Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
wer kennt sie nicht, die Ausreden der Kfz-Haftpflichtversicherer, um sich vor der zeitnahen Regulierung der Unfallschäden zu drücken? Wir müssen noch Akteneinsicht nehmen, der VN hat uns den Unfall noch nicht gemeldet, Wir müssen noch Ermittlungen anstellen usw. Das sind die häufigsten Antworten der Versicherer. Gleichwohl geraten die Versicherer bei eindeutiger Haftung aber bereits nach drei bis vier Wochen in Schuldnerverzug. Ausreden zählen nicht. Der Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegen den Schädiger (und dessen Versicherer) ist sofort fällig. Da aber der Schadensersatzanspruch noch nicht beziffert werden kann im Zeitpunkt der Eigentumsverletzungshandlung, bleibt dem Schädiger nach Erhalt der Schadensbelege eine Regulierungsfrist von drei bis vier Wochen, mehr nicht, um den bezifferten Schaden zu ersetzen. Danach gerät er in Schuldnerverzug. In Zeiten der schnellen Datenübertragungen ist es sogar zu fragen, ob nicht eine Frist von weniger als drei Wochen ausreicht. Was meint die geneigte Leserschaft? Nachfolgend geben wir Euch den Beschluss des OLG Düsseldorf zur Regulierungsfrist und zur Kostentragungspflicht bekannt. Lest selbst und gebt Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker
1-1 W 15/13
3 0 340/12
LG Krefeld
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF
BESCHLUSS
In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch den Richter am Oberlandesgericht … als Einzelrichter
am 4. Juni 2013
b e s c h l o s s e n :
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 15. März 2013 abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.
Gründe
Die gemäß §§ 91a Abs. 2, 269 Abs. 5 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin hat Erfolg. Die Beklagten sind als Gesamtschuldner zur Tragung der Kosten des in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärten Rechtsstreits ungeachtet der Tatsache verpflichtet, dass die Klägerin im Umfang von 15.846,66 € die Klagerücknahme in Bezug auf die Klageforderung in der ursprünglichen Höhe von 21.523,16 € erklärt hat.
Die Beklagte zu 2. hat sich – was sich der Beklagte zu 1. als ihr Versicherungsnehmer zurechnen lassen muss – durch die Zahlung der gesamten Klageforderung freiwillig in die Rolle der unterlegenen Partei begeben, nachdem sie zuvor im Sinne des § 93 ZPO Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hatte. Der Senat vermag nicht der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu folgen, es sei für die nach billigem Ermessen zu treffende Kostenentscheidung ohne Bedeutung, dass die Beklagte zu 2. der mehrfachen vorprozessualen – anfänglich noch nicht bezifferten – Aufforderung der Klägerin zur Schadensregulierung nicht nachgekommen sei.
Zutreffend ist die Eingangsfeststellung des Landgerichts, dass die Kostenentscheidung auf der Rechtsgrundlage der §§ 91a Abs. 1 Satz 1, 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO zu treffen ist. Folglich ist über die Kosten nach billigem Ermessen zu erkennen. Die Ermessensentscheidung muss zu Lasten der Beklagten ausfallen.
I.
1)
Unstreitig sind die Beklagten aufgrund eines Rotlichtverstoßes der Beklagten zu 1. in vollem Umfang für die Schadensfolgen des Unfalls einstandspflichtig, der sich am 6. August 2012 in … im Bereich der Kreuzung … zugetragen hat.
2)
Der Schadensersatzanspruch des Unfallgeschädigten gegen den Schädiger wird in der Regel sofort im Zeitpunkt der Rechtsgutverletzung fällig (BGH NJW 2009, 910). Zum gleichen Zeitpunkt tritt die Fälligkeit des Direktanspruchs gegen den Haftpflichtversicherer aus § 115 Abs. 1 Nr. 1 WG ein (Eggert in Ludovisy/Eggert/Burhoff, Praxis des Straßenverkehrsrecht, 5. Aufl., Teil 4, Rdnr. 174).
3a)
Deshalb hat sich die Klägerin zu Recht veranlasst gesehen, durch ein anwaltliches Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 8. August 2012 die Beklagte zu 2. zur Abgabe einer uneingeschränkten Regulierungszusage aufzufordern. Eine Bezifferung ihrer materiellen und immateriellen Schäden war zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich, da die Erfassung der Unfallfolgen noch nicht abgeschlossen war.
b)
Eine Regulierungszusage hat die Beklagte zu 2. in der Folgezeit indes nicht abgegeben, obwohl die Klägerin noch durch anwaltliches Schreiben vom 17. Oktober 2012 -nunmehr unter Bezifferung ihrer materiellen Schäden in Höhe von 19.500 € – für den Fall eines fruchtlosen Fristablaufs „bis Freitag“ die Klageerhebung am 22. Oktober 2012 angekündigt hatte. Die Klägerin hatte am Tag des angekündigten Eingangs der Klageschrift bei dem Landgericht (22. Oktober 2012) keine Gewissheit hinsichtlich einer uneingeschränkten Erfüllungsbereitschaft der Beklagten betreffend die damalige Hauptsacheforderung von 19.500 €, das Schmerzensgeldverlangen von 1.000 € und die vorgerichtlichen Anwaltskosten im Umfang von 1.023,16 €. Damit hatten die Beklagten Veranlassung zur Klageerhebung gegeben. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte zu 2. zuvor am 19. Oktober 2012 eine Überweisung zu 16.516,66 € auf den Weg gebracht hatte, welche bei der Klägerin am Tag der Klageerhebung drei Tage später noch nicht eingegangen war.
II.
1)
Von der prozessualen Frage, ob eine Partei im Sinne des § 93 ZPO Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat, ist die materiell-rechtliche Frage zu trennen, unter welchen Voraussetzungen der Haftpflichtversicherer im Falle der Geltendmachung eines Direktanspruchs gemäß § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG in Schuldnerverzug gemäß § 286 Abs. 1 BGB gerät. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass dem Kfz-Haftpflichtversicherer eine mehrwöchige Prüfungsfrist einzuräumen ist, vor deren Ablauf er nicht hinsichtlich einer geltend gemachten Schadensersatzforderung eines Unfallgeschädigten in Schuldnerverzug geraten kann. Die Dauer der Prüffrist wird unterschiedlich angesetzt und mit Zeiträumen zwischen zwei Wochen und sechs Wochen berücksichtigt (vgl. die Rechtsprechungsübersicht OLG München DAR 2010, 644). Die Bemessung der Prüfungsfrist hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Sie kann bei komplizierten Sachverhalten einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen. Der Senat hat Zeiträume von drei Wochen (DAR 2007, 611) bzw. vier Wochen (Urteil vom 12. April 2011, Az.: 1-1 U 146/10) als angemessen erachtet.
2)
Selbst wenn man zugunsten der Beklagten zu 2. im Rahmen der zu treffenden Billigkeitsentscheidung einen Prüfungszeitraum von drei bis vier Wochen annähme und daraus die Schlussfolgerung zöge, dass die Beklagten vor dem Ablauf dieser Frist keine Veranlassung zur Klageerhebung im Sinne des § 93 ZPO gegeben hätten, änderte dies nichts an der Feststellung ihrer gesamtschuldnerischen Kostentragungspflicht.
a)
Dabei berücksichtigt der Senat zu ihren Gunsten, dass die Prüfungsmöglichkeit der Beklagten zu 2. noch nicht mit dem Unfalldatum des 6. August 2012 in Verbindung gebracht werden kann, da ihre Prozessbevollmächtigten erst durch das anwaltliche Schreiben der Klägerin vom 28. September 2012 in den Besitz von Ablichtungen der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Krefeld zu dem Aktenzeichen 15 Js 1384/12 gelangt sind. Im Hinblick auf die übliche Postlaufzeit war die nach den Umständen angemessene Überprüfungsfrist von nicht mehr als drei Wochen am 21. Oktober 2012 und damit einen Tag vor Eingang der Klageschrift bei dem Landgericht abgelaufen.
b)
Dass für die Beklagte zu 2. keine vierwöchige oder eine noch längere Überprüfungsfrist in Ansatz gebracht werden kann, ergab sich aus dem eindeutigen Inhalt der Ermittlungsakte. Daraus ging zweifelsfrei der Rotlichtverstoß der Beklagten zu 1. als die Unfallursache hervor, die von allen durch die Polizei befragten Zeugen bestätigt wurde. Dementsprechend war in die polizeiliche Verkehrsunfallanzeige auch die Beklagte zu 1. durch die Zuweisung der Kennziffer „01″ als die mutmaßliche Unfallverursacherin aufgeführt.
c)
Bei der Prüfung der prozessualen Frage der Veranlassung zur Klageerhebung hat das Landgericht darauf abgestellt, es sei ohne die Angabe eines konkreten Betrages die Beklagte zu 2., auch bei unterstellter Zahlungswilligkeit, nicht in der Lage gewesen, eine Zahlung zu leisten. Macht man sich diesen Standpunkt zu Eigen, darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Klägerin bereits durch anwaltliches Schreiben vom 17. Oktober 2012 fruchtlos mit zweitägiger Fristsetzung die Begleichung einer Schadenssumme von 19.500 € mit Klageandrohung für das Datum des 22. Oktober 2012 angedroht hatte. Dass diese Zahlungsaufforderung hinreichend konkret war, ergibt sich aus dem Umstand, dass die Beklagte zu 2. darauf – wenn auch zu spät – mit einer Teilüberweisung von 16.526,66 € reagierte. Diese Summe setzte sich, wie das Abrechnungsschreiben der Beklagten zu 2. vom 27. November 2012 erkennen lässt, aus folgenden Einzelpositionen zusammen: Fahrzeugschaden 14.945,38 €, Pauschale 20 €, Schmerzensgeld 600 € sowie Anwaltsgebühren 961,28 €. Da die Beklagte zu 2. die Überweisung aber erst am Freitag, den 19. Oktober 2012, auf den Weg gebracht hatte, konnte sie zwangsläufig nicht, wie in dem anwaltlichen Schreiben der Klägerin vom 17. Oktober 2012 gefordert, „bis Freitag“ (19. Oktober 2012) auf dem angegebenen Anwaltskonto eingehen. Tatsächlich ist sie erst am 23. Oktober 2012 – und damit einen Tag nach Anhängigkeit der Klage – eingegangen.
d)
Unabhängig davon ist der Umstand von maßgeblicher Bedeutung, dass die Beklagte zu 2. in ihrem bezeichneten Abrechnungsschreiben vom 27. November 2012 unmissverständlich erklärt hatte, die geleisteten Zahlungen seien „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht mit dem Recht der Rückforderung“ erfolgt. Verbunden damit war der Hinweis, der beauftragte Rechtsanwalt habe noch einen Ampelphasenplan angefordert. Diese Mitteilung musste bei der Klägerin zwangsläufig den Eindruck erwecken, dass die Beklagte zu 2. noch mit der Prüfung der Schuldfrage befasst war und sie sich trotz des hinreichend eindeutigen Inhaltes der Ermittlungsakte und der zwei Tage später eingetretenen Rechtshängigkeit der Klage immer noch nicht dazu durchringen konnte, ein Schuldanerkenntnis dem Grunde nach – in welcher Form auch immer – abzugeben. Diesen Sachverhalt konnte die Klägerin im Nachhinein nur als die Bestätigung ihrer wenige Tage zuvor in die Tat umgesetzten Auffassung verstehen, einen vorbehaltslosen und vollständigen Ausgleich ihrer Unfallschäden nur im Klagewege erreichen zu können.
3a)
Entgegen der Begründung des Nichtabhilfebeschlusses des Landgerichts vom 23. April 2013 wirkt es sich auch nicht zum Nachteil der Klägerin aus, dass sie undifferenziert mit anwaltlichem Schreiben vom 14. August 2012 bezogen auf den Fahrzeugschaden den Ausgleich eines Wiederbeschaffungswertes in Höhe von 27.900 € gefordert hatte. Die anwaltliche Zahlungsaufforderung vom 17. Oktober 2012 hatte richtigerweise den Betrag von 19.500 € zum Gegenstand, der sich aus dem um 8.500 € reduzierten Wiederbeschaffungswert laut Sachverständigengutachten ergab.
b)
Der Nachweis eines gemäß § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB ersatzfähigen Mehrwertsteueranteils als Folgeschaden war unter Berücksichtigung der zugunsten der Klägerin einschlägigen Beweismaßerleichterung (§ 287 Abs. 1 ZPO) durch die Vorlage der Kopie der verbindlichen Neuwagenbestellung vom 16. August 2012 als Anlage zu dem anwaltlichen Schreiben der Klägerin vom 30. November 2012 an die Beklagte zu 2. geführt.
III.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren stellt sich auf bis zu 3.000 €.
Es besteht kein Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.
Mich wundert ehrlich, dass auf dieses interessante Urteil des OLG Düsseldorf keine Kommentare erfolgen. Besser kann ein OLG es doch nicht sagen: Nach spätestens 4 Wochen hat der Schädiger oder dessen Versicherung den Schaden zu ersetzen, ohne Wenn und Aber!!!
Das sollten sich die Herren Sachbearbeiter mal hinter die Ohren schreiben.
Was interessiert einen Amtsrichter auf Probe (!) beim AG Düsseldorf die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf ?
Gar nicht !
Die Beklagten wurden zwar zum vollen (Rest-)Schadensersatz verurteilt, die Kosten wegen der bereits geleisteten Zahlungen trägt aber der Kläger mit der Begründung, die 4-Wochenfrist sei zu kurz.