehmer aufgrund abgetretener Forderung bei der Schaffung des § 5 RDG konkret bedacht hat und diese Tätigkeit ausdrücklich als eine Rechtsdienstleistung angesehen hat, die (noch) nicht typischerweise zum jeweiligen Berufs- und Tätigkeitsbild gehört. Auch standen ihm dabei – wie aus der zitierten BR-Drucksache folgt – gerade die rechtlich nicht unproblematischen Konstellationen der Geltendmachung von Unfallersatztarifen im Mietwagengeschäft vor Augen. Es lässt sich demzufolge nach Ansicht der Kammer nicht dahingehend argumentieren, gerade wegen der Schwierigkeiten der Mietwagenabrechnungen könne dieser Komplex nicht mehr als Nebenleistung im Sinne des § 5 Abs. 1 RDG angesehen werden (so Landgericht Stuttgart, Urteil vom 08.12.2010 – 4 S 154/10). Vielmehr wurde die Vorschrift in Kenntnis der Probleme gerade auch für die Fälle der Mietwagenunternehmer geschaffen. Ob und in welcher Komplexität letztlich dann Rechtsprobleme im Einzelfall auftreten, ist ohne Belang, da es bei der Auslegung des § 5 RDG auf eine generalisierende Betrachtungsweise ankommt.
2. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch steht der Klägerin auch in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe zu.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (z.B. NZV 2006, 463, 464) kann der Geschädigte vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei ebenso wie bei anderen Kosten der Wiederherstellung und wie in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst vornimmt, nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen kann. Ausgangspunkt für die Betrachtung bildet der am Markt übliche Normaltarif. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es zulässig, zu dessen Bestimmung in Ausübung tatrichterlichen Ermessens gemäß § 287 ZPO auf das sog. gewichtete Mittel (jetzt Modus) des „Schwacke-Automietpreisspiegels“ im Postleitzahlengebiet des Geschädigten zurückzugreifen (BGH, Urt. V. 22.02.2011 – VI ZR 353/09, zitiert nach juris; BGH, NZV 2006, 463 f.; BGH NZV 2008, 1519 f.; BGH, Beschl. v. 13.01.2009 – VI ZR 134/08 – zit. nach juris, Rn. 5; OLG Köln, NZV 2007, 199 f.; OLG Köln, Urt. v. 03.03.2009 – 24 U 6/08 – zit. nach juris, Rn. 5 f.; LG Bonn, NZV 2007, 362 f.; LG Köln, Urt. v. 19.11.2008 – 9 S 171/08). Bei einer mehrtägigen Vermietung sind die entsprechenden Pauschalen heranzuziehen.
Als Schätzungsgrundlage kann hier der Schwacke-Automietpreisspiegel für das Jahr 2010 herangezogen werden. Bedenken gegen die Richtigkeit dieser Schwacke-Liste bestehen seitens der Kammer nicht. Soweit die Beklagte die Schwacke-Liste für nicht anwendbar hält und meint, dass bei der Erhebung der Daten gravierende Mängel vorgelegen hätten, kann sie hiermit nicht durchdringen. Zu berücksichtigen ist insoweit zunächst, dass die Schadensschätzung im Rahmen von § 287 ZPO dem Tatrichter ein besonders freies Ermessen einräumt (vgl. BGH, NJW 2008, 2910), wodurch auch dem Gesichtspunkt der Praktikabilität Rechnung getragen werden soll. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 22.02.2011 – VI ZR 353/09, zitiert nach juris m.w.N.), der die Kammer in ständiger Rechtsprechung folgt, bedarf die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können (speziell der Schwacke-Liste), nämlich nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass sich geltend gemachte Mängel auf den zu entscheidenden Fall ausgewirkt haben.
Dies ist vorliegend nicht der Fall. Dass die Erhebung des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation zu anderen Ergebnissen gelangt und ihr deswegen der Vorzug zu geben sei, genügt aus Sicht der Kammer in Kenntnis entgegengesetzter obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. OLG Köln, Urt. v. 10.10.2008 – 6 U 115/08 und Urt. v. 21.08.2009 – 6 U 6/09; OLG München, Urt. v. 25.07.2008 – 10 U 2539/08; OLG Thüringen, Urt. v. 27.11.2008 – 1 U 555/07; anders aber OLG Köln, Urt. v. 03.03.2009 – 24 U 6/08) allein nicht, um durchgreifende Zweifel an der Nutzbarkeit der Schwacke-Liste zu begründen. Die Kammer vermag, auch unter Berücksichtigung, dass im Rahmen der Fraunhofer-Erhebung – anders als bei der Schwacke-Umfrage – eine anonymisierte Befragung von Mietwagenunternehmen durchgeführt worden ist, keine derart überlegene Methodik der Fraunhofer-Erhebung festzustellen, welche zugleich die Annahme einer mangelhaften Erhebung für den Schwacke-Mietpreisspiegel rechtfertigen könnte. Eine entsprechende Annahme ist auch nicht durch den Sachvortrag der Beklagten gerechtfertigt, so dass auch dem Beweisangebot auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht nachzugehen war. Die Beklagte hat keine konkreten Tatsachen aufgezeigt, aus denen sich Mängel der Schwacke-Liste ergeben. Die von der Beklagten vorgetragenen Angebote anderer Mietwagenfirmen stammen nicht aus dem Zeitraum der streitgegenständlichen Anmietung und können die Geeignetheit der Schwacke-Liste für die streitgegenständlichen Anmietung daher nach Ansicht der Kammer nicht in Frage stellen. Inwiefern der Kunde der Klägerin bei einem anderen Mietwagenunternehmen zu wesentlich günstigeren Preisen ein Fahrzeug hätte anmieten können, ist nicht dargelegt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 22.02.2011 (VI ZR 353/09). Insbesondere ergibt sich aus der Entscheidung nach Auffassung der Kammer nicht, dass es der Bundesgerichtshof als ausreichend angesehen hat, dass günstigere Angebote aus einem anderen als dem streitgegenständlichen Zeitraum vorgetragen werden.
Umgekehrt erscheint aus Sicht der Kammer die Wiedergabe von Preisen mit einer Vorbuchungsfrist von einer Woche durch das Fraunhofer Institut kaum geeignet, das typische Anmietungsszenario nach einer Unfallsituation widerzuspiegeln. Auch war die Datenerfassung auf die Situationen beschränkt, in denen ein Mietwagen per Telefon oder über das Internet gebucht wird. Zudem wird in der Fraunhofer-Erhebung lediglich der Marktpreis für ein großflächigeres Gebiet mit zwei Postleitzahlen angegeben. Die Schwacke-Liste erscheint aufgrund der engmaschigeren Einteilung und der damit einhergehenden Differenzierung zwischen großstädtischen und ländlicheren Gebieten eher geeignet, den Normaltarif für den „örtlich“ relevanten Markt abzubilden (so auch OLG Köln, Urt. v. 03.03.2009 – 24 U 6/08 – zit. nach juris).
Auch der Einwand der Beklagten gegen den von der Klägerin vorgenommenen Aufschlag von 20 % für unfallersatzbedingte Mehrkosten trägt nicht. Ein Geschädigter verstößt noch nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, weil er ein Kraftfahrzeug zum Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber einem „Normaltarif“ teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen u.ä.) einen gegenüber dem „Normaltarif“ höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (z.B. BGH, NJW 2005, 51; BGH, NJW 2005, 1933; BGH, NJW 2006, 2621, 2622). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei der Beurteilung der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots bei Inanspruchnahme des Unfallersatztarifs eine generelle Betrachtung geboten und nicht auf den konkreten Einzelfall abzustellen.
Dass danach aufgrund der Besonderheiten der Unfallsituation in der Regel ein höherer Mietwagenpreis als der Normaltarif zur Schadensbeseitigung i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlich ist, steht nicht mehr grundsätzlich in Streit (OLG Köln, NZV 2007, 199, 200; OLG Köln, Urt. v. 21.08.2009 – 6 U 6/09 – zit. nach juris, Rn. 21; LG Bonn, NZV 2007, 362, 363). Diese betriebswirtschaftlich gerechtfertigte Erhöhung kann in Form eines pauschalen Aufschlags auf den Normaltarif erfolgen, dessen Höhe wiederum der bei der Schadensabrechnung besonders freigestellte Tatrichter gemäß § 287 ZPO schätzen kann (z.B. BGH, NZV 2006, 526).
Die Kammer folgt der im Vordringen befindlichen Ansicht, dass ein pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif gerechtfertigt sei, um die Besonderheiten der Kosten und Risiken des Unfallersatzfahrzeuggeschäfts im Vergleich zum Normalgeschäft angemessen zu berücksichtigen (z.B. OLG Köln, NZV 2007, 199, 201; LG Bonn, NZV 2007, 362, 363). Die Kammer veranschlagt diesen Aufschlag mit 20 % (ebenso z.B. OLG Köln, NZV 2007, 199, 201; OLG Köln, Urt. v. 21.08.2009 – 6 U 6/09 – zit. nach juris, Rn. 21; LG Hof, NJOZ 2008, 2806, 2809; LG Dortmund, Urt. v. 29.05.2008, 4 S 169/07; ähnlich LG Bonn, NZV 2007, 362, 363: 25 %).
Die Nebenkosten, auch die für die Winterreifen, sind hier ebenfalls nach der Schwacke-Liste zu berücksichtigen. Dies gilt, sofern ausweislich der Mietvertrags- und Rechnungsunterlagen entsprechende Zusatzleistungen erbracht und hierfür eine gesonderte Vergütung verlangt wurde. Demnach ist auch unerheblich, ob ohnehin sämtliche Fahrzeuge mit Winterreifen ausgerüstet sind und auch, ob es für die Bereitstellung eines verkehrssicheren Mietfahrzeuges unerlässlich ist, dass an diesem Winterreifen montiert sind.
Ein Abzug für ersparte Eigenkosten ist nicht vorzunehmen, da der Kunde der Klägerin ein Fahrzeug einer niedrigeren Fahrzeug Klasse angemietet hat.
Ausgehend von den obigen Darlegungen errechnet sich der erstattungsfähige Aufwand für den Mietwagen entsprechend den vorstehenden Ausführungen gemäß § 287 ZPO auf einen Betrag von 1.521,08 Euro. Dieser errechnet sich durch die Addition folgender Betrag:
• 1 x Wochenpauschale (Modus): 711,90 €
• 2 x Tagespauschale (Modus): 244,00 €
• zzgl. 20% Mehraufwendungen: 191,18 €
• Vollkaskoversicherung: 234,00 €
• Zustellung/ Abholung: 50,00 €
• Winterreifen: 90,00 €
Von dem genannten Betrag ist die bereits vorgerichtlich geleistete Zahlung der Beklagten in Höhe von 894,88 Euro in Abzug zu bringen, so dass der aus dem Tenor ersichtliche Betrag verbleibt.
Die Entscheidung über die Zinsen folgt aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 709 S. 2, 711 ZPO.
Die Zulassung der Revision ist zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
Streitwert für das Berufungsverfahren: 680,35 EUR.
Und nun Eure Kommentare