Mit Urteil vom 12.11.2008 hebt das LG Weiden i. d. OPf. das Urteil des AG Weiden i. d. OPf. auf und verurteilt die HUK-Coburg zur Zahlung restlicher Mietwagenkosten (Gesch.-Nr.: 22 S 59/08).
Die Klägerin hat mit der Klage restliche Mietwagenansprüche aus abgetretenem Recht in Höhe von 276,58 € geltend gemacht. Auf die Mietwagenrechnung der Klägerin an die Geschädigte in Höhe von 461,22 € hat die Beklagte nur 185,64 € bezahlt und im Übrigen die Auffassung vertreten, die Geschädigte wäre verpflichtet gewesen, ein ihr u.a. auch schriftlich unterbreitetes Vermittlungsangebot zu einem Tagespreis von 39.- € netto anzunehmen. Insoweit wäre der Geschädigten ein günstigeres Angebot als das der Klägerin zugänglich gewesen und deshalb liege ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht seitens der Geschädigten vor.
Das Erstgericht hat der Klägerin weitere 172,06 € nebst Zinsen zuerkannt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zudem hat es die Berufung zugelassen.
Das Erstgericht vertritt die Auffassung, dass eine Verletzung der Schadensminderungspflicht seitens der Geschädigten vorliegt und hat seiner Berechnung der zu erstattenden Mietwagenkosten die Preise, die in einem Schreiben der Beklagten vom 24.05.2007 genannt wurden, – allerdings eine Fahrzeugklasse höher – mit einen 20%igen Zuschlag zugrunde gelegt.
Mit der Berufung macht die Klägerin die restlichen, vom Erstgericht nicht zuerkannten 148,52 € Mietwagenkosten geltend.
Sie ist weiterhin der Auffassung, dass keine Verletzung der Schadensminderungspflicht seitens der Geschädigten vorliegt, da diese nicht verpflichtet war dem Angebot der Beklagten nachzukommen, da unstreitig die offerierten Preise für die Geschädigte ohne Vermittlung der Beklagten nicht erreichbar waren.
Die Beklagte hat beantragt, die Berufung zurückzuweisen, da aus ihrer Sicht ihr Angebot dazu geführt hat, dass ein Mietwagen zu dem genannten Preis für die Geschädigte verfügbar war,
Die Kammer hat keinen Beweis erhoben.
Die Urteilsgründe:
Die Klage ist in vollem Umfang begründet.
Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten ein, Anspruch auf Zahlung der restlichen, noch offenen Mietwagenkosten in Höhe von insgesamt 275,58 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 15.01.2008 sowie weitere 39,00 € außergerichtliche Kosten gem. § 249II BGB zu.
Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht seitens der Geschädigten durch Nichtannahme des „Vermittlungsangebots“ der Beklagten liegt nicht vor.
Zutreffend hat das Erstgericht ausgeführt, daß im Rahmen der Naturalrestitution der Geschädigte so zu stellen ist, wie er ohne den Unfall gestanden hätte. Er kann als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Mietkosten verlangen. Herstellungsaufwand in diesem Sinne sind die Mietwagenkosten, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf (ständige Rechtsprechung des BGH, zuletzt NJW 2007, S. 3782). Im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebotes ist der Geschädigte gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen.
Das bedeutet, daß er von mehreren auf den örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann. Der Geschädigte verstößt allerdings noch nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, weil er ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber dem „Normaltarif“ teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation einen gegenüber dem „Normaltarif'“ höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlaßt und infolge dessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (vgl. BGH, Urteil vom 24.06.2008, Az.: VI ZR 234/07 sowie BGH, Versicherungsrecht 2006, 669, 670, Versicherungsrecht 2007, S. 1144 sowieVersicherungsrecht 2007,1286,1287, jeweils m. w. N.).
Der bei der Schadensberechnung nach § 287 ZPO besonders freie Tatrichter muß für die Prüfung der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung, eines „Unfallersatztarifs“ die Kalkulation des konkreten Unternehmens nicht in jedem Falle nachvollziehen, vielmehr kann sich die Prüfung darauf beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein einen Aufschlag rechtfertigen, wobei unter Umstanden auch ein pauschaler Aufschlag auf den „Normaltarif“ in Betracht kommt. In Ausübung seines Ermessens nach § 287 ZPO kann der Tatrichter den „Normaltarif“ auch auf der Grundlage des gewichteten Mittels des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ im Postleitzahlengebiet des Geschadigten – ggf. mit sachverständiger Beratung -ermitteln {vgl. BGH Versicherungsrecht 2007, 1144 ff, sowie BGH, Versicherungsrecht 2007, 1286,1287).
Die Frage, ob ein Unfallersatztarif aufgrund unfallspezifischer Kostenfaktoren erforderlich im Sinne des § 249 I11 BGB ist, kann jedoch offen bleiben, wenn feststeht, daß dem Geschädigten ein günstigerer „Normaltarif“ in der konkreten Situation ohne weiteres zugänglich war, so daß ihm eine kostengünstigere Anmietung unter dem Blickwinkel der ihm gem. § 254 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht zugemutet werden konnte (vgl. dazu BGH, Versicherungsrecht 2006, 564, 565, Versicherungsrecht 2006,1425, 1426 sowie BGH Versicherungsrecht 2007, 1286, 1287 m.W. N.).
Ebenso kann die Frage offen bleiben, wenn zur Überzeugung des Tatrichters feststeht, daß dem Geschädigten die Anmietung zum „Normaltarif“ nach den konkreten Umständen nicht zugänglich gewesen ist, denn der Geschädigte kann in einem solchen Fall einen den „Normaltarif“ übersteigenden Betrag im Hinblick auf die subjektbezogene Schadensbetrachtung auch dann verlangen, wenn die Erhöhung nicht durch unfallspezifische Kostenfaktoren gerechtfertigt wäre (vgl. BGH, Versicherungsrecht 2006, 1273,1274).
Aus diesen Ausführungen ergibt sich, daß dem Geschädigten ein Unfallersatztarif grundsätzlich in der Höhe zu ersetzen ist, die der Tatrichter zur Schadensbehebung als erforderlich i. S. des § 249 I11 BGB ansieht. Nur ausnahmsweise ist nach § 254 BGB ein niedrigerer Schadensersatz zu leisten, wenn feststeht, daß dem Geschädigten ein günstigerer “Normaltarif“ in der konkreten Situation „ohne weiteres“ zugänglich war (vgl. BGH, Versicherungsrecht 2007,706,707). Dies hat deshalb nach allgemeinen Grundsätzen der Schädiger darzulegen und zu beweisen (vgl. BGH, Urteil vom 24.06.2008, Az.: VI ZR 234/07).
Diesen Nachweis hat aus Sicht der Kammer die Beklagte jedoch nicht geführt. Das Schreiben vom 24.05.2007 sowie das Telefonat mit der Geschädigten reicht nach Auffassung der Kammer nicht aus, um im oben genannten Sinn davon ausgehen zu können, dass der Geschädigten im vorliegenden Fall ein günstigerer „Normaltarif „ohne weiteres“ zugänglich war. Die im Schreiben vom 24.05.2007 von der Beklagten genannten Mietpreise können schon deshalb als „günstigerer“ Tarif für die Abrechnung nicht zugrunde gelegt werden, weil der Sachvortrag der Klagepartei unwidersprochen blieb, dass es der Geschädigten ohne die vermittelnde Tätigkeit der Beklagten gar nicht möglich gewesen wäre, ein Fahrzeug zu den genannten Preisen anzumieten. Entscheidend ist aus Sicht der Kammer aber, welcher günstigere Tarif der oder dem Geschädigten ohne die vermittelnde Tätigkeit der Versicherung des Schädigers, hier der Beklagten, zugänglich gewesen wäre. Auf die Zugänglichkeit seitens der Beklagten kann es nicht ankommen. Soll der Hinweis im Schreiben der Beklagten vom 24.05.2007 sowie im Telefonat ihres Mitarbeiters mit der Geschädigten tatsächlich lediglich ein Hinweis auf die (allgemeine) Zugänglichkeit eines günstigeren Tarifs für den oder die Geschädigte sein, setzt dies voraus, daß der oder die Geschädigte selbst – ohne Vermittlung und Mitwirkung der Versicherung des Schädigers – in der Lage ist, mit zumutbarem Aufwand zu diesen, von der gegnerischen Versicherung in den Raum gestellten Konditionen ein Ersatzfahrzeug zu beschaffen. Dazu ist der sowohl schriftliche als auch mündlich erfolgte Hinweis seitens der Beklagten inhaltlich jedoch viel zu vage. Ungeachtet der Frage, ob die Beklagte als Haftpflichtversicherung des Schädigers nicht schon grundsätzlich wegen eines möglichen Verstosses gegen das Rechtsberatungsgesetz gehindert gewesen wäre, einen derartigen Hinweis überhaupt zu erteilen, könnte aus Sicht der Kammer ein solcher Hinweis nur dann rechtliche Relevanz entfalten, wenn dieser ganz konkret Informationen über eine oder mehrere Anmietmöglichkeiten in zumutbarer Entfernung des oder der Geschädigten enthält, die von dem oder der Geschädigten ohne Einschaltung der gegnerischen Haftpflichtversicherung mit zumutbarem Aufwand realisierbar gewesen wären. Diesen Voraussetzungen entspricht der Hinweis der Beklagten nicht. In der Form, wie die Kammer einen rechtlich relevanten Hinweis inhaltlich für notwendig erachtet, hat die Beklagte nichts vorgetragen.
Die Kammer geht – anders als das Erstgericht – nicht davon aus, dass es der Geschädigten ohneweiteres zumutbar gewesen wäre, sich auf das Schreiben und den Anruf durch den Mitarbeiter der Beklagten hin, mit dieser in Verbindung zu setzen und sich von der Beklagten ein Mietfahrzeug vermitteln zu lassen. Zwar ist anzunehmen, dass faktisch für die Geschädigte die Möglichkeit bestand, zu den von der Beklagten genannten (Netto-)Preisen ein Mietfahrzeug zu erhalten. Eine Verletzung der Schadensminderungspflicht durch die Geschädigte liegt jedoch aus Sicht der Kammer nicht in dem Umstand, dass sich die Geschädigte in dieser Situation dazu entschloss, das „Vermittlungsangebot“ der Beklagten zu ignorieren.
Bei der Beklagten handelte es sich um die Haftpflichtversicherung des Schädigers, die nicht zur Naturalrestitution, sondern primär zum Geldersatz verpflichtet ist. Ihr Bemühen, die zu ersetzenden Kosten möglichst gering zu halten, ist verständlich, kann jedoch nicht dazu führen, dass die Freiheit des oder der Geschädigten, ihren Vertragspartner für das Mietfahrzeug zu wählen, dahingehend eingeschränkt wird, dass bei Nichtannahme des „Vermittlungsangebots“ der Beklagten der Vorwurf der Verletzung der Schadensminderungspflicht zu einen nicht erstattungsfähigen Restbetrag und damit zu einem wirtschaftlichen Schaden des oder der Geschädigten führt. Zwar mag in aller Regel dem Interesse des oder der Geschädigten damit gedient sein, dass ihm oder ihr zu dem Zeitpunkt, zu dem er oder sie es benötigt, ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung steht. Die durch die gegnerische Haftpflichtversicherung vermittelte Verfügbarkeit eines Ersatzfahrzeugs kann jedoch dann zu höherem Aufwand für den Geschädigten führen, wenn bestimmte Ausstattungsmerkmale gewünscht werden, sich kurzfristig Änderungen im Bezug auf den Anmietungszeitpunkt ergeben oder auch während des Gebrauchs des Fahrzeugs Schwierigkeiten (z.B. Unfall oder technische Pannen) auftreten. Derartige Überlegungen bei der Entscheidung des Geschädigten, ob er den von der gegnerischen Haftpflichtversicherung angebotenen „Vermittlungsvorschlag“ annehmen soll oder nicht, sind jedenfalls naheliegend und führen aus Sicht der Kammer zusammen mit dem Umstand, dass hier die Haftpflichtversicherung des Schädigers, die unter Umständen den eigenen Interessen diametral entgegengesetzte Interessen verfolgt, und nicht der eigene Vertragspartner ein Angebot unterbreitet, zu dem Ergebnis, dass keine Verpflichtung des oder der Geschädigten besteht, auf das Vermittlungsangebot der Beklagten einzugehen. Dem Geschädigten kann es nicht zur Last gelegt werden, dass er sich an einen Vertragspartner seines Vertrauens vor Ort wendet.
Ein weiteres Argument, dass der oder die Geschädigte dem Angebot nicht Folge leisten muss, leitet sich daraus her, dass dieses Verhalten, welches im vorliegenden Fall die Beklagte durch ihr Schreiben vom 24.05.2007 und das mit der Geschädigten geführte Telefonat gezeigt hat, auch als wettbewerbswidrig zu bezeichnen war und daß es – entgegen der Auffassung des Erstgerichts – deshalb für die Geschädigte überhaupt nicht zumutbar war, auf das Angebot der Beklagten einzugehen.
Aus Sicht der Kammer liegt ein Verstoß gegen § 3 i. V. m. § 4 Nr, 1 UWG vor. Ganz allgemein sehen Rechtsprechung und Literatur die von § 3 UWG geschützte Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers zumindest dann beeinträchtigt, wenn
1. die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers nicht hinnehmbar gesteuert werden soll oder
2. das beeinflussende Verhalten für sich allein bereits rechtswidrig ist.
Konkret liegt eine nicht hinnehmbare Steuerung etwa immer dann vor, wenn auf eine Verbraucherentscheidung im Vorfeld verfälschender Druck ausgeübt wird. Druck in diesem Sinne kann auch ein wirtschaftlicher Druck sein. Wird demnach einem Verbraucher gedeutet, daß ihm wirtschaftliche Nachteile entstehen, wenn er eine ihm angetragene geschäftliche Entscheidung ablehnt so ist dies unlauter (vgl. Staehlin, NZV2007, S. 105,107 m. w. N.).
Das OLG Düsseldorf (NZV1995,450 ff.) hat deshalb entschieden, daß es für einen gegnerischen Kfz-Versicherer verboten sei, auf einen Verbraucher im Nachgang zu einem Unfall mit Vorschlägen zu Ersatzwagen oder Reparaturwerkstatt einzuwirken. Regelmäßig bestünde nämlich die Gefahr, daß ein Verbraucher den Regulierungsvorschlägen eines Kfz-Versicherers nur deshalb folge, weil er Auseinandersetzungen mit ihm als wirtschaftlich weitaus stärker empfundenen Gegner vermeiden wolle.
Ferner wird eine inadäquate Steuerung dann versucht, wenn dem Verbraucher für dessen Auswahlentscheidung bewußt solche Informationen vorenthalten werden, die er erwarten darf oder sogar zwingend benötigt. Rechtsprechung und Lehre formulieren damit ein Transparenzgebot. Bereits der bloße Eindruck einer Zwangsbindung an Regulierungsvorschläge des gegnerischen Kfz-Versicherers muß vermieden werden. Deshalb ist die Kfz-Versicherung des Schädigers verpflichtet, klar zu stellen, daß der Geschädigte dem Grunde nach jedes Mietwagenuntemehmen seiner eigenen Wahl beanspruchen darf, so lange er dabei nur der gesetzlichen Schadensminderungsobliegenheit Rechnung trägt. AlIerdings liegt eine unangemessene Beeinflussung des Verbrauchers auch dann noch vor, wenn ein Versicherer ihm gegenüber weiterhin – ohne dies aufzudecken – die Sonderpreise der Kooperationspartner benennt, wie dies vorliegend, da das klägerische Vorbringen, die Geschädigte hatte selbst kein Fahrzeug zu den genannten Konditionen anmieten können, nicht substaniiert bestritten wurde, offensichtlich der Fall war.
Zutreffend weist Staehlin (a. a. 0.) – so auch die bereits dargelegte Auffassung der Kammer darauf hin, daß, wenn man das Dogma einer unbeeinflußten Auswahlentscheidung eines Verbrauchers ernst nimmt, gewährleistet sein muß, daß ein Verbraucher regelmäßig auch ohne die Vermittlung durch einen Versicherer, mithin selbständig, noch ein derartige Preise anbietendes Unternehmen wird finden können.
Wegen der marktunüblichen, einzigartigen Preisempfehlung, ist es dem durchschnittlichen Verbraucher – will er dem Vermittlungsvorschlag des Versicherers nicht folgen – entweder rein tatsächlich nicht möglich oder rechtlich unzumutbar, auf dem freien Markt einen dementsprechen -den – oder auch nur einen dem annähernd gleichkommenden Preis zu finden. In aller Regel wird ein Verbraucher selbständig nämlich nur Unternehmen mit den marktüblichen Preisen finden, die über der Preisempfehlung der gegnerischen Haftpflichtversicherung liegen. Will er einen der Empfehlung des Versicherers auch nur nahekommenden Preis selbständig finden, muss er eine umfassende Marktanalyse starten. Eine solche Analyse mutet ihm die Rechtssprechung aber gerade nicht zu (vgl. Staehin NZV 2007, Seite 399).
Was die mögliche Widerrechtlichkeit des Verhaltens der Beklagten anbelangt, so ist dazu festzuhalten, dass § 115 Abs. 1 Satz 3 VVG einen Kfz-Versicherer von vornherein nur zur Schadensersatzleistung in Geld berechtigt, entgegen § 249 Abs. 1 BGB also nicht selbst zur Naturalrestitution. Hintergrund ist, dass ein Versicherer Art und Maß der Schadensbeseitigung nicht bestimmen können soll, sondern die Entscheidung darüber allein dem Geschädigten vorbehalten sein soll. Das Verbot der Naturalrestitution kann der Versicherer auch nicht dadurch umgehen, indem er einen Dritten mit der Erledigung der Arbeiten beauftragt. Normativ ist demnach jede Tätigkeit eines Dritten unzulässig, die sich als eine Erfüllungsgehilfenhandlung darstellt, wenn man die Regelung des § 115 Abs. 1 Satz 3 WG hinwegdenkt und demnach der Dritte mit Wissen und Wollen des Versicherers eine originäre Restitutionsverbindlichkeit erfüllt. Zwar beauftragt die Beklagte den eigenen Bekunden nach das mit ihr kooperierende Mitetwagenunternehmen nicht selbst, sondern will dessen Leistung nur „vermitteln“. Da aber der rechtliche Gehalt eines Vorgangs nicht durch die privatautonome Vereinbarung oder gar die einseitige Benennung einer Partei bestimmt wird, muss anhand der der „Vermittlung“ zugrundeliegenden tatsächlichen Umstände geprüft werden, ob sie eher den einen Auftrag oder eine Vermittlung bestimmenden normativen Kriterien entsprechen. Vorliegend ergibt sich aus den Umständen, dass die Beklagte die Mietwagenbestellung letztlich doch nur als verdecktes Eigengeschäft organisiert und das Kooperationsunternehmen im Auftrag und für Rechnung der Beklagten handelt. Dies folgt daraus; daß die Beklagte die Einzelheiten des „vermittelten“ Vertragsangebots maßgeblich selbst bestimmt haben dürfte.
Staehlin (a. a. O.) führt weiter aus, daß bei dem Vorgehen der Beklagten, wie im vorliegenden Fall, auch Verstöße gegen weitere Vorschriften des UWG (§ 3 i. V. m. § 4 Nr. 2 UWG sowie § 3 i. V. m. § 7II2 UWG) gageben sind.
Unabhängig davon, daß die praktizierte, massive Verbrauchersteuerung schon im Ansatz durch das Wettbewerbsrecht verboten ist, fragt sich, welche Auswirkungen ein gleichwohl erfolgter Vermittlungsversuch auf die rechtliche Anspruchsprüfung hat. Die Kammer kann insoweit – wie bereits dargestellt – dem Erstgericht nicht folgen, welches die Auswirkungen lediglich auf das Verhältnis Kfz-Versicherer – Mietwagenunternehmen beschränken will. Nimmt man mit den Vorstehenden an, daß die Fahrzeugvermittlung durch den Versicherer unzulässig und damit zu unterlassen war, liegt es für die hier zu betrachtende Frage auf der Hand, daß das rechtswidrige Verhalten des Versicherers auch weiter keine wirksamen Rechtsfolgen nach sich ziehen kann. Aus Sicht der Kammer ist es einem Geschädigten nicht zumutbar, nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb rechtswidrige Handlungen eines Versicherungsunternehmens dadurch zu verstärken, daß er die unter Verstoß gegen das UWG zustande gekommenen Vermittlungsaktionen in Anspruch nimmt.
Daß hier vorliegend ein wettbewerbswidriges Verhalten der Beklagten gegeben ist, ergibt sich auch aus der Art und Weise, wie das Vermittlungsangebot an den Geschädigten oder die Geschädigte herangetragen wird.
Die angeblich zugänglichen Mietwagenpreise liegen nur wenig über den Nutzungsausfallpauschalen. Es wird jedoch in dem Schreiben nicht darauf hingewiesen, daß diese Mietwagenpreise für den Geschädigten nicht frei zugänglich sind. Es erfolgt deshalb auch kein Hinweis auf Mietwagenunternehmen in näherer Umgebung am Wohnsite des Geschädigten. Will der Geschädigte tatsächlich ein Fahrzeug zu diesen Preisen anmieten, so ist er gezwungen, sich mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung in Verbindung zu setzen. Der subtile Druck, der dadurch erzeugt wird, erscheint der Kammer als wettbewerbswidrig und – wie bereits dargestellt – geeignet, hier von fehlender Zumutbarkeit auszugehen. Dem Geschädigten oder der Geschädigten ist es nicht zumutbar und sie/er ist auch nicht verpflichtet, sich an die gegnerische Haftpflichtversicherung zu wenden, um deren speziell subventionierte „Vermittlungsangebote“ in Anspruch zu nehmen.
Im vorliegenden Fall ist aus Sicht der Kammer auch der in Ansatz gebrachte Preis nicht zu beanstanden. Zwar liegt der von der Klägerin der Geschädigten in Rechnung gestellte Preis von 461,22 € nur knapp unter dem Preis der Schwacke-Liste 2006 mit 467,60 € (Im Klageschriftsatz ist insoweit ein Rechnungsfehler enthalten als dieser Preis mit 567,60 € dargestellt wurde). Die Kammer hält mit dem Erstgericht allerdings an ihrer Auffassung fest, dass die Schwacke-Liste 2006 nach wie vor als Schätzgrundlage für die Feststellung des angemessenen Tarifs geeignet ist, zumal ein Vergleich mit der von den Versicherungsunternehmen nicht angegriffenen Schwacke-Liste 2003 zeigt, dass sich die im vorliegenden Fall relevanten Tagespreise im Schnitt nur um 5.- € erhöht haben. Zwar stellt sich im vorliegenden Fall die Frage, ob grundsätzlich überhaupt ein Zuschlag zu gewähren wäre, da das Fahrzeug der Geschädigten nach dem Unfallgeschehen fahrbereit blieb und die Reparatur erst eine Woche nach dem Unfalltag begann. Rechnet man den Zuschlag aus der Vergleichsberechnung nach Schwacke 2006 weg, verbleibt ein Betrag von 397,70 €. Die klägerische Abrechnung liegt knapp 64.- € über diesen Betrag, was aus Sicht der Kammer angesichts des Umstandes, dass die Beklagte nicht verpflichtet war, den billigsten Tarif in Anspruch zu nehmen, noch innerhalb der Toleranzgrenze liegt, die § 287 ZPO vorgibt.
Die Kammer hat die Revision zugelassen, weil aus ihrer Sicht die von der Beklagten aufgeworfene, im vorliegenden Fall allein maßgebliche Frage, ob ein Geschädigter verpflichtet ist, auf das Vermittlungsangebot der Beklagten einzugehen, von grundsätzlicher Bedeutung ist.
So die aus meiner Sicht hochinteressanten Ausführungen des LG Weiden. Dies gilt insbesondere zu den Urteilsgründen auch aus wettbewerbsrechtlicher Sicht.
Dieses Urteil ist sehr lesenswert, denn der Richter oder die Richterin hat sich lobenswert ausführlich mit der Frage nach Zugänglichkeit und Verhalten der Schädigerversicherung befasst.
Grüße
Andreas
Hi Babebelfisch,
das Urteil ist hinsichtlich der Zumutbarkeit tatsächlich lesenswert. Die Kammer hat auch hervorragend den psychologischen Druck auf den Geschädigten herausgearbeitet.
Eine prima Entscheidung. Danke.
Willi Wacker
Der Beck-Verlag hat das Urteil in der August-Ausgabe der NZV veröffentlicht: NZV 2009, 398 m.w.N.
Hallo Herr Boris Schlüszler,
das Urteil des LG Weiden ist auch veröffentlicht in der NJW-RR 2009, 675 ff.mit Hinweis auf BGH NJW-RR 2008, 689 und BGH NJW 2006, 2106. Die NJW-RR erscheint auch im C.H.Beck-Verlag München und Frankfurt.
Hallo Herr Wortmann!
Vielen Dank für den Hinweis.
Hallo Leute,
bei der Analyse des VW-Urteils des BGH vom 20.10.2009 – VI ZR 53/09 – fiel mir auch die Entscheidung des LG Weiden in die Hand. Die Zivilkammer des LG Weiden hat mit obigem Urteil bereits Entscheidungsgründe des BGH aus dem Urteil vom 20.10.2009 vorweggenommen, indem das LG Weiden entschieden hat, dass der Geschädigte sich nicht auf einen günstigen Mietwagentarif verweisen zu lassen braucht, wenn dieser Tarif nur durch die vermittelnde Tätigkeit der gegnerischen Haftpflichtversicherung zugänglich ist. Zwar hatte der BGH nur die freien Kfz-Werkstätten (Referenzwerkstätten) der Haftpflichtversicherer mit ihren Sondervereinbarungen angesprochen, aber die vom BGH angesprochene Unzumutbarkeit der Verweisung kann auch auf Sachverständige und Mietwagenunternehmen übertragen werden. Sondervereinbarungen der Haftpflichtversicherungen bleiben Sondervereinbarungen, egal ob im Bereich Kfz-Werkstätten, Mietwagenfirmen oder bei Sachverständigen. Wenn der Tarif oder das Entgelt nicht marktüblich ist, ist es für den Geschädigten unzumutbar darauf verwiesen zu werden. Dies gilt allgemein. Die Frage der Zumutbarkeit oder der Unzumutbarkeit der Verweisung wurde daher schon vor dem VW-Urteil von den Instanzgerichten auch im Sinne des später entscheidenden VI. Zivilsenates gesehen.
Deshalb auch in der Nachschau ein schönes Urteil des LG Weiden. Danke Babelfisch.
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker