Die 13. Zivilkammer des LG Saarbrücken hat als Zivilberufungskammer mit Urteil vom 19.12.2008 -13 S 143/08- dem unfallgeschädigten Kläger weiteren restlichen Restwert zugesprochen. Das von der Beklagten zu 2. angeführte Restwertgebot aus der Restwertbörse blieb unbeachtlich. Damit hat das LG Saarbrücken den Restwert aus dem Schadensgutachten des Streithelfers, des vom Kläger beauftragten Sachverständigen, bestätigt. Hier das Berufungsurteil:
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts St. Wendel vom 29.7.2008 – 15 C 389/07 – abgeändert und die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger weitere 1.300,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.2.2007 zu zahlen.
2. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Beklagten als Gesamtschuldner zu 75 % und der Kläger zu 25 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich derjenigen der Streithilfe tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Kläger verfolgt restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 20.1.2007, für den die Beklagten voll einstandspflichtig sind. Der vom Kläger mit der Schadensbegutachtung beauftragte Streithelfer ermittelte in seinem Gutachten vom 21.1.2007 für das Klägerfahrzeug Reparaturkosten von 14.393,88 EUR, einen Netto-Wiederbeschaffungswert von 11.475,- EUR und einen Restwert von 1.200,- EUR. Seine Restwertermittlung beruhte auf den Angeboten von drei Autohäusern in St. Wendel und Wolfersweiler, die sich zwischen 1.000,- EUR und 1.200,- EUR bewegten. Am 24.1.2007 veräußerte der Kläger daraufhin sein Fahrzeug für 1.200,- EUR weiter. Auf den Gesamtschaden, den der Kläger auf 13.618,55 EUR bezifferte, zahlte die Zweitbeklagte 8.936,07 EUR und wandte sich u.a. gegen die vom Kläger angesetzte Restwertbemessung seines Fahrzeuges.
Der auf Ersatz der verbleibenden 4.682,48 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten gerichteten Klage hat das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung vom 29.7.2008, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO), in Höhe von 2.233,44 EUR nebst gesetzlichen Zinsen seit dem 10.2.2007 und Anwaltskosten stattgegeben. Zur Begründung hat die Erstrichterin – soweit für die Berufungsinstanz von Belang – nach sachverständiger Beratung zum Restwert des Klägerfahrzeuges ausgeführt, dass entgegen der Schadensberechnung des Klägers ein Restwert von 2.500,- EUR zu berücksichtigen sei, da ein vom Privatsachverständigen fehlerhaft festgestellter Restwert nicht zur Grundlage der Schadensabwicklung gemacht werden könne.
Der Kläger und der ihn unterstützende Streithelfer wenden sich gegen die Abweisung der Klage, soweit das Amtsgericht der Entscheidung einen um 1.300,- EUR geringeren Restwert, als vom Kläger vorgebracht, zugrunde gelegt hat. Die Restwertermittlung des Gerichtssachverständigen sei fehlerhaft, weil diese auf der Grundlage von Angeboten spezialisierter Restwerthändler ergangen sei. Auf einen solchen Sondermarkt brauche sich ein Geschädigter aber nicht verweisen zu lassen. Zudem habe der Kläger als Laie auch auf die – im Übrigen zutreffende – Restwertermittlung des Streithelfers vertrauen dürfen, so dass der Schadensberechnung der danach tatsächlich erzielte Restwert zu Grunde zu legen sei.
Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung gegen die Angriffe der Berufung. Der Gerichtssachverständige habe die Angebote der spezialisierten Restwerthändler lediglich zur Ermittlung des Restwertes auf dem allgemein zugänglichen Gebrauchtwagenmarkt herangezogen, da die dortigen Aufkäufer die angekauften Fahrzeuge regelmäßig an Restwerthändler weiter veräußerten. Dass der Kläger sein Fahrzeug zu einem geringern Preis veräußert habe, sei sein eigenes Risiko gewesen, da er den Verkauf ohne Rücksprache mit der Zweitbeklagten vorgenommen habe.
Entscheidungsgründe
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte, zulässige Berufung ist begründet, da die angefochtene Entscheidung zu Lasten des Klägers auf einem Rechtsfehler beruht (§ 513 ZPO). Dem Kläger steht auf der Grundlage der §§ 7 Abs. 1, 17 StVG i.V.m. § 3 Nr. 1 PflVersG a.F. ein um 1.300,- EUR höherer Schadensersatzanspruch zu, als ihm vom Amtsgericht zuerkannt worden ist, da bei der Ermittlung der Schadenshöhe lediglich ein Restwert des Klägerfahrzeuges von 1.200,- EUR, nicht aber von 2.500,- EUR zu Grunde gelegt werden darf.
1. Nach anerkannter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die von der Kammer geteilt wird und auch von der Erstrichterin zutreffend festgestellt worden ist, kann – wie hier – der Geschädigte im Totalschadensfall, wenn er von der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 BGB Gebrauch macht und den Schaden nicht im Wege der Reparatur, sondern durch Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs beheben will, nur Ersatz des Wiederbeschaffungswerts abzüglich des Restwerts verlangen. Eine solche Ersatzbeschaffung steht als Variante der Naturalrestitution unter dem Gebot der Wirtschaftlichkeit, das auch für die Frage gilt, in welcher Höhe der Restwert des Unfallfahrzeugs bei der Schadensabrechnung berücksichtigt werden muss. Dies bedeutet, das der Geschädigte bei der Schadensbehebung gemäß § 249 Abs. 2 BGB den wirtschaftlichsten Weg bei der Schadensbeseitigung zu wählen hat, wobei das Maß des ihm Zumutbaren und seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten zu berücksichtigen sind – sog. „subjektbezogene Schadensbetrachtung“ (vgl. BGHZ 163, 362 ff.; Urteil der Kammer vom 17.11.2008, 13 S 124/08).
2. Bei der Verwertung seines Fahrzeuges ist ein Geschädigter hiernach grundsätzlich nicht verpflichtet, einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen und kann vom Schädiger auch nicht auf einen höheren Restwerterlös verwiesen werden, der auf einem Sondermarkt durch spezialisierte Restwertaufkäufer erzielt werden könnte. Der Geschädigte leistet dem Gebot zur Wirtschaftlichkeit im allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 BGB gezogenen Grenzen, wenn er die Veräußerung seines beschädigten Kraftfahrzeugs zu demjenigen Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (vgl. BGHZ a.a.O.; Urteil der Kammer vom 17.11.2008, 13 S 124/08).
3. Allerdings gelten auch bei einer solchen konkreten Schadensberechnung das Wirtschaftlichkeitsgebot und die sich aus § 254 Abs. 2 BGB ergebende Verpflichtung zur Geringhaltung des Schadens, so dass der Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer nicht an dem Vorbringen gehindert ist, auf dem regionalen Markt hätte ein höherer Restwert erzielt werden müssen. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass besondere Umstände dem Geschädigten Veranlassung geben können, günstigere Verwertungsmöglichkeiten wahrzunehmen, um dem Wirtschaftlichkeitsgebot und seiner sich aus § 254 Abs. 2 BGB ergebenden Verpflichtung zur Geringhaltung des Schadens zu genügen. Unter diesem Blickpunkt kann er daher gehalten sein, von einer grundsätzlich zulässigen Verwertung der beschädigten Sache Abstand zu nehmen und im Rahmen des Zumutbaren andere sich ihm darbietende Verwertungsmöglichkeiten zu ergreifen (vgl. BGH a.a.O.).
4. Nach diesen Grundsätzen war der Schadensbemessung lediglich der vom Streithelfer ermittelte und vom Kläger realisierte Restwert in Höhe von 1.200,- EUR zugrunde zu legen.
a. Tatsächlich günstigere Verwertungsmöglichkeiten haben sich dem Kläger nicht geboten. Auch war der Kläger nicht verpflichtet, die Beklagten über die beabsichtigte Veräußerung zu informieren und ihnen Gelegenheit zu geben, ein höheres Angebot zu unterbreiten (vgl. BGH a.a.O.).
b. Dass nach den Feststellungen des Amtgerichts möglicherweise ein höherer Restwert zu erzielen gewesen wäre, führt ebenfalls zu keiner abweichenden Betrachtung. Das Risiko, sein Fahrzeug zu einem zu geringen Erlös veräußert zu haben, verbleibt beim Geschädigten lediglich dann, wenn er den Restwert ohne hinreichende Absicherung realisiert. Er vermeidet das Risiko, wenn er sich vor Verkauf des beschädigten Fahrzeugs mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers abstimmt oder wenn er ein eigenes Gutachten mit einer korrekten Wertermittlung einholt, auf dessen Grundlage er die Schadensberechnung vornehmen kann (vgl. BGHZ a.a.O.).
c. So liegt der Fall auch hier. Der Kläger hat zur Schadensermittlung ein Sachverständigengutachten beim Streithelfer in Auftrag gegeben, nach dessen Ergebnis ein Restwert des unfallgeschädigten Fahrzeuges von 1.200,- EUR bestanden hat, ohne dass der Kläger aufgrund seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten annehmen musste, dass die sachverständige Restwertermittlung fehlerhaft zu gering erfolgt sein könnte. Hierzu reicht insbesondere der Umstand nicht aus, dass die Restwertermittlung des Streithelfers lediglich auf drei Angeboten aus dem Bereich St. Wendel beruht hat. Entgegen der Ansicht der Beklagten steht dies der Eignung zur Wertermittlung auf dem maßgebenden regionalen Markt nicht entgegen. Dass sich nämlich im Raum St. Wendel ein im Verhältnis zur übrigen Region preisgünstiger Sondermarkt für Gebrauchtfahrzeuge, die dem Klägerfahrzeug vergleichbar sind, gebildet haben könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Erst Recht kann nicht angenommen werden, dass der Kläger von einer solch besonderen Marktlage hätte ausgehen und der Wertermittlung des Streithelfers Misstrauen entgegen bringen müssen. Dies gilt umso mehr, als die dem Privatgutachten zugrunde liegenden Angebote nicht wesentlich von einander abweichen, mithin besondere Verlässlichkeit aufzeigen, und zudem in zwei Fällen von Fachhändlern der klägerischen Fahrzeugmarke abgegeben worden sind, bei denen der Kläger besondere Marktkenntnisse betreffend den Wert seines Fahrzeugs erwarten durfte.
5. Die weiter zuerkannten Zinsen beruhen auf Verzugsgesichtspunkten (§§ 286 Abs. 1, 288 ZPO).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache erlangt keine grundsätzliche über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert nicht die Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).
So die Berufungskammer des LG Saarbrücken.