OLG München, Urteil vom 21.02.2014 – AZ: 10 U 4039/13 – verneint Verletzung der Schadensminderungspflicht durch Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens

Eine Verletzung der Schadenminderungspflicht  – wegen Einleitung des selbstständigen Beweisverfahrens anstelle einer „einfachen“ Schadensfeststellung und Schadensdokumentation – ist dann nicht anzunehmen, wenn wie hier, der Geschädigte annehmen muss, seinen berechtigten Schadensersatzanspruch nicht durchsetzen zu können, weil eine gerichtliche Beweissicherung – bekanntlich – nicht umgehend erfolgt.

Maßgeblich ist, ob der  – vernünftige – Geschädigte es für geboten und erforderlich halten durfte, mit der Schadensfeststellung am eigenen Fahrzeug und der Erteilung des Reparaturauftrages bis zum Abschluss des Beweissicherungsverfahrens bzw. einer analytischen Begutachtung abzuwarten. Dies war nachfolgend der Fall. Der Beklagte zu 1) und seine schwangere, über Schmerzen klagende Beifahrerin hatten bereits am Unfallort wahrheitswidrige Angaben gemacht und ein Ausbremsen des Klägers – öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Kfz-​Schäden und Bewertung sowie Prüfingenieur  –  in Abrede gestellt.

Das Gericht berücksichtigte weiterhin:

Dem Kläger standen keine Zeugen zur Verfügung, die seine (richtige) Unfallschilderung hätten bezeugen können und der Versuch des Klägers, noch am Unfallort weitere Beweissicherungsmöglichkeiten zu ergreifen, wurde nach dessen glaubhaften Angaben durch die den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten vereitelt, ohne ihrerseits insoweit Brauchbares beizutragen.

Zuzusprechen war zudem die Nutzungsausfallentschädigung für die Dauer des Beweissicherungsverfahrens. Dies über den vom Landgericht zugesprochenen Zeitraum von 30 Tagen, auch die darüber hinaus geltend gemachten 90 Tage.

Auch die Kosten für das unfallanalytische Gutachten gehen zu Lasten der Beklagten.

Das OLG München hat entschieden:

Gründe:

A.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

B.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache überwiegend Erfolg.

I.

Das Landgericht hat zu Unrecht einen Anspruch des Klägers auf Nutzungsausfall für weitere 90 Tage sowie auf Erstattung der Kosten für die Erholung des unfallanalytischen Gutachtens verneint.

1. Auf Grund der Angaben des Klägers, der öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Kfz-​Schäden und Bewertung sowie Prüfingenieur ist, anlässlich seiner persönlichen Anhörung im Termin vom 21.02.2014 geht der Senat auch hinsichtlich der – über den vom Landgericht zugesprochenen Zeitraum von 30 Tagen hinaus geltend gemachten – weiteren 90 Tage von einem hypothetischen Nutzungswillen und einer hypothetischen Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs aus. Die Stilllegung erfolgte offensichtlich, um bis zum Abschluss des Beweissicherungsverfahrens und der Reparatur Kosten zu sparen (Kfz-​Versicherung und Kfz-​Steuer). Die Erwägung des Landgerichts, der Kläger hätte, falls er den Pkw benötigt hätte, eine sofortige Reparatur oder die Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs veranlasst, führt zu keinem anderen Ergebnis, da der Kläger vorliegend ohne Verstoß gegen seine Schadensminderungspflicht zur Durchsetzung seiner Ansprüche ein Beweissicherungsverfahren einleiten durfte. Nachdem erkennbar war, dass dies zeitnah nicht zu einer Begutachtung führen würde, hat er selbst für eine Schadensfeststellung und Reparatur Sorge getragen.

a) Regelmäßig ist für den Zeitraum einer Reparatur- oder Ersatzbeschaffung Nutzungsausfallentschädigung zu leisten sowie für den erforderlichen Zeitraum der Schadensfeststellung (OLG Düsseldorf NJW RR 2008, 1711; DAR 2006, 269; OLG Saarbrücken, MDR 2007, 1190; Senat, Urt. v. 17.04.2009, Az. 10 U 5690/08 [Juris] mit Anm. Nugel, jurisPR-​VerkR 13/2009 Anm. 4). Den Geschädigten trifft aus dem Gesichtspunkt seiner Schadensminderungspflicht heraus gemäß § 254 II BGB die Obliegenheit, die Ausfallzeit auf ein Mindestmaß zu beschränken.

Eine Verletzung der Schadensminderungspflicht kann hinsichtlich der Nutzungsausfallentschädigung auch die Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens an Stelle einer „einfachen“ Schadensfeststellung und Schadensdokumentation sein. Maßgeblich ist, ob der Kläger es für geboten und erforderlich halten durfte, mit der Schadensfeststellung am eigenen Fahrzeug und der Erteilung des Reparaturauftrages bis zum Abschluss des Beweissicherungsverfahrens bzw. einer analytischen Begutachtung abzuwarten, wobei eine ex ante Betrachtung aus der Sicht eines vernünftigen Geschädigten anzustellen ist.

b) Unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles gelangt der Senat zu dem Ergebnis, dass es vorliegend keine Obliegenheitsverletzung des Klägers darstellte, zunächst ausreichende Beweissicherungsmaßnahmen in Gestalt des beantragten selbständigen Beweisverfahrens zur Unfallrekonstruktion zu ergreifen, da konkret zu befürchten war, ohne eine schnellstmögliche gerichtliche Beweissicherung den berechtigten Schadensersatzanspruch nicht durchsetzen zu können. Der Beklagte zu 1) und seine Beifahrerin hatten bereits am Unfallort wahrheitswidrige Angaben gemacht und ein Ausbremsen des Klägers in Abrede gestellt. Darüber hinaus sah sich der Kläger mit der Äußerung der Beifahrerin konfrontiert „das wird teuer, das müssen sie bezahlen“, die unter Hinweis auf ihre Schwangerschaft noch an der Unfallstelle über Schmerzen klagte, weshalb zusätzlich die Abwehr unbegründeter Ansprüche und erhebliche berufliche Konsequenzen im Hinblick auf die mit der möglichen Einleitung eines Strafverfahrens dann zwingende Mitteilung in Strafsachen (MISTRA) im Raum standen. Dem Kläger standen keine Zeugen zur Verfügung, die seine (richtige) Unfallschilderung hätten bezeugen können und der Versuch des Klägers, noch am Unfallort weitere Beweissicherungsmöglichkeiten zu ergreifen, wurde nach dessen glaubhaften Angaben durch die den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten vereitelt, ohne ihrerseits insoweit Brauchbares beizutragen. Angesichts der Äußerungen des Beklagten zu 1) und seiner Beifahrerin am Unfallort war auch nicht damit zu rechnen, dass die Beklagte zu 3) als Haftpflichtversicherung die Ansprüche des Klägers anerkennen würde – eine Einschätzung, die sich durch den späteren Verfahrensverlauf bestätigte. Es lag bei der vorliegenden Unfallkonstellation die Annahme nahe, dass eine Beweisführung im Sinne des Klägers nur im Wege der sachverständigen Unfallrekonstruktion zu erreichen war. Nach den Bekundungen des Sachverständigen Dipl.-​Ing. R., von dessen hervorragender Sachkunde sich der Senat anlässlich einer Vielzahl erholter Gutachten und Anhörungen überzeugen konnte, bedurfte es zur Unfallrekonstruktion nicht nur der exakten Dokumentation der Schäden am Pkw des Klägers sondern auch der am Pkw Opel Astra und ohne eine exakte Dokumentation der Spuren beider Fahrzeuge konnte der Kläger seine Unfalldarstellung nicht beweisen. Dass bereits die von ihm am Unfallort gefertigten Fotos in Verbindung mit der daraus ersichtlichen Spurenlage und insbesondere die daraus durch den gerichtlichen Sachverständigen erkannte und dem Pkw Opel zugeordnete Bremsspur (Anlage 4 zum Gutachten) genügen könnten, war nach den Bekundungen des gerichtlichen Sachverständigen auch für den Kläger mit dessen Fachwissen nicht ausreichend vorhersehbar, da zur Bewertung tiefergehende unfallanalytische Kenntnisse erforderlich sind. Diese können beim Kläger nicht unterstellt werden. Weiter war nach den Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-​Ing. R. zur Beweisführung auch das Schadensbild am Pkw Opel Astra mit den auf eine Höhenveränderung infolge Bremsung hindeutenden Beschädigungen erforderlich. Die Erfahrung des Senats zeigt, dass von den Geschädigten am Unfallort gefertigte Fotos von Sachverständigen im gerichtlichen Verfahren mangels genauer Erkennbarkeit etwa von Farban-​/abrieben, Eindringtiefen oder der relevanten Kontaktzonen/Lage eines Splitterfeldes nicht als zur Beweisführung ausreichend angesehen werden. Nach der Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen erfüllen 90 % der seitens Geschädigter gefertigten Dokumentationen über Spuren und Schäden die für eine analytische Begutachtung zu stellenden Anforderungen nicht. Eine aussagekräftige Rekonstruktion des Geschehens war ex ante betrachtet nur durch eine Gegenüberstellung der Fahrzeuge zu erreichen, schon um die konkreten Höhenverhältnisse zu ermitteln. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass dem Kläger bis zum Erhalt des von ihm erholten Schadensgutachtens bekannt war, dass die Schäden am Pkw Opel ausreichend für ein unfallanalytisches Gutachten dokumentiert waren, die Mitteilung der Beklagten zu 3) im Beweissicherungsverfahren, eine Dokumentation sei erfolgt, genügt ohne Übersendung von Gutachten und Fotos (und vorliegend auch einer sachverständigen Unfallanalyse) insoweit keinesfalls.

c) Der Kläger konnte in dieser Situation nicht darauf vertrauen, dass ein Sachverständiger bereits anhand der fotografischen Dokumentation der Unfallbeschädigungen an seinem Fahrzeug und der am Unfallort gefertigten Fotos eine aussagekräftige Unfallrekonstruktion hätte erstellen können. Die Einleitung des Beweissicherungsverfahrens stellt daher keinen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht dar, Antragstellung und Begründung waren, wie sich aus der vom Senat beigezogenen Akte 19 OH 8760/12 des Landgerichts München I ergibt, auch sachgerecht, weil an Hand der Unfallbeschädigungen an beiden Fahrzeugen durch Sachverständigengutachten festgestellt werden sollte, dass auch der Pkw Opel zum Kollisionszeitpunkt eingebremst war, was vom gerichtlichen Sachverständigen dann letztlich auch festgestellt wurde. Der Kläger hat den Antrag, nachdem ihm bis 24.07.2012 nicht, ggf. unter Einschränkungen, stattgegeben wurde, zurückgenommen.

d) Allerdings hätte der Kläger im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht, um die Ausfallzeit auf ein Minimum zu beschränken unter Zubilligung einer angemessenen Überlegungszeit nach Rücknahme des Beweissicherungsantrages für eine umgehende Reparatur Sorge tragen müssen, wobei die erforderliche Besichtigung durch den Sachverständigen noch vor der Reparatur zu gewährleisten war, während die Ausarbeitung des Gutachtens dann auch während der Reparatur hätte erfolgen können, so dass insoweit eine weitere Ausfallzeit nicht veranlasst war. Danach ergibt sich (Dauer des Beweissicherungsverfahrens 86 Tage bei Rücknahme des Antrages am 24.07, Reparaturdauer 19 Tage, Auftrag an den Privatsachverständigen am 07.08, Besichtigung des Fahrzeugs durch den Privatsachverständigen am 13.08.) ohne Überlegungszeit ein Zeitraum von 112 Tagen und unter Zubilligung einer kurzen Überlegungszeit des anwaltlich beratenen Geschädigten ein Ersatzanspruch für 115 Tage. Die Einstufung durch das Landgericht in eine niedrigere Fahrzugklasse (Tagessatz 65 €) ist wegen der EZ 2004 trotz eines guten Erhaltungszustandes im Hinblick auf die technische Weiterentwicklung nach 8 Jahren zutreffend, so dass sich ein Anspruch auf Nutzungsausfall in Höhe von 7.475 € errechnet. Die Beklagte zu 3) hat von der Möglichkeit, die Ausfallzeit ihrerseits durch geeignete beweissichernde Maßnahmen und entsprechende Mitteilung an den Kläger erheblich zu verkürzen, keinen Gebrauch gemacht.

2. Die Kosten eines vor Beginn des Rechtsstreits eingeholten Privatgutachtens sind dann erstattungsfähig, wenn die Einholung des Gutachtens in konkretem Zusammenhang mit dem späteren Rechtsstreit erfolgt ist und wenn das Gutachten erforderlich war, damit der Auftraggeber seiner Darlegungspflicht genügen oder den Tatsachenvortrag der Gegenseite substantiiert unter Beweisantritt bestreiten konnte.

a) Die Tätigkeit des Privatsachverständigen muss zudem in unmittelbarer Beziehung zu dem Rechtsstreit stehen (vgl. BGH DAR 2003, 267; OLG Hamm, JurBüro 1972, 1102; 1978, 1079). Es gehört allerdings auch zu den Grundanliegen des Schadensrechts, die Erstattungsfähigkeit auf die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen und notwendigen Kosten zu beschränken. Kosten der Begutachtung sind nicht allein deshalb zu versagen, weil sie später im Verfahren „sowieso“ anfallen. Der Geschädigte ist berechtigt, sich in den Informationsstand zu versetzen, der ihm eine angemessene Rechtsdurchsetzung erlaubt. Das betrifft die Information im Tatsächlichen. Neben den Kosten der Rechtsberatung sind weitere Rechtsgutachten nicht erstattungsfähig (OLG Stuttgart NJW-​RR 1999, 1374). An der Grenze liegen unfallanalytische Gutachten, da der Geschädigte oder sein Fahrer regelmäßig den Unfallhergang kennen. Vorliegend dient das Gutachten, soweit es über die Schadensdokumentation und Feststellung des Schadensumfanges hinausgeht, mehr der Beweisprognose und weniger der Sachverhaltsaufklärung, es ist aber auch zu beachten, dass der Kläger zunächst von der Möglichkeit der Durchführung eines Beweissicherungsverfahrens Gebrauch zu machen versuchte, welches mit der Beteiligung der anderen Seite sowie mit damit einhergehenden Kostenrisiken verknüpft ist.

b) Der Senat bejaht im Hinblick auf die vorherige wahrheitswidrige Unfalldarstellung des Beklagten zu 1) und der Zeugin und die Ablehnung der Einstandspflicht seitens der Versicherung sowie der weiteren oben unter 1. b) dargestellten Erwägungen eine Ersatzfähigkeit der Kosten des vom Kläger erholten unfallanalytischen Gutachtens (1680 €), da der Geschädigte erst durch das Gutachten in den Informationsstand versetzt wurde, dass eine Rechtsdurchsetzung überhaupt möglich ist. Weiter hat der Sachverständige angegeben, dass sich aus dem Privatgutachten und der dort in Bezug genommenen Schadensdokumentation Hinweise dafür ergaben, dass es vorkollisionär infolge Bremsung zu einer Höhenveränderung des Pkw Opel Astra gekommen war.

3. Der Ersatzanspruch des Klägers beläuft sich insgesamt auf 21.616,78 € nebst Zinsen wie tenoriert, die beantragten vorgerichtlichen Kosten waren, da der Anspruch den Antrag übersteigt, wie beantragt zuzusprechen. Im Übrigen war die weitergehende Berufung, soweit es bei der Klageabweisung verblieb, zurückzuweisen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 I 1 Fall 2, 97 I, 100 IV ZPO.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

IV.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Dieser Beitrag wurde unter Haftpflichtschaden, Nutzungsausfall, Sachverständigenhonorar, Urteile abgelegt und mit , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

9 Antworten zu OLG München, Urteil vom 21.02.2014 – AZ: 10 U 4039/13 – verneint Verletzung der Schadensminderungspflicht durch Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens

  1. RA Schepers sagt:

    gelangt der Senat zu dem Ergebnis, dass es vorliegend keine Obliegenheitsverletzung des Klägers darstellte […]
    hätte der Kläger im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht[…]

    Zutreffend stellt das OLG auf § 254 BGB ab, für den die Beweislast beim Schädiger liegt. Der BGH zeigt ja zunehmend die Tendenz, solche Aspekte in § 249 II BGB (Erforderlichkeit) hineinzuverlagern mit der Folge, daß der Geschädigte beweisbelastet ist.

  2. Glöckchen sagt:

    @Schepers
    nicht der „BGH“ sondern Ri.“W“!
    357/13 betraf eine Abtretung an Erfüllungs statt und ist daher nicht analog auf andere Abtretungen anwendbar!

  3. RA Schepers sagt:

    @ Glöckchen

    Nee, der BGH. Da entscheidet nicht ein Einzelner…

    Außerdem gab es diese Tendenz (Erforderlichkeit statt Schadengeringhaltung) schon bei der Mietwagenrechtsprechung…

  4. Karle sagt:

    @RA Schepers

    „Nee, der BGH. Da entscheidet nicht ein Einzelner…“

    Diese Ansicht der Realität ist schon sehr blauäugig bzw. geradezu naiv. Vor allem im Hinblick auf ein Gesellschaftssystem, das nur noch durch Korruption (auf allen Ebenen) zusammengehalten wird.

    Deshalb stellt sich bei Senatsurteilen oftmals auch die (nicht unberechtigte) Frage: Wird tatsächlich kollektiv „entschieden“ oder nur das Konzept des jeweiligen (ggf. interessensgeneigten) Schriftführers „abgenickt“?

    VI ZR 357/13 belegt, dass die Welt sich wohl doch anders dreht, wie viele brave Bürger es erwarten? Nach VI ZR 225/13 vom 11.02.2014 hat kein Geringerer als Herr W. in seinen Seminaren herumgetönt, dass man dieses (schadensersatzrechtlich völlig korrekte) Urteil – das offensichtlich ohne seine Mitwirkung entschieden wurde – so nicht stehen lassen könne.

    5 Monate später kam dann das Urteil VI ZR 357/13 unter seiner Mitwirkung (Federführung?), mit dem schadensersatzrechtliche Grundsätze des § 249 BGB sowie Grundsätze zur abgetretenen Forderung mit Füßen getreten bzw. über Bord geworfen wurden. Eine völlige Kehrtwende um 180° der bisherigen Rechtsprechung – ohne jeglichen Hinweis zum plötzlichen Sinneswandel des Senats. Es wurde nicht einmal erwähnt, dass es sich bei dem gegenständlichen Verfahren um einen Sonderfall gehandelt hatte = Forderung aufgrund einer Abtretung an Erfüllungss statt. Alles Zufall – oder doch volle Absicht?

    BGH-Urteile werden zwar nicht von einem Einzelnen unterschrieben (falls überhaupt), aber oftmals von einem Einzelnen in die jeweils gewünschte Richtung manövriert. Auch die Mietwagenurteile oder Entscheidungen zur fiktiven Abrechnung sind ein Beleg dafür, dass die Interessen der Versicherer in die Rechtsprechung Einzug gehalten haben. In welche Richtung hier mit VI ZR 357/13 geschubst wurde, ist sowas von offensichtlich und bedarf wohl keiner näheren Erläuterung? Insbesondere die „excellente Zusammenarbeit“ mit dem LG Saarbrücken sollte hierbei nicht unerwähnt bleiben.

    Auf alle Fälle wurde mit diesem „Schrotturteil“ das Schlachtfeld wieder neu eröffnet. So viel zum „Rechtsfrieden“ = eigentlich eine der wesentlichen Aufgaben des BGH.

    Mietwagenkosten und Sachverständigenkosten sind nicht vergleichbar – so hatte es der BGH einmal zutreffend ausgeführt. Hat sich daran inzwischen etwas geändert? Nein, natürlich nicht. Geändert hat sich nur die Zusammensetzung des 6. Zivilsenats.

  5. RA Schepers sagt:

    Die beiden BGH-Urteile widersprechen sich nicht.

    Ein Indiz für die Erforderlichkeit bildet aber die Übereinstimmung des vom Geschädigten erbrachten Kostenaufwands mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden getroffenen Preisvereinbarung, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt […]
    Das Berufungsgericht […]durfte nicht die dem Kläger vom Schadensgutachter in Rechnung gestellten Kosten allein auf der Grundlage einer Honorarumfrage eines Sachverständigenverbandes kürzen. Dabei hat das Berufungsgericht die besondere Bedeutung der vorgelegten Rechnung für den konkreten Einzelfall und die Lage des Geschädigten bei der Beauftragung eines Sachverständigen verkannt.
    (BGH IV ZR 225/13)

    und

    Indes ist der vom Geschädigten aufgewendete Betrag nicht notwendig mit dem zu ersetzenden Schaden identisch (vgl. Senatsurteile vom 6. Novem-ber 1973 – VI ZR 27/73, BGHZ 61, 346, 348; vom 23. Januar 2007 – VI ZR 67/06, aaO Rn. 13; vom 11. Februar 2014 – VI ZR 225/13, aaO Rn. 8). Liegen die mit dem Sachverständigen vereinbarten oder von diesem berechneten Preise für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen, so sind sie nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand abzubilden. Bei der Bemessung der Schadenshöhe hat der Tatrichter dann allerdings zu beachten, dass der Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO tragfähige Anknüpfungspunkte zugrundeliegen müssen. Wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO ergibt, darf sie nicht völlig abstrakt erfolgen, sondern muss dem jeweiligen Einzelfall Rechnung tragen (vgl. Senatsurteile vom 22. Dezember 1987 – VI ZR 6/87, VersR 1988, 466, 467; vom 11. Mai 1993 – VI ZR 207/92, VersR 1993, 969, 970; vom 17. Januar 1995 – VI ZR 62/94, VersR 1995, 422, 424; vom 8. Mai 2012 – VI ZR 37/11, VersR 2012, 917 Rn. 9; BGH, Urteil vom 30. Mai 1995 – X ZR 54/93, NJW-RR 1995, 1320, 1321; BVerfG NJW 2010, 1870 Rn. 19; Musielak/Foerste, ZPO, 11. Aufl., § 287 Rn. 7 f.; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 287 Rn. 35).
    (BGH VI ZR 357/13)

    Die Rechnung des SV ist ein Indiz für den erforderlichen Geldbetrag, das bei der Schätzung nach § 287 ZPO zu berücksichtigen ist. Dieses Indiz darf das Gericht nicht einfach übergehen, indem es völlig abstrakt schätzt. Vielmehr muß die Schätzung jeweils dem konkreten Einzelfall Rechnung tragen…

  6. Karle sagt:

    „Die beiden BGH-Urteile widersprechen sich nicht.“

    So, so?

    Mit Sicherheit werde ich den Versicherern hier keine Munition liefern, nur um Ihre Thesen zu widerlegen.

    Aber nur so viel.

    Der BGH hat in VI ZR 225/13 die Nebenkosten (rechtsfehlerfrei) „durchgewunken“ und bei VI ZR 357/13 kann das Instanzgericht die Nebenkosten nun plötzlich prüfen/kürzen.

    „Entgegen der Auffassung der Revision ist es allerdings grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht verschiedene der vom Kläger zur Berechnung seines Aufwendungsersatzanspruchs in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen festgesetzten und in seiner Honorarrechnung ausgewiesenen Pauschbeträge – wie beispielsweise das Kilometergeld von 1,05 €/km oder die Kosten von 2,45 € für ein Foto – als erkennbar deutlich überhöht gewertet und der – von der Geschädigten R. zu keinem Zeitpunkt beglichenen – Rechnung keine maßgebliche Indizwirkung für die Erforderlichkeit der geltend gemachten Kosten beigemessen hat.“

    Einfach mal den Versicherungsmüll in der zfs lesen (01/2015) – oder weiter träumen.

  7. RA Schepers sagt:

    @ Karle

    Bei VI ZR 225/13 hat der BGH gesagt: Bei der Schätzung im Rahmen des § 287 ZPO das SV-Honorar nicht alleine nach BVSK-Honorarbefragung kürzen, ohne die besondere Bedeutung der vorgelegten Rechnung für den konkreten Fall und die Lage des Geschädigten bei Beauftragung des Sachverständigen zu berücksichtigen.

    Bei VI ZR 357/13 hat der BGH gesagt: Bei der Schätzung im Rahmen des § 287 ZPO das SV-Honorar nicht völlig abstrakt kürzen (Nebenkosten pauschal deckeln), ohne dem jeweiligen Einzelfall Rechnung zu tragen und ohne tragfähige Anknüpfungspunkte zu schätzen.

    Beide Verfahren wurden zurückverwiesen. In beiden Verfahren hatte der BGH nicht zu entscheiden, ob das SV-Honorar entsprechend der vorgelegten Rechnung zu erstatten war. In beiden Verfahren hatte der BGH (lediglich) zu entscheiden, ob die Kürzung des SV-Honorars schadensersatzrechtlich in Ordnung war. In beiden Verfahren hat der BGH entschieden: so zu kürzen ist nicht in Ordnung -> zurück und noch mal entscheiden.

    zfs 1/15 habe ich gelesen, und zwar die Überschrift und den Vorspann bis „Dies deshalb, da die Zahlung von nicht erforderlichen bzw. nicht berechtigten Sachverständigenkosten zur Belastung der gesamten Versichertengemeinschaft führt, was sich dann in höheren Versicherungsprämien neiderschlägt.“ Danach habe ich aufgehört zu lesen. Wenn ich dieses (Schein-) Argument lese, erwarte ich von dem Rest des Beitrages nicht mehr viel. Da weiterzulesen halte ich für Zeitverschwendung.

  8. Karle sagt:

    @RA Schepers

    Aus den o.a. Gründen werde ich Details zu den stark divergierenden Urteilen hier nicht weiter diskutieren.

    Zur Zurückverweisung von VI ZR 357/13: Das LG Saarbrücken hat den Ball vom BGH dankbar aufgenommen und die nächsten willkürlichen (absurden) Regeln zur Kürzung der Nebenkosten aufgestellt. Sofern dagegen keine weitere Revision eingelegt wird, ist das Tontaubenschießen bei den Instanzgerichten eröffnet (Tontauben sind hierbei die SV).

    Beim (gesponsorten?) Privatkrieg einiger Richter gegen diverse Sachverständige ist das Schadensersatzrecht sowie die ex-ante Sicht des Geschädigten teilweise auf der Strecke geblieben => Kollateralschaden.

    Nachdem ich Sie von den erheblichen Risiken offensichtlich nicht überzeugen konnte, schlage ich vor, Sie klagen weiterhin für Ihre Sachverständigen aus abgetretenem Recht und übernehmen dann die Verfahrenskosten (Anwaltshaftung?), sofern die geforderten Nebenkosten des SV auf Grundlage von VI ZR 357/13 den Bach runter gehen. Spätestens dann sollten Sie gelegentlich den Beitrag in der zfs lesen. Denn der wird Ihnen in Kürze (bei Klagen zu SV-Kosten aus abgetretenem Recht) von der Gegenseite um die Ohren fliegen.

    Das Lesen des zfs Beitrages hätte ich mir hingegen ersparen können, da ich Klagen aus abgetretenem Recht eingestellt habe. Bei mir gibt es nach Kürzungen durch den Versicherer nur noch eine Devise: Schadenregulierung antik => Geschädigter gegen VN.

  9. virus sagt:

    zfs 1/15
    Erstattung von Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall = gezielte Öffentlichkeitsarbeit + Verschwendung von Versicherten-Geldern zwecks Schmierung abhängigem Sachverstands.!?

    Skandalös und hochgradig respektlos, wie zum Nachteil freiberuflicher Sachverständiger freiberuflich tätige Anwälte Seitenweise H… kriechende Propaganda betreiben.

    Mein Vorschlag an Herrn RA B. aus Köln und Frau S. in Dortmund, tatsächlich FAin für Verkehrsrecht, zur Entlastung der Gerichte und zum Schutz von Rechtssuchenden nach Verkehrsunfällen, einfach Anwaltszulassungen zurückgeben.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert