OLG Celle urteilt zu einer Haftungsverteilung bei einem Unfall zwischen Lkw und wendendem Pkw auf Bundesstraße 73 bei Stade mit Berufungsurteil vom 10.12.2014 – 14 U 139/14 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

nachstehend veröffentlichen wir für Euch hier ein Urteil aus Celle zur Haftungsteilung. Dabei ging es um ein Wendemanöver eines Pkw-Fahrers auf einer Bundesstraße, nämlich der B 73 im Bereich Stade. Von hinten näherte sich ein Lkw.  Es kam, wie es kommen musste, es kam zu einer Kollision der Fahrzeuge. Streitig war die Haftungsquote. Hierzu hat das OLG Celle nun entschieden und die überwiegende Haftung zu Lasten des Wendenden und seiner Haftpflichtversicherung zugewiesen. Lest selbst das Berufungsurteil des OLG Celle und gebt bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker

Oberlandesgericht Celle

Im Namen des Volkes

Urteil

14 U 139/14                                  Verkündet am
2 O 69/14 Landgericht Stade                                                              10. Dezember 2014

In dem Rechtsstreit

Klägerin und Berufungsklägerin,

gegen

1. …

2. …

Beklagte und Berufungsbeklagte

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. November 2014 durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 23. Juli 2014 teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin € 2,282,83 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20- März 2014 zu zahlen sowie weitere € 83,85.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben die Klägerin zu 67 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 33 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe (§§540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO):

Die zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet.

Die der Klägerin infolge des streitgegendständlichen Verkehrsunfalls vom 19. Dezember 2012 entstandenen Schäden sind nach einer Haftungsquote von 1/3 zu 2/3 zu Lasten der Beklagten auszugleichen. Insoweit war das Urteil des Landgerichts teilweise abzuändern.

1.        Dass das streitgegenständliche Unfallereignis für den Fahrer des LKW der Klägerin unabwendbar im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG gewesen sei, hat diese nicht nachgewiesen. Aber auch die Beklagten haben eine Unabwendbarkeit des Unfalls im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG für den Beklagten zu 1 als Fahrer des am Unfall beteiligten. PKW nicht nachgewiesen. Somit bestimmt sich die Haftungsverteilung unter Berücksichtigung der jeweiligen Verursachungs- und Verschuldensbeitrage gemäß § 17 Abs, 1 und 2 StVG. Insoweit kommt es daher für die Ermittlung der Haftungsquote darauf an, inwieweit der Schaden überwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Die Gesamtbetrachtung rechtfertigt eine Haftungsquote von 1/3 zu 2/3 zu Lasten der Beklagten.

2.        Der Fahrer des LKW der Klägerin hat den Unfall mitverschuldet.

Dieser Fahrer hat gegen die ihm gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO obliegende Verpflichtung verstoßen. Er durfte nur so schnell fahren, dass er innerhalb der übersehbaren Wegstrecke halten konnte, was hier nicht der Fall war, da es sonst nicht zur Kollision hätte kommen können.

Der Klägerin hätte insoweit der Beweis oblegen, dass der Beklagte zu 1 das Wendemanövor so unvorhersehbar vorgenommen hätte, dass der Fahrer ihres LKW damit nicht hätte rechnen und sein Fahrverhalten entsprechend einstellen können. Derartiges haben sie indes nicht bewiesen, (siehe auch 4. b).

3.  a)   Da der Beklagte zu 1 unstreitig beabsichtigt hat, sein Fahrzeug auf der B 73 zu wenden, hat er den Sorgfaltsanförderungen aus § 9 Abs. 5 StVO unterlegen. Er musste sich also so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war. Da es im Rahmen dieses Wendemanövers zu dem Verkehrsunfall gekommen ist, spricht gegen den Beklagten zu 1 der erste Anschein, dass er diesen Anforderungen nicht genügt hat (vgl. auch BGH, DAR 1984, S. 85, Az.: VI ZR 141/82).

b)        Unerheblich ist es insoweit, dass sich die Kollision der beiden Fahrzeuge auf der Gegenfahrbahn ereignet hat, weil sich der Verkehrsunfall gleichwohl noch im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang; zum Wendemanöver ereignet hat und dieses für den Beklagten zu 1 noch nicht abgeschlossen war.

c)        Die Beklagten haben den Anschein, der Beklagte zu 1 habe gegen die Sorgfaltspflicht des § 9 Abs. 5 StVO verstoßen, nicht entkräftet.

aa)      Die Beklagten haben zwar in der Klageerwiderung behauptet (Bl. 62 d. A.), der Beklagte zu 1 habe bei einer ersten Rückschau währgenommen, dass sich der LKW der Klägerin in großer Entfernung hinter ihm befunden habe. Anschließend habe er den linken Blinker gesetzt, sich nochmals darüber vergewissert, dass der Abstand zum LKW noch deutlich gewesen sei, seine Fahrgeschwindigkeit deutlich verringert und sei sodann zum Wenden nach links abgebogen. Zum Beweis dieser Behauptung haben sich die Beklagten ausschließlich auf die Parteianhörung des Beklagten zu 1 berufen.

Zwar hat der Beklagte zu 1 anlässlich seiner Anhörung durch das Landgericht und im Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren insoweit erklärt, er habe zunächst geblinkt und dann das Wendemanöver begonnen, indem er über die Mitte der Gegenfahrbahn: gefahren sei. Dabei sei es zur Kollision gekommen.

bb)     Indes hat der Unfallzeuge … im Ordnungswidrigkeitenverfahren
schriftlich erklärt, Blinkzeichen habe der Fahrer des Mercedes, also der Beklagte zu 1, vor dem Wendemanöver nicht vorgenommen.

Bei Berücksichtigung dieser Gesamtumstände ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht nicht die Überzeugung gewonnen hat, der Beklagte zu 1 habe das Wendemanöver rechtzeitig i. S. v. § 9 Abs. 5 StVO angezeigt und eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen.

cc)      Anders als die Beklagten meinen, ist es unerheblich, dass sich die Kollision auf der Gegenfahrbahn ereignet hat und der Zusammenstoß vermieden worden wäre, wenn der Fahrer des LKW der Klägerin auf seiner Spur geradeaus weiter gefahren wäre. Durch die besonderen Sorgfaltsanforderungen gemäB § 9 Abs. 5 StVO bei Wendemanövern soll der nachfolgende Verkehr auch davor geschützt werden, dass er infolge eines unerwarteten Wendens zu einer objektiv falschen Ausweichreaktion veranlasst wird. Dies soll durch das Gebot, das beabsichtige Fahrmanöver ausreichend rechtzeitig anzukündigen, so dass sich der nachfolgende Verkehr darauf sachgerecht einsteilen kann und dadurch objektiv ungeeignete Ausweichfahrbewegungen vermieden werden, gewährleistet werden. Das falsche Reagieren eines Verkehrsteilnehmers begründet dann kein Verschulden, wenn er in einer ohne sein Verschulden eingetretenen, für ihn nicht voraussehbaren Gefahrenlage keine Zeit zu ruhiger Überlegung hat und deshalb nicht das Richtige und Sachgemäße unternimmt, um den Unfall zu verhüten, sondern aus verständlicher Bestürzung objektiv falsch reagiert (vgl. auch BGH, Urt. v. 16. März 1976, VI ZR 62/75 = DAR 1976, 184; OLG München, Urteil vom 24. April 2013 – 10 U 3820/12-Juris).

dd)      Entgegen der Annahme der Beklagten ist es im Ergebnis unerheblich, ob der Fahrer des LKW der Klägerin statt mit einer zulässigen Geschwindigkeit von 60 km/h das Fahrzeug mit 80 km/h geführt hat und ob unterschiedliche Längen der festgestellten Bremsspuren auf einen Mangel der Bremsanlage des LKW hindeuten. Im Ergebnis steht fest, dass dieses Fahrzeug unter Verstoß gegen die Regelung des 3 Abs. 1 Satz 4 StVO nicht lediglich so schnell geführt worden ist, dass es innerhalb der überschaubaren Wegstrecke anhalten konnte. Dies führt auch zur Mithaftung der Klägerin. Einen außergewöhnlich gravierenden Pflichtenverstoß, der eine höhere Mithaftung rechtfertigen würde, behaupten die Beklagten indes nicht. Ein Unfallrekonstruktionsgutachten war daher nicht einzuholen.

4.       Anders als die Klägerin meint, musste der Zeuge … nicht erneut
durch den Senat vernommen werden.

a)       Dieser Zeuge ist Mitarbeiter der Klägerin, so dass ihr etwaige Schwierigkeiten des Zeugen beim Verständnis der deutschen Sprache bekannt sein mussten, weshalb sie bereits vor dessen Vernehmung durch das Landgericht darauf hätte hinweisen müssen, dass aus ihrer Sicht die Hinzuziehung eines Dolmetschers notwendig sei.

b)       Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass die insgesamt nicht nachvollziehbaren Erklärungen des Zeugen zum Unfallgeschehen ihre Ursache in Schwierigkeiten des Zeugen beim Verstandhis der Sprache hätten. Der Zeuge hat sich nicht außerstande gezeigt, auf die an ihn gerichteten Fragen zu antworten. Vielmehr hat er einen Unfallhergang geschildert, der von keiner der Parteien dargestellt worden ist und mit den festgestellten Unfallspuren unvereinbar ist. Zutreffend hat das Landgericht dies dahingehend gewertet, dass dieser Zeuge an das tatsächliche Geschehen keine konkreten Erinnerungen mehr hätte und deshalb belastbare Angaben zum Unfallablauf nicht vornehmen konnte. Das Landgericht ist aufgrund des persönlichen Eindruckes aus der Vernehmung des Zeugen zu dem Ergebnis gelangt, er sei unglaubwürdig (Urteil S. 4), so dass es seiner Darstellung zum Ablauf des Unfalls nicht gefolgt ist. Dass diese Einschätzung des Landgerichts aber i. S.v. § 529 ZPO – nur insoweit ist die angefochtene Entscheidung der Überprüfung durch das Berufungsgericht zugänglich – fehlerhaft sei, begründet die Klägerin nicht.

5 a)   Die Klägerin hat nachvollziehbar dargelegt, dass ihr infolge des Verkehrsunfalls ein Gesamtschaden in Höhe von € 13.697,02 entstanden ist. Unter Berücksichtigung der Haftungsquote der Beklagten von 2/3 ist somit ein Schadensersatzanspruch in Höhe von € 9.131,35 entstanden, auf den die Beklagten bereits eine Zahlung in Höhe von € 6.848,52 erbracht haben. Somit ist noch eine offene Zahlungsforderung der Klägerin in Höhe von € 2,282,83 gegeben.

b)       Dem Grunde: nach wenden sich die Beklagten nicht gegen folgende Schadenspositionen der Klägerin:

Reparaturkosten-                  €  10,933,37
Vorhaltekosten:                    €       982,35
Sachverständigenkosten:     €       957,69
Lohnfortzahjung:                   €      753,49
Unfallbedingter Ausfall
weiterer Mitarbeiter:              €        45,12
Nebenkostenpauschale:       €         25,-
insges.                                   €13.697,02

c)        Anders als die Klägerin meint, hat sie lediglich einen Anspruch auf Erstattung einer Nebenkostenpauschale in Höhe von € 25 statt der von ihr beanspruchten € 50. Zweck der Pauschale ist es, einen Ausgleich für allgemeine unfallbedingte Aufwendungen zu gewähren. Dass alleine dadurch, dass hier ein LKW der Klägerin verunfallt ist, erhöhte pauschale Aufwendungen entstanden seien, hat diese nicht dargetan.

d)        Über die allgemeine Kostenpauschale hinaus hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Ersatz allgemeiner unfallbedingter Fahrtkosten in Höhe von € 18,90. Diese sind vielmehr durch die Kosten pauschale mit abgegolten.

6.         Die Klägerin hat entsprechend der Haftungsquote von 2/3 auch einen Anspruch auf Erstattung ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Der Gegenstandswert richtet sich dabei nach dem Betrag der berechtigten Zahlungsforderung von € 9.131,35. Daraus errechnet sich ein Gesamtzahlungsanspruch in Höhe von € 591,35. Dass eine höhere als eine 1,3 Geschäftsgebühr gerechtfertigt wäre, hat die Klägerin nicht mit nachvollziehbarem Tatsachenvortrag aufgezeigt. Vorgerichtlich hat die Beklagte zu 2 zur Erstattung der der Klägerin entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten € 507,50 gezahlt (Bl. 61 d. A.), so dass eine noch offene Zahlungsforderung von € 83,85 verbleibt.

7.         Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Voiistreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 ZPO) liegen nicht vor.

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