Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichtes Düsseldorf hat auf die Berufung des Klägers das am 19.07.2007 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichtes Duisburg aufgehoben und neu gefasst und im übrigen die weitergehende Berufung zurückgewiesen (I-1 U 198/07 vom 10.03.2008) . Auf die Berufung hin wurde die Beklagte verurteilt, an den Kläger 3.432,00 € sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von 100,00 € jeweils mit Zinsen sowie weitere 10,00 € zu zahlen.
Aus den Gründen:
Der Kläger ist Eigentümer einer Harley Davidson Electra-Glide FLHTI. Dieses Motorrad wurde am 18.03.2006 durch einen Verkehrsunfall beschädigt. Unfallgegner war die Ehefrau des Klägers. Die Beklagte ist die Haftpflichtversicherung des unfallverursachenden Fahrzeugs. Die volle Haftung der Beklagten für die unfallursächlichen Schäden ist zwischen den Parteien unstreitig. Das Motorrad des Klägers befand sich vom 18.03.2006 bis zum 03.06.2006 zur Reparatur in einer Fachwerkstatt.
Der Kläger begehrt für diesen Zeitraum (78 Tage) Nutzungsausfallentschädigung zu einem Tagessatz von 66,00 €, insgesamt also 5.148,00 €. Ihm stand für die Reparaturzeit ein weiteres Fahrzeug (PKW) zur Verfügung. Seine Ehefrau verfügt ebenfalls über einen privaten PKW und ein weiteres Motorrad. Das ganzjährig angemeldete Motorrad nutzt der Kläger nicht nur für reine Freizeitfahrten, sondern – je nach Witterungslage – auch als alltägliches Transportmittel für Fahrten zum Arbeitsplatz etc. Neben dem Nutzungsausfall verlangt er vorgerichtliche Anwaltskosten, die er unter Zugrundelegung einer 1,8 Geschäftsgebühr berechnet. Unstreitig sind auch Anwaltskosten bereits 883,46 € von der Beklagten vorprozessual gezahlt worden.
Der Kläger behauptet, die Reparatur habe sich durch ein fehlendes Ersatzteil verzögert. Er hat in erster Instanz zudem einen in der Berufungsinstanz nicht mehr streitgegenständlichen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgelds und 10,00 € Eigenanteil an Heilbehandlungskosten geltend gemacht.
Die Beklagte hatte in erster Instanz vorgetragen, ein Nutzungsausfallanspruch käme nicht in Betracht, weil der Kläger gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen habe. Der Kläger habe nämlich auf den PKW zurückgreifen können. Soweit das Fahrzeug zu Vergnügungszwecken gefahren werde, läge ein immaterieller Schaden vor. Im Übrigen habe der Kläger nicht hinreichend für eine rasche und zügige Reparaturdurchführung Sorge getragen. Im Übrigen sei der Tagessatz für das streitgegenständliche Motorrad mit höchstens 46,00 € zu bemessen. Die vorgerichtlich geltend gemachten Anwaltskosten seien nur zu einem Gebührenfaktor von 1,3 zu berücksichtigen. Das Landgericht Duisburg -1. Zivilkammer- hat dem Kläger mit der angefochtenen Entscheidung 100,00 € Schmerzensgeld und 10,00 € Eigenanteil zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Dabei hat das Landgericht ausgeführt, es läge keine fühlbare vermögenserhebliche Entbehrung vor, weil der Kläger auf seinen PKW zurückgreifen konnte. Sinn und Zweck des Nutzungsausfallschadenersatzanspruchs sei es, den Geschädigten für die Einschränkung seiner Bewegungsfreiheit zu entschädigen. Eine solche Einschränkung habe hier aber wegen des dem Kläger zur Verfügung stehenden PKW nicht vorgelegen. Bei den Anwaltskosten war das Landgericht der Auffassung, ein Gebührensatz von 1,3 sei zutreffend und der Anspruch insoweit durch die Beklagte bereits erfüllt.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen Nutzungsausfallanspruch und teilweise die Anwaltskosten weiter.
Die Berufung ist zulässig, und teilweise begründet. Dem Kläger steht grundsätzlich ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung gemäß § 251 BGB zu. Die unstreitige Tatsache, dass dem Kläger während des Ausfallzeitraums ein PKW zur Verfügung stand, steht dem nicht entgegen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts Duisburg fehlte es dem Kläger nicht an einer „fühlbaren“ vermögensrechtlichen Entbehrung. Lediglich hinsichtlich des Zeitraums muss sich der Kläger einen Abschlag von seinem Schadenersatzanspruch in Höhe von 1/3 gefallen lassen.
Nach ständiger Rechtsprechung kann im Falle der Beschädigung eines privat genutzten Kraftfahrzeugs der Geschädigte Nutzungsausfallentschädigung für den Verlust der Gebrauchsmöglichkeit verlangen, auch wenn er keine besonderen Aufwendungen zur Überbrückung der ausgefallenen Nutzungsmöglichkeiten, wie insbesondere Mietwagenkosten, getätigt hat (zuletzt BGH Urteil vom 18.12.2007-VI ZR 62/07- und grundlegend BGHZ 40, 345; BGHZ 45, 212; BGHZ 98, 212). Grund für die Bejahung eines ersatzfähigen vermögensrechtlichen Nachteils ist die Tatsache, dass der Geschädigte mit der Anschaffung des Kraftfahrzeugs vermögenswerte Aufwendungen getätigt und sich damit die Nutzungsmöglichkeit erkauft hat (BGH a.a.O.). Das Vermögen des Geschädigten beinhaltet nicht nur den reinen Sachwert des Fahrzeuges, sondern auch die Möglichkeit zum ständigen Gebrauch und zur Nutzung desselben. Die Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs stellt deshalb gegenüber dem Substanzwert einen selbständigen Vermögenswert dar, deren Verlust schadenersatzrechtlich vom Schädiger auszugleichen ist. Eine abstrakte Nutzungsausfallentschädigung ist gleichwohl mangels einer „fühlbaren“ vermögenserheblichen Entbehrung zu versagen, wenn der Geschädigte ein ihm zur Verfügung stehendes zweites Fahrzeug zur Verfügung hatte, dessen Nutzung ihm zumutbar war (OLG Düsseldorf, VersR 2001, 208; BGH VersR 1976, 170). Ersetzt das Zweitfahrzeug den spezifischen Gebrauchsvorteil der beschädigten Sache, ist dem Geschädigten ein spürbarer Vermögensnachteil nicht entstanden. Bei Einsatz eines ansonsten nicht benutzten Zweitfahrzeuges wird der Verlust der Nutzung an dem beschädigten Fahrzeug durch den nunmehr sinnvoll gewordenen Gebrauch des bisher brachliegenden Ersatzfahrzeugs ausgeglichen (BGH NJW 1976, 286). Greift der Geschädigte trotz Vorhandensein eines Ersatzfahrzeuges auf dieses nicht zurück, kann über den Gesichtspunkt des Mitverschuldens gemäß § 254 Abs.2 BGB ein Haftungsausschluss in Betracht kommen (BGH a.a.O.).
Die beschädigte Harley Davidson des Klägers unterfällt den oben dargestellten Grundsätzen über die abstrakte Entschädigung entgangener Nutzungsvorteile. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH kommt Nutzungsausfallentschädigung nur bei Wirtschaftsgütern in Betracht, auf deren ständige Verfügbarkeit die eigenwirtschaftliche Lebensführung typischerweise ausgerichtet ist (BGZ 98, 212). Bei PKW steht außer Frage, dass die durch die Nutzung als Transportmittel gewonnene Mobilität von zentraler Bedeutung für die eigenwirtschaftliche Lebensführung ist. Dementsprechend kann auch einem Motorrad, welches diesen spezifischen Nutzungswert unzweifelhaft zumindest auch bietet, ein vermögensrechtlich relevanter Gebrauchsvorteil im Allgemeinen nicht abgesprochen werden (OLG Hamm MDR 1983, 932). Für das Motorrad des Klägers gilt in dieser Hinsicht nichts anderes.
Der Gebrauchsvorteil des Motorrades des Klägers ist ihm im Zeitraum der unfallbedingt vereitelten Nutzungsmöglichkeit entgangen. Dieser Verlust war für den Kläger auch fühlbar. Der Kläger hat glaubhaft bekundet, dass er das Motorrad sowohl für Fahrten zur Arbeit als auch für reine Freizeitfahrten benutzt. Es handelte sich daher nicht um ein reines „Freizeitfahrzeug“. Auch beim unfallbedingten Ausfall eines PKW kommt es für die Frage des Nutzungswillens und der Nutzungsmöglichkeit nicht darauf an, ob der Geschädigte tatsächlich sein Fahrzeug jeden Tag genutzt hätte. Nur in den Fällen, wenn der Geschädigte verletzungsbedingt ohnehin nicht in der Lage gewesen war, das Fahrzeug zu führen, entfällt die Nutzungsmöglichkeit.
Der Kläger kann in der vorliegenden Konstellation nicht auf die Nutzung seines PKW verwiesen werden. Voraussetzung für die Annahme, dass das Vorhandensein und die Zugriffsmöglichkeit auf ein Ersatzfahrzeug den durch den Entgang der Gebrauchsmöglichkeit des beschädigten Fahrzeugs entstandenen vermögenswerten Nachteil ausgleicht, ist, dass dem Zweitfahrzeug ein zumindest ähnlicher Nutzungswert zukommt….
Der hier zu beurteilende Gebrauchsvorteil der klägerischen Harley Davidson wird durch die Nutzung eines PKW nicht ersetzt. Die jeweiligen Nutzungswerte entsprechen sich nicht. Die beschädigte Harley Davidson ist ein Motorrad der Luxusklasse. Die Benutzung dieses besonderen Fahrzeuges befriedigt einerseits das Interesse des Klägers an Mobilität, bietet aber andererseits durch das im Vergleich zu einem PKW völlig anders geartete Fahrgefühl und die andersartige Art der Fortbewegung auch den spezifischen Gebrauchsvorteil, ein besonders hochwertiges, luxuriöses Motorrad zu fahren. Gerade diese besondere Art des Gebrauchs hat sich der Kläger erkauft. Dieser spezifische Gebrauchsvorteil ist unfallbedingt entfallen. Daher ist ein Ausschluss einer Nutzungsausfallentschädigung nicht gerechtfertigt. Nach Auffassung des Senats konnte der Kläger durch die Benutzung des PKW den konkreten spezifischen Nutzungswert seiner Harley Davidson nicht saldierend ausgleichen. Ein Mitverschuldensvorwurf kann ihm ohnehin nicht gemacht werden, da er auf das Zweitfahrzeug zurückgegriffen hat. Grundsätzlich ist es ihm daher nicht verwehrt, Nutzungsausfallentschädigung zu verlangen. Allerdings muss sich der Kläger hinsichtlich des Zeitraumes eine Begrenzung des Anspruchs gefallen lassen. Ohne Erfolg bleibt der Einwand der Beklagten, der Kläger habe gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen. Er wäre verpflichtet gewesen, eine Notreparatur ausführen zu lassen oder ein Interimsfahrzeug anzuschaffen. Hierzu hat der Senat bereits mehrfach entschieden, dass eine Obliegenheit des Geschädigten solche schadensmindernde Maßnahmen zu ergreifen, in der Regel nicht gegeben ist (vergl. Urteil des Senats vom 15.10.2007 -I-1 U 52/07-). Darlegungs- und beweisbelastet für die tatsächlichen Voraussetzungen eines Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht ist der Schädiger. Die Beklagte hat aber nichts dazu vorgetragen. Dem Kläger ist auch nicht die lange Reparaturdauer zum Vorwurf zu machen. Zeitliche Verzögerungen der Reparatur, die nicht ihre Ursache in der Sphäre des Geschädigten haben, insbesondere durch Ersatzteillieferschwierigkeiten, gehen zu Lasten des Schädigers.
Zu kürzen ist der Ersatzanspruch jedoch aus dem Gesichtspunkt des zeitweise fehlenden Nutzungswillens. Der Kläger hat selbst vorgetragen, dass er zwar grundsätzlich einen durchgehenden Nutzungswillen gehabt hätte, andererseits aber witterungsabhängig sicher nicht jeden Tag mit dem Motorrad gefahren wäre. Insbesondere ist der Senat der Überzeugung, dass der Kläger das exklusive Motorrad der Luxusklasse z.B. nicht bei Regenwetter gefahren hätte. Im Rahmen seines Schätzungsermessens erachtet der Senat daher die Annahme für gerechtfertigt, dass im Ausfallzeitraum von Mitte März bis Juni an einem Drittel aller Tage die Nutzung witterungsbedingt nicht erfolgt wäre, wenn dem Kläger sein Motorrad unbeschädigt zur Verfügung gestanden hätte. Der Senat errechnet daher einen Abschlag von 1/3.
Vorprozessuale Anwaltskosten stehen dem Kläger im Hinblick auf die bereits erfolgte Zahlung nicht mehr zu. Der Senat hält in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH (VersR 2007, 265) den Ansatz einer 1,3 Gebühr bei Abwicklung eines durchschnittlichen Verkehrsunfalles für gerechtfertigt. Der Einholung eines Gutachtens der Anwaltskammer bedurfte es nicht.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 ZPO im Hinblick auf den Einzelfallcharakter der Entscheidung nicht vorliegen.
So das umfangreiche Berufungsurteil des OLG Düsseldorf, das im Ergebnis zu Recht auch bei Luxusfahrzeugen einen Nutzungsausfallentschädigungsanspruch zuspricht, selbst dann wenn ein Zweitfahrzeug zur Verfügung steht.
Hallo Willi Wacker,
der Versicherungswirtschaft schmeckt dieses Nutzungsentschädigungsurteil des OLG Düsseldorf nicht. In der NJW-Spezial wurde durch Versicherungsanwälte bereits Kritik geäußert.
Einen schönen Abend noch.