Mit Urteil vom 22.09.2011 (1 S 171/10) hat das Landgericht Landau in der Pfalz die Berufung der Württembergischen Versicherung gegen das erstinstanzliche Urteil des AG Landau/Pfalz vom 04.08.2010 (2 C 1900/09) zurückgewiesen, mit der diese zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten verurteilt wurde. Das Berufungsgericht bestätigt die Anwendung der Schwacke-Liste gegenüber der Fraunhofer Tabelle.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Berufung, mit welcher die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag aus erster Instanz weiter verfolgt, ist unbegründet.
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst Bezug genommen auf das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Landau in der Pfalz.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung restlicher Mietwagenkosten in dem durch das angefochtene Urteil zugesprochenen Umfang aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, § 249 Abs. 2 BGB, § 115 Nr. 1 VVG.
Die Entscheidung des Erstrichters beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.
Nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB kann der Geschädigte als erforderlichen Herstellungsaufwand den Ersatz der Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei ebenso wie in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Er verstößt aber noch nicht allein deshalb gegen seine Pflichten zur Schadensgeringhaltung, weil er ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber einem Normaltarif teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen o. ä.) aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein gegenüber dem „Normaltarif“ höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und in Folge dessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (ständige Rechtsprechung, vergl. BGH, Urteil vom 19.01.2010, Az: VI ZR 112/09, m. w. N.).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist es dabei nicht erforderlich, für die Frage der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung eines Unfallersatztarifs die Kalkulation des konkreten Vermieters nachzuvollziehen, vielmehr hat sich die Prüfung darauf zu beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein den Mehrpreis rechtfertigen (vgl. BGH, a. a. O., m. w. N.). Die Beschränkung der Prüfung darauf, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein einen Aufschlag rechtfertigen, dient nicht nur dem Interesse des Geschädigten, um für ihn bestehende Darlegungs- und Beweisschwierigkeiten zu begegnen. Diese Art der Prüfung gewährleistet vielmehr auch, dass die erforderlichen Mietwagenkosten nach einem Unfall anhand objektiver Kriterien ermittelt werden, ohne dass es für die Erforderlichkeit im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB auf die konkrete Situation und Kalkulation des einzelnen Vermieters ankommt (BGH, a. a. O.). Auch ob und in welchem Umfang sich die spezifischen Faktoren kostenerhöhend auswirken, ist vom Tatrichter zu schätzen (§ 287 ZPO).
Unter Umständen kommt auch ein pauschaler Aufschlag auf den „Normaltarif in Betracht. In Ausübung seines Ermessens nach § 287 ZPO kann der Tatrichter den „Normaltarif auf der Grundlage des „Schwacke Mietpreisspiegels“ im Postleitzahlengebiet des Geschädigten ermitteln (vgl. BGB, a. a. O., m. w. N.); der „Schwacke Mietpreisspiegel“ ist grundsätzlich zur Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten geeignet (BGH Urteil vom 12.04.2011, Az: VI ZR 300/09).
Soweit weitere Marktbetrachtungen neben der Schwackelliste erschienen sind – insbesondere die des Fraunhofer Institutes – vermag dies die Anwendbarkeit des Schwacke Mietpreisspiegels nicht in Frage zu stellen. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, lediglich allgemein gehaltenen Angriffen gegen eine Schätzgrundlage nachzugehen. Einwendungen gegen die Grundlagen der Schadensbemessung sind nur dann erheblich, wenn sie auf den konkreten Fall bezogen sind. Deshalb bedarf die Eignung von Listen oder Tabellen die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der betreffenden Schätzgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (BGH Urteil vom 18.05.2010, Az: VI ZR 293/08; Urteil vom 17.05.2011, Az: VI ZR 142/10, zitiert nach Juris).
Dies bedeutet für den vorliegenden Fall:
Nach gefestigter Rechtsprechung der Berufungskammern des Landgerichts Landau in der Pfalz ist in Übereinstimmung mit der genannten höchstrichterlichen Rechtsprechung bei Unfällen, die sich wie hier im Jahr 2009 ereignet haben, zur Ermittlung des Normaltarifs der Schwacke Mietpreisspiegel 2009 als Schätzgrundlage heranzuziehen.
Gegen die Anwendung der Schwackeliste bestehen keine Bedenken. Es handelt sich hierbei um eine geeignete Schätzgrundlage (vgl. BGH, Urteil vom 12.04.2011, Az.: VI ZR 300/09). Zudem hat die Beklagte entgegen ihrem Berufungsvorbringen gerade keine konkreten Tatsachen vorgetragen, welche gegen die Anwendung der Schwackeliste im konkreten Fall Zweifel begründen könnten. Die vorgebrachten allgemeinen Vorzüge der Fraunhoferliste reichen hierfür nicht aus. Konkrete Zweifel können auch deshalb nicht begründet werden, weil nach dem Beklagtenvortrag die Anwendung der selben zu geringeren Mietkosten führen würde. Denn die vom Fraunhofer Institut erstellte Preisliste kann nicht als eine Erhebung angesehen werden, die die vermeintlichen Mängel der Schwackelliste vollständige aufheben würde. Da die Fraunhoferliste auf abweichenden Erhebungen beruht, lässt sich ihr nicht entnehmen, zu welchem Ergebnis die Schwackelliste ohne ihre vermeidlichen Mängel geführt hätte. Dies wäre aber für die konkrete Darlegung der Auswirkungen der vermeidlichen Mängel der Schwackelliste erforderlich gewesen (vgl. Urteil der Kammer vom 22.03.2011, 1 S 127/10, Urteil der Kammer vom 17.05.2011, Az: 1 S 170/10; Urteil der Kammer vom 23.08.2011, Az: 1 S 183/10).
Dasselbe gilt für die vorgelegten Angebotsausdrucke aus dem Internet (Anlage B1). Schon weil diese acht Monate nach dem Unfall, nämlich am 28.04.2010, recherchiert worden sind, können sie keine fallbezogenen Zweifel an der Schwackelliste begründen.
Darüber hinaus beschränken sich die vorgelegten Angebote auf überregionale, große Autovermieter (wie Europ-Car, Sixt und Avis) und lassen regionale, mittelständige Anbieter (Autovermietungen in Autohäuser) völlig außer Betracht. Eine Vergleichbarkeit mit dem hiesigen Fall ist schon deshalb nicht gegeben (vgl. Urteil der Kammer vom 17.05.2011, 1 S 170/10 und Urteil vom 23.08.2011, 1 S 183/10).
Aufgrund der Besonderheiten der Unfallsituation ist in der Regel ein höherer Mietwagenpreis als der Normaltarif zur Schadensbeseitigung im Sinne von § 249 Abs. 2 BGB erforderlich. Zu den durch die Unfallsituation bedingten besonderen Leistungen des Vermieters zählen solche, die bei der gebotenen subjektbezogenen Schadensbetrachtung zu dem zur Beseitigung des Schadens erforderlichen Aufwand des Geschädigten gehören. Als rechtfertigende Gründe sind etwa die Vorfinanzierung und das Risiko des Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder den Kraftfahrzeugvermieter zu nennen; hinzu kommen weitere Risiko- und Kostenfaktoren bei der Vermietung von Unfallfahrzeugen, wie etwa die Fahrzeugvorhaltung auch schlechter ausgelasteter Fahrzeug, das Erfordernis der Einrichtung eines Notdienstes, erhöhte Kosten für die Zustellung und Abholung der Fahrzeuge, an einen Vermittler zu zahlende Provision, das Beschädigungsrisiko bei Fahrzeugen ohne Kreditkartensicherheit, das erhöhte Unterschlagungsrisiko, der erhöhte Verwaltungsaufwand sowie das Erfordernis der Umsatzsteuervorfinanzierung (vgl. BGH NJW 2006, 360). Diese besonderen Umstände der Vermietung an Unfallgeschädigte rechtfertigen im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO den auf Grundlage der Schwacke Liste ermittelten Normaltarif um 20 Prozent zu erhöhen (vgl. Urteil der Kammer vom 17.05.2011, 1 S 170/10, Urteil der Kammer vom 20.08.2011, 1 S 183/10 m. w. N.). Wie sich aus dem von Klägerseite vorgelegten Mietvertrag vom 13.08.2009 (Blatt 8 der Akte) unzweifelhaft ergibt und im übrigen unstreitig ist, ist die Vermieterin in Vorleistung getreten, was unter dem Gesichtspunkt der Vorfinanzierung als unfallspezifische Leistung anerkennt ist. Ob darüber hinaus weitere unfallspezifische Leistungen bestanden, kann dahinstehen.
Auf die Frage, ob der Klägerin durch Internetrecherchen günstigere Angebote zugänglich gewesen wären, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, denn ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch durfte in einem solchen Fall das Angebot für zweckmäßig und notwendig halten (vgl. Urteil der Kammer vom 22.03.2011, Az: 1 S 127/10; Urteil der Kammer vom 17.05.2011, Az: 1 S 170/10; Urteil der Kammer vom 23.08.2011, Az.: 1 S 183/10).
Nach der heranzuziehenden Schwackelliste sind entgegen der Auffassung der Beklagten weiterhin die Kosten der Haftungsbegrenzung (Vollkaskoversicherung) sowie die der Zustellung und der Abholung des Mietwagens (vgl. vorgenannte Kammerurteile) zu berücksichtigen. Aus dem Mietvertrag und der Rechnung ergibt sich ohne weiteres, dass ein entsprechender Aufschlag von der Vermieterin abgerechnet wurde und damit bei der Klägerin als Schaden angefallen ist. Im Hinblick auf die Erstattungsfähigkeit der Zustell- und Abholgebühren liegt es auf der Hand, dass angesichts der Entfernung zwischen dem Wohnort der Klägerin und dem Sitz des Vermieters eine Selbstabholung durch die Geschädigte im vorliegenden Fall auch nicht zumutbar war.
Dies vorausgeschickt sind die zur Schadensbehebung erforderlichen Mietwagenkosten vom Erstrichter zutreffend auf 1.054,00 Euro bestimmt worden. Ausgehend von dem Schwacke Mietpreisspiegel 2009 für die Region Speyer unter Berücksichtigung des gewichteten Mittels („Modus“) für ein Fahrzeug der Gruppe 4 ergibt sich bei einer Mietdauer von neun Tagen die folgende
Summe: 495,00 Euro als einfacher Wochentarif zuzüglich 180,00 Euro als zweifacher Tagestarif (zwei mal 90,00 Euro), insgesamt also 675,00 Euro. Hierauf ist ein Aufschlag in Höhe von 20 Prozent vorzunehmen, so dass sich ein Betrag in Höhe von 810,00 Euro ergibt. Hinzuzurechnen sind die Kosten für die Haftungsbeschränkung in Höhe von 198,00 Euro (vgl. Nebenkostentabelle zu AMS 2009) sowie die Kosten für die Zu- und Abfahrt des Mietfahrzeuges in Höhe von insgesamt 46,00 Euro.
Ohne Erfolg rügt die Berufung in diesem Zusammenhang, das Erstgericht habe den Einwand, dass die Klägerin sich ein deutlich höherwertigeres Fahrzeug ausgesucht habe, nicht berücksichtigt. Wie sich aus den Urteilsgründen ergibt, hat der Erstrichter bei der zutreffenden Schadensschätzung auf ein Fahrzeug der Gruppe 4 abgestellt, welches die. Klägerin als Ersatzfahrzeug hätte anmieten dürfen.
Ein Abzug wegen ersparten Eigenaufwendungen kommt angesichts einer von keiner der Parteien behaupteten Laufleistung von mehr als 1.000 km des angemieteten Fahrzeugs während der Besitzzeit der Klägerin nicht in Betracht (vgl. OLG Zweibrücken, Urteil vom 29.06.2005, Az: 1 U 9/05, Urteil der Kammer vom 22.09.2009, Az: 1 S 273/08, Urteil der Kammer vom 23.08.2011, 1 S 183/10).
Eine Kürzung der Klageforderung scheidet daher insofern aus.
Ein Abzug wegen Verletzung der Schadensminderungspflicht der Klägerin ist ebenfalls nicht vorzunehmen. Es obliegt dem Schädiger, der eine Verletzung der Schadensminderungspflicht geltend macht, darzulegen und zu beweisen, dass dem Geschädigten ein günstigerer Tarif nach den konkreten Umständen ohne weiteres zugänglich gewesen ist (vgl. BGH Urteil vom 02.02.2010, Az: VI ZR 139/08). Dass die Klägerin bei ihrer Autovermietung auch zum Normaltarif hätte anmieten können, bzw. diese die Klägerin damals auf eine günstigere Anmietungsmöglichkeit hingewiesen hätte, trägt die Beklagte bereits nicht konkret und substantiiert vor. Allein der Umstand, dass die Klägerin keine Vergleichsangebote eingeholt hat, genügt für die Begründung eines Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht aber nicht. Es muss vielmehr feststehen, dass das Unterlassen der Einholung von Vergleichsangeboten sich auch ausgewirkt hat (vgl. BGH, wie zuvor). Anders als die Beklagte meint, ergibt sich dies hier jedoch nicht schon aus den vorgelegten Internetangeboten. Abgesehen davon, dass es grundsätzlich nicht zumutbar erscheint, den Geschädigten allein auf Internetrecherchen zu verweisen, beziehen sich diese Internetangebote – wie bereits ausgeführt – lediglich auf große und überregionale Anbieter. Konkrete Angebote von kleineren, regionalen Anbietern legt die Beklagte nicht vor. Darüber hinaus wurden die Internetangebote erst acht Monate nach dem Unfall recherchiert. Konkrete Rückschlüsse auf den maßgebenden Anmietzeitpunkt können schon deshalb daraus nicht gezogen werden. Eine Beweisaufnahme über die konkrete Marktsituation zum Anmietzeitpunkt ist danach ebenfalls nicht geboten. Diese würde einer reinen Ausforschung dienen. Ohne Erfolg wendet die Beklagte gegen den Klageanspruch ein, es sei der Klägerin möglich gewesen, die Kosten mittels Kreditkarte zu verauslagen. Zum einen handelt es sich hierbei aber um eine Behauptung der Beklagten ohne Substanz ins Blaue hinein. Zum anderen ist bei der hier in Rede stehenden Mietpreishöhe auch nicht ohne weiteres auf eine Vorfinanzierungsmöglichkeit zu schließen.
Ein Anspruch der Klägerin ist entgegen dem Berufungsvorbringen auch nicht etwa deshalb zu verneinen, weil die Autovermietung dieser womöglich zugesichert hatte, dass auf sie keine Kosten zukommen würden. Selbst wenn dem so gewesen wäre, Iässt dies den Schaden der Klägerin bzw. ihren Schadensersatzanspruch nicht entfallen, da die Autovermietung mit einer solchen Zusage sicher nicht die Beklagte Versicherung, sondern allenfalls die Klägerin im Fall der Nichtzahlung durch diese entlasten wollte (Palandt/Grüneberg, BGB Kommentar, 70. Auflage, Vorbemerkungen vor § 249 Rdnr. 82).
Der weitere Vortrag, dass in Folge der behaupteten Absprache bereits gar kein Mietvertrag zustande gekommen sein soll, ist nicht nachvollziehbar. Hiergegen spricht bereits die vorliegende Vertragsurkunde.
Nachdem die zugesprochenen Nebenkosten mit der Berufung nicht konkret angegriffen werden, ist die Berufung ohne weitere Prüfung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 711, 713.
Soweit das LG Landau/Pfalz.