OLG Celle ändert landgerichtliches Urteil ab und verurteilt die Landschaftliche Brandkasse Hannover zum Schadensersatz bei unterlassener Abdeckung einer Sand- und Kiesfuhre mit Berufungsurteil vom 26.11.2014 – 14 U 77/14 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und Leser,

nachfolgend geben wir Euch hier mal ein etwas anderes Berufungsurteil zu einem Verkehrsunfall bekannt. Es handelt sich um eine Fahrzeugbeschädigung durch Steinschlag. Der ist dadurch entstanden, dass ein Lkw-Fahrer es unterlassen hatte, eine Abdeckung über die Ladefläche zu spannen. Das in zweiter Instanz getroffene Urteil ist unserer Ansicht nach eine zutreffende Entscheidung. Die Redaktion dieses Blogs empfindet es grundsätzlich als Zumutung, wenn die Lkw-Fahrer mit ihrem Sand, Kies und den Steinen ohne Plane durch die Gegend fahren. Aus der Straßenverkehrsordnung heraus ist der Fahrer verpflichtet, für einen sicheren Transport der Ladung zu sorgen. Kein anderer Verkehrsteilnehmer darf gefährdet oder geschädigt werden. Dem Versicherer kann daher nur empfohlen werden, bei fehlender Abdeckplane des schadensverursachenden Lkws entsprechend Regress zu nehmen. Was denkt Ihr? Gebt bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

Oberlandesgericht Celle

Im Namen des Volkes

Urteil

14 U 77/14                                                                                       Verkündet am
4 O 357/12 Landgericht Stade                                                          26. November 2014

In dem Rechtsstreit

Kläger und Berufungskläger,

gegen

1. …

2. Landschaftliche Brandkasse Hannover, vertreten durch den Vorstand Hermann Kasten, Jochen Herdecke, Thomas Krüger u. a., Schiffgraben 4, 30159 Hannover

Beklagte und Berufungsbeklagte,

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. November 2014 durch die Richterin am Oberlandesgericht … als Einzelrichterin für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 15. April 2014 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Stade abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger € 4.714,14 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. Dezember 2012 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, den dem Kläger entstehenden Schaden aus dem Vorfall vom xx. September 2012 auf der B 73 zwischen Neuhaus und Belum zu erstatten.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe (§§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO):

Die zulässige Berufung des Klägers ist in vollem Umfang begründet.

Der Kläger hat gegenüber den Beklagten einen Anspruch auf Ersatz des ihm durch den Verkehrsunfall vom xx. September 2012 zwischen Neuhaus und Belum auf der B 73 entstandenen Schadens. Der Kläger hat den Nachweis geführt, dass sein Fahrzeug zum Schadenszeitpunkt unmittelbar hinter dem LKW der Beklagten zu 1, der am xx. September 2012 bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversichert war, geführt wurde. Es spricht ein Anschein für die Verursachung der am Fahrzeug des Klägers feststellbaren Schäden durch die im Ladegut des LKW (Sand) enthaltenen Steine. Diesen Anschein haben die Beklagten nicht entkräftet.

1.       Für die Annahme der Schadensverursachung durch Ladungspartikel des LKW der Beklagten sind folgende Gesichtspunkte maßgeblich:

a)        Der Senat sieht es aufgrund der vom Kläger gefertigten Lichtbilder, seinen Angaben sowie den Bekundungen des Zeugen … erwiesen an, dass der Kläger den PKW Kia Sorento mit dem amtlichen Kennzeichen … am xx. September 2012 auf der B 73 zwischen Neuhaus und Belum hinter dem LKW der Beklagten zu 1 mit dem amtlichen Kennzeichen … , der damals vom Zeugen W. geführt wurde, fuhr.

b)        Aufgrund der Angaben des Zeugen W. steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der LKW seinerzeit Sand mit einer Korngröße von 0 bis 2 mm transportierte.

c)        Der vom Gericht beauftragte Sachverständige O. ist in seinem Gutachten vom 28. November 2013 (Gutachten S. 14) zu dem Ergebnis gelangt, dass Sand dieser Körnung noch mit Steinen mit einem maximalen Durchmesser von 1 cm durchsetzt ist, also auch Bestandteile enthalte, also größer als 2 mm sind.

Die Veränderungen an der Fahrzeugoberfläche sind nach der Darstellung des Sachverständigen anlässlich seiner mündlichen Anhörung durch das Landgericht (Bl. 104 d. A.) durch den Aufprall von Partikel von bis zu 1 cm Durchmesser zurückzuführen.

Der Sachverständige ist darüber hinaus zu dem Ergebnis gelangt, dass die am Fahrzeug des Klägers feststellbaren Schäden, auf die der Kläger seine Zahlungsforderung stützt, Steinschlagschäden seien (S. 20 des Gutachtens).

Weiterhin hat der Sachverständige O. ausgeführt, es sei denkbar, dass Steine aus dem Bereich der Ladekante gerutscht und von dort heruntergefallen sind. Außerdem sei es denkbar, dass die vom LKW heruntergefallenen Steine von dessen Reifen aufgenommen und wiederhochgeschleudert wurden.

Der Sachverständige O. hat in seinem Gutachten vom 28. November 2013 erklärt (S. 1 d. Gutachtens), es ließe sich aus technischer Sicht ein Anprall der Ladungspartikel gegen die Motorhaube, die Frontscheibe und das Fahrzeugdach des Fahrzeugs des Klägers erklären.

Kleinere Steine könnten durch fahrdynamisch bedingte Aufbaubewegungen von der Ladefläche gelöst werden, wie sie beim Überfahren eines Absatzes auftreten. Während des „Schwebezustands“ bewege sich das Transportfahrzeug im Vergleich zu den Ladungsteilchen weiter. Die Positionsveränderung könne so groß sein, dass sich der LKW vollständig unter dem Teilchen durch bewege (S. 17 des Gutachtens). Es sei auch möglich, dass sich die Bewegungsrichtung der Ladungsteilchen umdrehe.

2.         Zwar hat der Sachverständige O. in seinem Gutachten (S. 22) erklärt, aufgrund der geringen räumlichen und zeitlichen Distanz zwischen dem Kläger- und dem Beklagtenfahrzeug lasse sich der Aufbau der erforderlichen Differenzgeschwindigkeit nicht erklären. Dies steht der streitgegenständlichen Schadensverursachung aber deshalb nicht entgegen, weil das Fahrzeug des Klägers, auch bevor es nah an den LKW zum Zweck des Überholens aufgeschlossen ist, schon bereits hinter diesem gefahren ist und der Aufprall einzelner Ladungspartikel zu diesem Zeitpunkt erfolgt sein kann und infolge der Gesamtumstände dafür ein Anschein besteht.

3.        Anlässlich seiner mündlichen Anhörung durch das Landgericht hat der Sachverständige O. erklärt (Bl. 104 d. A.), es sei aus seiner Sicht nicht erklärlich, dass aus demselben Vorgang Schadensstellen sowohl am Kühlergrill als auch im Bereich des Fahrzeughecks auf dem Dach entstanden sein sollen. Bei den unterschiedlichen Beschädigungen habe sich der Abstand verändern oder die Geschwindigkeit des Klägerfahrzeugs erhöhen müssen.

Dies steht der streitgegenständlichen Schadensverursachung deshalb nicht entgegen, weil der PKW des Klägers tatsächlich eine Zeit lang mit unterschiedlichem Abstand hinter dem LKW der Beklagten gefahren ist.

4.        Weiter hat der Sachverständige anlässlich seiner mündlichen Anhörung durch das Landgericht erklärt, gegen eine einheitliche Schadensverursachung spreche, dass nicht alle auf das Fahrzeug des Klägers auftreffenden Gegenstände aus der gleichen Bewegungsrichtung gekommen seien (Bl. 104 d. A.).

Eine Verschiebung der Bewegungsrichtung ist aber bereits deshalb naheliegend, weil sowohl der LKW als auch der PKW während der Zeitspanne, in der sie hintereinander gefahren sind, ihre Position, insbesondere infolge des Straßenverlaufs, auch seitlich versetzt, verändert haben.

5.        Anders als die Beklagten meinen, kommt es nicht darauf an, ob Steine mit einer Größe von 1 cm durch den Fahrtwind vom LKW herabgeweht werden können. Denn Siteine dieser Größe können jedenfalls vom LKW herabfallen und dadurch gegen das Fahrzeug des Klägers prallen. Insoweit hat der Sachverständige O. ausdrücklich dargestellt, kleinere Steine könnten durch fahrdynamisch bedingte Aufbaubewegungen von der Ladefläche gelöst werden, wie sie beim Überfahren eines Absatzes auftreten.

6.        Letztlich sind die Beklagten auch dem differenzierten Parteivortrag des Klägers durch die von ihm eingeholten Parteigutachten des Sachverständigen D. (Bl. 108 a ff. und 154 ff. d. A.) nicht mit vereinzeltem Vorbringen entgegen getreten.

7.        Der Sachverständige O. musste nicht erneut angehört werden. Der Senat legt dessen gutachterliche Feststellungen vollständig der Entscheidung zugrunde und weicht davon nicht ab. Lediglich soweit der Sachverständige auf die Abstände zwischen den beiden Fahrzeugen, die jeweils gefahrenen Geschwindigkeiten soweit deren versetzte Positionen abgestellt hat, kommt das Gericht zu einem anderen Ergebnis. Insoweit handelt es sich aber nicht um Umstände, die der sachverständigen Bewertung unterlägen und bei denen es auf dessen Sachkunde ankäme. Vielmehr geht es dabei lediglich um einen tatsächlichen Hergang.

8.        Die eigene Schadensschilderung durch den Kläger steht dem Anschein der Schadensverursachung durch Ladung des LKW der Beklagten ebenfalls nicht entgegen.

Zwar hat der Kläger erklärt, es sei Sand vom LKW geflogen, woraufhin es geknistert und geknallt habe; nach den Feststellungen des Sachverständigen O. kann Sand die Schäden aber nicht verursacht haben. Auf diese subjektive Fehlwahrnehmung des Klägers kommt es aber nicht an. Entscheidend ist allein, dass der Sand auch kleinere Steinchen beinhaltet hat, die nach der Darstellung des Sachverständigen O. die Steinschlagschäden am Fahrzeug des Klägers verursachen konnten.

9.        Aufgrund der Fahrzeugbeschädigungen hat der Kläger einen Zahlungsanspruch gegenüber den Beklagten in Höhe von € 4.034,89. Der Sachverständige … ist in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Summe zur Schadensbeseitigung erforderlich sei. Dem sind die Beklagten nicht entgegengetreten.

10.      Darüber hinaus hat der Kläger gegenüber den Beklagten einen Anspruch auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz des weiteren Schadens aus dem Vorfall vom 12. September 2012.

Ein berechtigtes Feststellungsinteresse besteht, weil sich nicht ausschließen lässt, dass sich erst bei der späteren tatsächlichen Ausführung der Fahrzeugreparatur weitere notwendige Aufwendungen zur Instandsetzung des PKW oder Schäden zeigen, die derzeit noch nicht konkret beziffert werden können.

11.      Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 ZPO) liegen nicht vor.

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