Ein sehr schönes Urteil, welches die Rechte der Unfallopfer stärkt, ist hier von dem SV Frank Schmidinger erstritten worden; ihm und allen seinen Mitstreitern sei deshalb an dieser Stelle herzlich gedankt.
Bemerkenswert ist, dass Frank Schmidinger nicht stehen geblieben ist sondern mit hohem zeitlichen Aufwand seinem Recht zur Geltung verholfen hat, nicht stehen geblieben ist obwohl das Amtsgericht seine Werklohnklage gegen die von der HUK Coburg gegen ihn beeinflusste Kundin abgewiesen hat, nicht stehen geblieben ist als er in der Berufung von den eingeklagten 697,16 € immerhin 566,49 € zugesprochen erhielt.
Nicht Wenige hätten wohl in dieser Situation den Verlust von knapp 140,00 € zähneknirschend hingenommen und wären das Risiko einer Revision nicht eingegangen.
Ergebnis dieser Beharrlichkeit ist nun ein sehr fundiert begründetes BGH-Urteil; es erwies sich letztlich als vorteilhaft, dass nicht der Verkehrsrechtssenat des BGH sondern der Vertragssenat zur Entscheidung über die Revision von Frank Schmidinger berufen war.
Dieser Vertragssenat beim BGH hat mit bestechender dogmatischer Einfachheit und Klarheit herausgearbeitet, dass zur Ergänzung eines lückenhaften Vertrages erst in allerletzter Konsequenz auf die Vorschriften der §§ 315, 316 BGB zurückgegriffen werden darf, auf die Vorschriften also, mit denen die HUK Coburg in den Rechtsstreiten versucht hat und nach wie vor versucht, sich selbst zum Billigkeits- und Gerechtsheitskontrolleur der Sachverständigenhonorare aufzuschwingen.
Bereits im Jahre 1994 hat der BGH in der Entscheidung BGHZ 94, S. 102 entschieden, dass § 316 BGB nicht anzuwenden ist wenn die Auslegung ergibt, dass keiner der Vertragsparteien ein Leistungsbestimmungsrecht zustehen soll.
Die jetzige Entscheidung hat diesen Rechtsgrundsatz für das Sachverständigenhonorar bestätigt und konkretisiert.
Die Parteien eines Werkvertrages über die Erstellung eines Kfz-Schadensgutachtens, also das Unfallopfer und der Kfz-SV, haben, wenn sie über die Höhe des Gutachterhonorars nichts ausdrücklich vereinbaren, nicht im Sinn, dass der SV die Honorarhöhe verbindlich festlegen soll. Solches will demnach weder das Unfallopfer noch der SV.
Deshalb ist es in Fällen von Routinegutachten geradezu verfehlt, eine Billigkeitskontrolle entsprechend §§ 315, 316 BGB anzustellen; die Vorschriften sind nämlich regelmäßig schlicht unanwendbar.
Die Prüfung, welches Honorar dem SV zusteht wenn mit dem Unfallopfer keine Vergütungsvereinbarung getroffen wird, hat sich an folgendem Schema auszurichten:
- Gibt es eine Taxe, nach der sich die Vergütung richtet oder lässt sich eine übliche Vergütung aus dem Inhalt der sonstigen Vereinbarungen der Vertragsschließenden bestimmen?
- Andernfalls ist die zur Vergütungshöhe verbleibende Vertragslücke nach den Grundsätzen über die ergänzende Vertragsauslegung zu schließen, für die Gegenstand und Schwierigkeit der Werkleistung und insbesondere die mit dem Vertrag verfolgten Interessen der Parteien von Bedeutung sein können.
- Erst wenn sich auf die vorgeschilderte Art und Weise 1) – 2) eine vertraglich festgelegte Vergütung nicht ermitteln lässt kann zur Ergänzung des jetzt immer noch lückenhaften Vertrages auf die Vorschriften der §§ 315, 316 BGB zurückgegriffen werden.
Damit ist der Billigkeitskontrolle der HUK Coburg und einiger Gerichte, die diesen Argumenten der HUK Coburg gefolgt sind, eine klare Absage erteilt worden; es ist schlicht das geltende Recht falsch angewendet worden.
Es gibt aber auch noch einen weiteren, deutlichen Hinweis des BGH zum Gestaltungsspielraum des SV, wenn sich die Vertragslücke (fehlende Vergütungsvereinbarung) nicht, auch nicht durch ergänzende Vertragsauslegung, schließen lässt.
In diesem Fall ist es der SV und niemand sonst, nicht sein Kunde, nicht die HUK Coburg und auch kein Richter, der die Berechtigung hat und diesbezüglich auch einen Gestaltungsspielraum besitzt, das von ihm zu verlangende Honorar selbst festzusetzen.
Der BGH führt mit überzeugender Begründung aus, dass dem SV bei der Festsetzung des Honorars ein Gestaltungsspielraum zusteht; er führt weiter aus, dass der SV diesen Gestaltungsspielraum grundsätzlich nicht überschreitet wenn er für ein Routinegutachten eine an der Schadenshöhe orientierte, angemessene Pauschalierung seines Honorars vornimmt.
Diese richtige Rechtsauffassung zieht der gebetsmühlenhaft vorgebrachten Argumentation der HUK Coburg den Boden unter den Füßen weg, so dass sie wie ein Kartenhaus zusammenfällt.
Zwar gibt die Formulierung des BGH immer noch genügend Raum für Interpretation, wenn von "angemessener Pauschalierung" die Rede ist.
Auch hier gibt der BGH in den Urteilsgründen eine überzeugende Hilfestellung. Es wird ins Feld geführt, das das Sachverständigengutachten der Realisierung von Schadensersatzforderungen dient, dass die richtige Ermittlung des Ersatzbetrages als Erfolg geschuldet wird und das der SV dafür auch persönlich haftet.
Sein Honorar ist die Gegenleistung für die Feststellung des wirtschaftlichen Wertes der Forderung des Unfallopfers.
Dem Sachverständigengutachten kommt aber auch noch eine Beweisfunktion zu.
Unstreitig hat das neue Gewährleistungsrecht zu einer Verbesserung der Verbraucherrechte geführt, wenn sie Gebrauchtfahrzeuge von gewerblichen Fahrzeuganbietern erwerben bis hin zu einer Beweislastumkehr für Mängel und Fehler, die innerhalb der ersten 6 Monate nach Kaufabschluss eintreten.
Schadensgutachten haben hier eine weitere, überragend wichtige Funktion gefunden, die darin besteht, gegenüber dem späteren Käufer des Unfallfahrzeuges die nach dem Gewährleistungsrecht geschuldeten, vollständigen und richtigen Angaben zu Art und Umfang der Unfallschäden machen zu können.
Die Funktion eines Kfz-Schadensgutachtens reicht deshalb heute weit über die bloße Bezifferung der Reparaturkosten hinaus. Dennoch werden Rechtsstreite um das Gutachterhonorar – deutet man die Signale aus Coburg richtig – nicht ab- sondern zunehmen.
Es ist vor diesem Hintergrund entscheidend, die richtigen, schlagkräftigen Argumente zu gebrauchen, weitere engagierte Mitstreiter zu rekrutieren und engagiert gegen die nach wie vor angekündigten Kürzungen und Regulierungsverweigerungen vorzugehen, damit der Glaube der Unfallopfer an das Funktionieren der Justiz nicht noch weiter beeinträchtigt wird.
Mitgeteilt von Peter Pan im Juni 2006