In einem Beschwerdeverfahren (17 W 33/09) im Rahmen der Kostenfestsetzung hat das OLG Köln entschieden, dass die Kosten für die Einholung eines Privatgutachtens (hier: Gutachten Dr. Zinn zur Qualität des Schwacke-Mietpreisspiegels) nicht als Kosten des Rechtsstreits zu werten sind. Die gegnerische Versicherung hatte den Versuch unternommen, die Kosten für die Erstellung dieses Gutachtens in den Rechtsstreit mit einzubringen.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die sofortige Beschwerde der Beklagten wird zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen. Der Wert des Beschwerde Verfahrens beträgt bis 600,00 €.
Gründe
Die gemäß § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO statthafte und in zulässiger Weise eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten hat in der Sache selbst keinen Erfolg.
Die Rechtspflegerin des Landgerichts hat die Sachverständigenkosten in Höhe von 999,60 € zu Recht in Abzug gebracht.
Gemäß § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Die Kosten des durch die Beklagte eingeholten Privatgutachtens stellen sich unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes nicht als notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO dar.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats können die Kosten für ein vorprozessual erstattetes Privatgutachten nur ausnahmsweise als „Kosten des Rechtsstreits“ im Sinne des § 91 Abs. 1 ZPO angesehen werden, weil die Aufklärung streitiger Sachverhalte grundsätzlich Sache des Gerichts ist (vgl. etwa die Beschlüsse des Senats vom 07.01.2009 – 17 W 303 + 304/08; vom 22.10.2008 – 17 W 105/08 -; vom 28.05.2008 – 17 W 105/08; vom 06.09.2000 – 17 W 300/00; vgl. auch BGH NJW 2006, 2415; OLG Brandenburg, JurBüro 2007, 651; OLG Stuttgart, Beschluss vom 11.07.2007, 8 W 265/07, BeckRS 2007 19336; OLG Koblenz MDR 2003, 1142; Herget in: Zöller, ZPO, 27. Aufl., § 91 Rdn. 13 „Privatgutachten“; Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, 29. Aufl., § 91 Rn. 49; v. Eicken/Hellstab/Lappe/Madert/Mathias, Die Kostenfestsetzung, 19. Aufl., Rdnr. B 405; Wolst in: Musielak, ZPO, 6. Aufl., § 91 Rn. 59; Schneider, Kostenerstattung für Privatgutachter in Bausachen, OLGR Köln 2000, K 5, jew. m.w.N.).
Zwar erfährt dieser Grundsatz Ausnahmen. Anerkannt ist, dass Erstattungsfähigkeit gegeben sein kann, wenn das eingeholte Privatgutachten das gerichtliche Verfahren entscheidend fördert, weil das Gutachten verwertet oder eine sonst notwendige Beweisaufnahme überflüssig wird oder bisher streitiges Vorbringen unstreitig wird (vgl. den Senatsbeschluss vom 23.10.2000 – 17 W 291/00 -). Entsprechendes gilt, wenn die Partei nicht aus eigener Sachkunde in der Lage ist, ein vom Gegner vorgelegtes oder vom Gericht eingeholtes Gutachten zu überprüfen und zu widerlegen (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O.; Pauly, MDR 2008, 777, 778; v. Eicken/Hellstab/Lappe/Madert/Mathias, a.a.O.. Rdnr. B 408). Die Erstattungsfähigkeit eines Privatgutachtens wird auch dann bejaht, wenn die Prozesspartei auf die privatgutachterliche Stellungnahme angewiesen ist, um ihrer Darlegungs-und-Beweislast zu genügen (vgl. BGH NJW 2006, 2415, 2416; Senatsbeschluss vom 07.01.2009 – 17 W 303 + 304/08; OLG Frankfurt, Rpfleger 1990, 182; Pauly, a.a.O.; v. Eicken/Hellstab/Lappe/Madert/Mathias, a.a.O., Rdnr. B 406; Wolst, a.a.O., Rn. 60). Für das im Laufe des Rechtsstreits eingeholte Privatgutachten sind ähnliche Grundsätze anzuwenden (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1996, 830, 831).
Vorliegend ist keiner der dargestellten Ausnahmefälle gegeben, insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte die gutachterliche Stellungnahme des Dr. Zinn benötigte, um zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage zu sein.
Soweit der Gutachter Dr. Zinn in seinem Gutachten vom 27.06.2007 zu der Qualität des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ Stellung genommen hat, steht der Notwendigkeit der Einholung der gutachterlichen Stellungnahme bereits entgegen, dass die Beklagte selbst schon vor Erstellung des Gutachtens in der Klageerwiderung vom 18.04.2007 sowie mit Schriftsatz vom 22.06.2007 im Einzelnen dargelegt hatte, dass die dem „Schwacke-Mietpreisspiegel“ zugrunde liegende Erhebung ihrer Auffassung nach an methodischen Mängeln leide, die diesem die Eignung als Schätegrundlage nehmen würden. Dementsprechend hat die Beklagte selbst mit Schriftsatz vom 07.08.2007 ausgeführt, das zwischenzeitlich von ihr eingeholte Marktgutachten habe ihre Einwendungen gegen die Schwacke-Liste als geeignete Schätzgrundlage „bestätigt“. Dieser Umstand belegt, dass es der Einholung eines Privatgutachtens insoweit nicht bedurfte.
Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Einholung der privatgutachterlichen Stellungnahme deshalb notwendig gewesen sei, weil nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 11.03.2008 – VI ZR 164/07 – und vom 24.06.2008 – VI ZR 234/07 -) lediglich allgemein gehaltenen Angriffen gegen eine Schätzgrundlage nicht nachzugehen ist, sondern es der Klärung der Eignung von Listen und Tabellen, die_bei der Schadensschätzung Verwendung finden, nur dann bedarf, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall ausgewirkt haben. Konkrete Tatsachen, die gegen die Eignung des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ als Schätzgrundlage im zugrunde liegenden Rechtsstreit sprechen, hat das Privatgutachten nämlich nicht ergeben. Vielmehr ist der Gutachter Dr. Zinn zu dem Ergebnis gelangt, dass die im Normaltarif erhobenen Preise der Anbieter in der Region Bonn annähernd mit denen in der Aufstellung bei Schwacke vergleichbar seien, in Anbetracht dessen war das Gutachten des Dr. Zinn gar nicht geeignet, die Beklagte zu einem substantiierten Sachvortrag zur mangelnden Eignung der sog. „Schwackeliste“ zu befähigen. Die Kosten eines zu Substantiierungszwecken eingeholten, hierfür aber nutzlosen Gutachtens sind jedoch nicht erstattungsfähig. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass sich die Notwendigkeit der Beauftragung eines Privatsachverständigen danach beurteilt, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte (vgl. BGH NJW 2006, 2415, 2416). Denn die Beklagte hat auch keine Anhaltspunkte aufgezeigt, aufgrund derer sie bei einer ex ante-Betrachtung eine mangelnde Eignung des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ gerade im konkreten Rechtsstreit annehmen und deshalb die Beauftragung eines Sachverständigen zur Ermittlung der benötigten Tatsachen als sachdienlich ansehen durfte. Soweit sie versucht hat, eine etwaige, diesbezügliche Mutmaßung – letztlich erfolglos – durch ein Gutachten zu belegen, kann sie die hierdurch entstandenen Kosten nicht auf den Prozessgegner abwälzen. Jede Partei hat grundsätzlich ihre Einstandspflicht und ihre Ersatzberechtigung in eigener Verantwortung zu prüfen und den dadurch entstehenden Aufwand selbst zu tragen.
Auf die in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstrittene Frage, ob das Privatgutachten den Prozess gefördert gehabt haben muss (zum Streitstand vgl. etwa die Nachweise bei Pauly, MDR 2008, 777, 778 FN. 15), kommt es nach alledem nicht mehr an.
Soweit – sehr instruktiv – das OLG Köln.
Hallo Babelfisch,
danke für die bekanntgegebene Entscheidung des OLG Köln. Zu Recht hat das OLG Köln die Erstattungsfähigkeit des Privatgutachtens „Dr. Zinn“ abgelehnt.
MfG
Willi Wacker