Mit Urteil vom 30.06.2010 (1 S 59/10) hat das LG Leipzig die Berufung der beteiligten Versicherung gegen die erstinstanzliche Verurteilung durch das AG Leipzig vom 21.01.2010 (106 C 2473/09) zur Zahlung von weiteren Mietwagenkosten und vorgerichtlicher RA-Kosten unter Berücksichtigung einer Eigenersparnis von nunmehr 10% zurückgewiesen. Die Kosten des gesamten Rechtsstreits hat die Beklagte zu zahlen. Das Gericht legt die Schwacke-Liste zugrunde und lehnt die Fraunhofer Tabelle ab.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die in I. Instanz mit einem Betrag von 1.859,95 € (nebst Zinsen und vorgerichtlichen Kosten) vollständig unterlegene Beklagte begehrt mit ihrer Berufung die Abweisung der Klage; während die Klägerin und die Nebenintervenientin das amtsgerichtliche Urteil verteidigen. Bzgl. der Einzelheiten des Vortrages der Parteien wird auf den Inhalt der in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Die (zulässige) Berufung der Beklagten hat nur geringfügigen Erfolg, nämlich insoweit sie den Abzug eines höheren Eigenersparnisbetrages (10 %) geltend macht; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet und daher zurückzuweisen.
Trotz Sicherungsabtretung ist die Klägerin (weiterhin) berechtigt und verpflichtet, die Forderung im eigenen Namen einzuklagen und Zahlung auch sich zu verlangen, weil die persönliche Haftung der Klägerin ausweislich der Abtretungsurkunde fortgilt. Daher kommt es auch nicht darauf an, ob und ggf. inwieweit die Klägerin ihrerseits Mietwagenkosten bereits an die Streithelferin bezahlt hat.
Hinsichtlich der grundsätzlichen Erstattungsfähigkeit des von der Klägerin genommenen Tarifs bei der Streithelferin kann auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts verwiesen werden. Der Klägerin kann im hier vorliegenden Einzelfall auch kein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot vorgeworfen werden. Der von ihr genommene Tarif von (zunächst im Mietvertrag angegebenen) 139,23 € netto/Tag (=165,68 € brutto) ist kein erkennbarer sog. Unfallersatztarif, da er sich durchaus im Rahmen von Selbstzahlertarifen hält (und sogar die Haftungsfreistellung bereits mit beinhaltet hat).
Nach dem hier einschlägigen Eurotax-Schwacke-Mietpreisspiegcl 2008 beträgt der durchschnittliche Tagesmietpreis im Modus bei der Wagenklasse 7 im PLZ-Gebiet der Anmietung, auf den bei der Anmietsituation abzustellen ist, brutto 133,- € (ohne Haftungsfreistellung!). Dies ist lediglich etwa 24 % über dem von Schwacke ermittelten Durchschnittspreis, der im genannten PLZ-Gebiet durchaus zwischen 70,- € und 178,50 G schwankt (bereinigt um die Haftungsfreistellung ist die Abweichung noch weniger).
Angesichts dieser noch nicht als erheblich anzusehenden Überschreitung des Durchschnittspreises nach Schwacke mussten der Klägerin ersichtlich auch keine Bedenken hinsichtlich des von ihr genommenen Preises kommen (dies nimmt der BGH erst bei einer Überschreitung von etwa 100 % an). Deswegen spielt es auch keine entscheidende Rolle, ob die Klägerin vor Anmietung Vergleichangebote eingeholt hatte oder nicht, da sich ein etwaiges Unterlassen dann nicht ausgewirkt hat, weil die tatsächlich in Anspruch genommenen Preise sich im üblichen Bereich bewegen (der wegen der Degression dann tatsächlich abgerechnete und letztlich maßgebliche Preis war etwa 140,40 € brutto und damit jedenfalls nur ganz leicht über dem Durchschnitt des Schwacke-Preises).
Das Gericht befürwortet auch in ständiger Rechtsprechung die Schätzung des üblichen (Selbstzahler-)Tarifs auf der Basis des (jeweils einschlägigen) Schwacke-Mietpreisspiegels und folgt nicht der Erhebung des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation. Insoweit kann auf die gerichtliche Verfügung vom 03.06.2010 Bezug genommen werden. Die Beklagte hat weder in erster noch in zweiter Instanz hinreichend detaillierte Umstände aufgezeigt, warum gerade für die hier in Rede stehende Fahrzeugklasse und das hier betroffene PLZ-Gebiet die Erhebung von Schwacke gravierende Fehler aufweist und daher diese Liste nicht als geeignete Schätzungsgrundlage dienen kann.
Darüber hinaus sind die Mietpreise im vorliegenden Falle schon unter dem Gesichtspunkt der subjektbezogenen Schadensbetrachtung (ohne weitere Tarif- bzw. Preiserkundigungen) erstattungsfähig, da die Klägerin in einer Eil- bzw. Notsituation gewesen ist, die der Klägervertreter schriftsätzlich und nochmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht näher dargelegt hatte (Baby an Bord, weiterer Arbeitstermin, anstehendes Babyschwimmen und weitere Fahrt nach S. noch am selben Tag) und der die Beklagte nachfolgend nicht näher entgegengetreten ist.
Nach alledem ist der Mietpreis für die unstreitige Reparaturdauer (24 Tage) in Höhe von 2.851,59 € als erforderlicher Aufwand anzusehen und damit (nebst der von der Höhe her als ortsüblich anzusehenden Zustell- und Abholkosten, deren Entstehung sich durch die Beweisaufnahme bestätigt hat) zu erstatten.
Von den reinen Mietwagenkosten war aber ein höherer Betrag als 6,75 €/Tag, wie ihn die Klägerin bei der Klageforderung bereits berücksichtigt hatte, abzuziehen. Insoweit geht die Kammer in ständiger Rechtsprechung im Wege einer Schätzung nach § 287 ZPO von ersparten Eigenbetriebskosten in Höhe von 10 % aus (so auch: BGH NJW 2010, 1445 ff., wo die Schätzung des Berufungsgerichts aus revisionsrechtlicher Sicht nicht beanstandet worden war; OLG Dresden Schaden-Praxis 2010, 17; OLG Hamm, VersR 2001, 206 ff. und Urteil vom 21.04.2008, Az.: 6 U 188/07 m.w.N. aus Rspr. und Literatur für den Fall, dass – so wie hier – jedenfalls kein pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif gemacht wird). Dies gilt auch und gerade bei der hier vorliegenden relativ langen Anmietzeit von 24 Tagen und der zurückgelegten Strecke von 1.648 km. Zudem war das verunfallte Fahrzeug noch sehr jung und hätte damit einem größeren Wertverlust als ein altes Fahrzeug unterlegen. Damit ergibt sich ein Abzug von 339,34 € brutto. Die vom Amtsgericht zugesprochene Summe war daher (unter Berücksichtigung des von der Klägerin bereits in Ansatz gebrachten Betrages von 6,75 €/Tag) um insgesamt weitere 177,34 € zu reduzieren.
Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen, insbesondere was den Fahrbedarf der Klägerin, die – durch die Beweisaufnahme als belegt anzusehende – gefahrene Strecke, die sich durch den geringfügigen Abzug von der Klageforderung nicht reduzierenden vorgerichtlichen Anwaltskosten sowie die Zinsforderung anbelangt.
Soweit das LG Leipzig.
Hallo Babelfisch,
der nachfolgende aus dem Urteil entnommene Absatz ist genau der entscheidende. „… Das Gericht befürwortet auch in ständiger Rechtsprechung die Schätzung des üblichen (Selbstzahler-)Tarifs auf der Basis des (jeweils einschlägigen) Schwacke-Mietpreisspiegels und folgt nicht der Erhebung des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation. Insoweit kann auf die gerichtliche Verfügung vom 03.06.2010 Bezug genommen werden. Die Beklagte hat weder in erster noch in zweiter Instanz hinreichend detaillierte Umstände aufgezeigt, warum gerade für die hier in Rede stehende Fahrzeugklasse und das hier betroffene PLZ-Gebiet die Erhebung von Schwacke gravierende Fehler aufweist und daher diese Liste nicht als geeignete Schätzungsgrundlage dienen kann…“ Genau das ist es. Es gibt keine überzeugenden Gründe pro Fraunhofer. Selbst die Beklagte war in dem zu entscheidenden Rechtsstreit nicht in der Lage, derartige Gründe vorzutragen.
Es gibt i.Ü. ca 10 weitere Urteile und Beschlüsse des LG Leipzig nach § 522 ZPO pro Schwacke – allein seit Juni 2010
Lieber Kollege RAMP,
dann bitte die Urteile an die Redaktion zu Händen des Herrn Cheffe.
Danke lieber Willi.
Hier noch einmal die Kontaktdaten:
E-Mail: id-redaktion[at]captain-huk.de
[at]=@
Fax: 0721/98929425
Gilt natürlich auch für Urteile aus anderen Gerichtsbezirken und Rechtsgebieten der Unfallschadensabwicklung.
Vielen Dank im voraus.