Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,
zum Sonntagnachmittag stellen wir Euch hier noch ein aktuelles Berufungsurteil aus München zum Restwert gegen die DEVK-Versicherung vor. Es handelt sich um eine positive Entscheidung, die jedoch auch zeigt, dass Amtsgerichte – trotz eindeutiger BGH-Rechtsprechung – offensichtlich bis heute nicht in der Lage sind, korrekte Urteile zum Restwert abzusetzen. Wieder einmal hat eine eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung versucht, den Geschädigten um den ihm zustehenden Schadensersatz in Form der vom Gutachter festgestellten Restwerte zu prellen. Maßgeblichh ist grundsätzlich das im Gutachten angeführte Höchstgebot von drei örtlich relevanten Restwertanbietern. Angebote aus der Internetrestwertbörse sind als Sondermarkt grundsätzlich nicht relevant (vgl. BGH Zrt. v. 13.1.2009 – VI ZR 205/08 – ). Zum Verständnis des Urteils geben wir Euch noch die Erläuterungen des Einsenders zu diesem Berufungsurteil:
„Vorliegend hatte die DEVK unmittelbar nach dem Unfall ein Schreiben an die Geschädigten verschickt, wonach diese vor Veräußerung des offenkundig total beschädigten Fahrzeugs ein Restwertangebot der Versicherung abwarten sollten. Vor Eingang des von dortaus beschafften Restwertangebotes (aus dem Internet) erfolgte aber der Verkauf zu dem im Gutachten ausgewiesenen und ordnungsgemäß festgestellten Restwerts.“
Lest selbst das Berufungsurteil des LG München und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße und noch einen schönen herbstlichen Sonntag
Willi Wacker
Landgericht München I
Az.: 19 S 12714/16
341 C 5136/16 AG München
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger und Berufungskläger –
gegen
DEVK Allgemeine Verischerungs AG, vertreten durch d. Vorstand, Hirtenstraße 24, 80335 München
– Beklagte und Berufungsbeklagte –
wegen Forderung
erlässt das Landgericht München 1-19. Zivilkammer – durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht W., die Richterin am Landgericht W. und die Richterin am Landgericht K. auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 13.10.2016 folgendes
Endurteil
1.
Auf die Berufung der Klagepartei hin wird das Urteil des AG München vom 13.07.2016 aufgehoben.
Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an die Klagepartei EUR 1.250,– nebst Zinsen i. H. v. 5% Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 18.01.2016 zzgl. EUR 112,75 vorgerichtliche Kosten nebst Zinsen i. H. v. 5% Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 19.03.2016 zu bezahlen.
2.
Die Kosten des Rechtstreits in beiden Instanzen trägt die Beklagtenpartei.
3.
Das Urteil ist vorliäufig vollstreckbar.
4.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.250,- EUR festgesetzt.
5.
Die Revision zum BGH wird nicht zugelassen.
Von der Darstellung des Tatbestands wird gem. § 540 I ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts durfte die Klagepartei das Auto zu dem Restwert, der im klägerischen Sachverständigengutachten aufgeführt wurde, verkaufen. Sie musste es vorVerkauf nicht der Beklagtenpartei zum Kauf anbieten, insbesondere brauchte sie auch das Schreiben, das sie erst der Beklagtenpartei anbieten muss, wenn sie es denn überhaupt erhalten hat, nicht beachten. Die Beklagte hat keinen Anspruch darauf, vor dem Verkauf informiert zu werden, bzw. ein höheres Restwertangebot verbindlich abgeben zu dürfen. Ein solches Angebot ist nur dann relevant, wenn es vor dem tatsächlichen Verkauf eingeht. Dann verstößt der Kläger gegen seine Schadensminderungspflicht, wenn er sein Auto zu einem niedriegeren Wert verkauft. Vor Eingang eines verbindlichen Restwertsangebots ist er aber frei. Dies ist in der ständigen Rechtsprechung des BGH, des OLG München und LG München. Lediglich beispielhaft sei auf die Verfahren 10 U 5316/06 des OLG München verwiesen. Die Klage ist deshalb voll umfänglich begründet.
Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91, 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Nichtzulassung der Revision basiert auf § 543 II ZPO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 3 ZPO in Verbindung mit § 43 GKG.
gez.
. W. W. K.
Vorsitzender Richter Richterin Richterin
. am Landgericht am Landgericht am Landgericht
Verkündet am 13.10.2016
Was habe ich zu diesem Thema schon gegenteiliges gelesen, schön das ein LG mal wieder und aktuell den Geschädigten stärkt und verständlich Recht erklärt. Mich würde das vorangegangene negative AG München Urteil interessieren.
Inzwischen gibt es lt. „UE Unfallregulierung effektiv“ eine – allerdings noch nicht veröffentliche – Entscheidung des BGH vom 27.09.2016, VI ZR 673/15: Der Geschädigte kann verkaufen, ohne das Schadengutachten zuvor dem KH-Versicherer vorzulegen.
Grüße aus Leipzig
Alexander Uterwedde
… alles andere wäre ja wohl auch ein Unding.
BGH, Urteil vom 27. September 2016 – VI ZR 673/15 – OLG Hamm – LG Münster:
a) Der Geschädigte, der von der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB Gebrauch macht und den Schaden wie im Streitfall nicht im Wege der Reparatur, sondern durch Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs beheben will, leistet bei der Verwertung des beschädigten Fahrzeugs dem Wirtschaftlichkeitsgebot im Allgemeinen Genüge, wenn er die Veräußerung zu einem Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (Fortführung Senatsurteil vom 1. Juni 2010 – VI ZR 316/09, VersR 2010, 963).
b) Er ist weder unter dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichkeitsgebots noch unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht dazu verpflichtet, über die Einholung des Sachverständigengutachtens hinaus noch eigene Marktforschung zu betreiben und dabei die Angebote auch räumlich entfernter Interessenten einzuholen oder einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen. Auch ist er nicht gehalten abzuwarten, um dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer vor der Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs Gelegenheit zu geben, zum eingeholten Gutachten Stellung zu nehmen und gegebenenfalls bessere Restwertangebote vorzulegen.