Richterin des AG Kandel verurteilt die Württembergische Versicherung zur Zahlung der vorher rechtswidrig gekürzten Sachverständigenkosten mit Urteil vom 28.5.2013 -2 C 180/13-.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

unsere Sachverständigenkosten-Urteilsreise geht weiter. Nachstehend gebe ich Euch ein Urteil aus der Pfalz zum Thema Sachverständigenkosten bekannt.  Dieses Mal musste die Amtsrichterin der 2. Zivilabteilung des AG Kandel, übrigens des südlichsten Amtsgerichtes in Rheinland-Pfalz, gegen die Württembergische Versicherung entscheiden. Übrigens war  die Württembergische Versicherung nicht bereit, außergerichtlich den gekürzten Betrag von 63,07 € zu zahlen, so dass der Rechtsstreit geführt werden musste. Jetzt zahlt die Württembergische das Vielfache dieses Betrages, denn sie muss zu dem gekürzten Betrag auch noch die Kosten des Rechtsstreites mit Gerichts- und Anwaltskosten zahlen. Das Urteil wurde erstritten und der Redaktion eingesandt durch die Kanzlei Schork & Wache in 76199 Karlsruhe. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

Aktenzeichen:
2 C 180/13

Amtsgericht
Kandel

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

– Klägerin –

gegen

Württembergischer Versicherung AG,

– Beklagte –

wegen Schadensersatzes
hat das Amtsgericht Kandel durch die Richterin … am 28.05.2013 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 63,07 € zu bezahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 63,07 € festgesetzt.

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)

Entscheidungsgründe

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen, innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt

Die zulässige Klage ist weitestgehend begründet.

Die Klägerin kann die Beklagte auf Zahlung der restlichen Sachverständigenkosten in Höhe von 63,07 EUR gemäß § 7 Abs. 1 StVG, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. 115 VVG in Anspruch nehmen. Der Haftungsgrund ist zwischen den Parteien unstreitig; die Beklagte muss vollumfänglich für das Unfallgeschehen und die hieraus erlittenen Schäden einstehen.

Die Klägerin als Geschädigte hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung derjenigen Kosten, die zur Wiederherstellung erforderlich sind. Die Erforderlichkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens wird dem Grunde nach von Beklagtenseite nicht in Abrede gestellt. Der Sachverständige hat die Gutachterkosten gemäß Rechnung vom 28.01.2013 in Höhe von 614,04 EUR brutto gegenüber der Klägerin geltend gemacht.

In welchem Umfang die Sachverständigenkosten erstattungsfähig sind, beurteilt sich nach § 249 BGB. Der Geschädigte kann vom Schädiger Ausgleich der Kosten verlangen, die durch die erforderliche Beauftragung eines Sachverständigen entstehen (BGH NJW-RR 89, 953, 956). Der erforderliche Herstellungsaufwand wird nach dem allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen nicht nur durch Art und Ausmaß des Schadens und die örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten für seine Beseitigung bestimmt; es ist vielmehr auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (vgl. BGH NJW 2007, 1450). Im Regelfall ist der Geschädigte berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung eines Schadensgutachtens zu beauftragen, wobei er grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet ist, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen.

Die Rechtsprechung verneint einen Schadensersatzanspruch in Fällen des Bagatellschadens bis zu 500,– EUR bzw. 750,- EUR. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Ausweislich des Gutachtens beläuft sich der Fahrzeugschaden auf 3.939,94 EUR.

Die Klägerin war vorliegend von den Sachverständigen abhängig. Sie musste ihn zur Instandsetzung heranziehen, da ihren Erkenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten insoweit Grenzen gesetzt waren. Mit dem Erfordernis der Einholung eines Sachverständigengutachtens wegen einem Fahrzeugschadens wird ein Autofahrer nur ausnahmsweise konfrontiert, schon aus diesem Grund kann von ihm Kenntnisse über die Honorarhöhe und die Honorargestaltung eines Kfz-Sachverständigen nicht erwartet werden (vgl. Knerr in Geigel, Haftpflichtprozess, 26. Aufl. 2011, 3. Kapitel, Rdnr. 121). Solange für den Geschädigten als Laien nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung also in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt oder er grob und offensichtlich Unrichtigkeiten der Begutachtung oder der Vergütungsberechnung mißachtet oder gar verursacht hat, kann der Geschädigte vom Schädiger Ausgleich der gezahlten Aulwendung oder Freistellung verlangen.

Die Klägerin kann deshalb vorliegend die ihr in Rechnung gestellten Sachverständigenkosten ersetzt verlangen ohne Rücksicht darauf, ob sie diese mangels Angemessenheit dem von ihr beauftragten Sachverständigen vertraglich schuldet. Schädiger und Haftpflichtversicherer müssen sich vielmehr darauf verweisen lassen, die Abtretung evtl. Ansprüche des Geschädigten gegen den beauftragten Sachverständigen zu verlangen (vgl. OLG Köln NZV 1999, 88 ff.). Es war vorliegend der Klägerin nicht zuzumuten, ohne konkreten Anlass auf eine genaue Aufschlüsselung der von dem Sachverständigen in Rechnung gestellten Kosten zu bestehen.

Ausgehend von diesen Grundsätzen greifen die Einwendungen der Beklagten nicht durch, denn es ist kein Gesichtspunkt ersichtlich, unter dem der geschädigten Klägerin die Rechnung als so überzogen erscheinen musste, dass sie ein Obliegenheit verletzt hätte. Im Hinblick auf den erheblichen Fahrzeugschaden mit kalkulierten Reparaturkosten von über 3.000,- EUR kann weder von einem für die Geschädigten erkennbaren auffälligen Missverhältnis zwischen Leistungen und Gegenleistung ausgegangen werden, noch von einer groben, offensichtlichen Unrichtigkeit der Berechnung, zumal auch nicht ersichtlich ist, woher ein Geschädigter wissen soll, dass ein Sachverständiger Nebenkosten für Fotografien, Porto, Fahrten und ähnliches nicht gesondert berechnen darf.

Auch kann vorliegend dahinstehen, ob die Klägerin die in Rechnung gestellte Leistung des Sachverständigen bezahlt hat oder nicht. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 06.02.2013 die Sachverständigenkosten als überhöht angesehen und auf den ausgezahlten Betrag reduziert. Sie hat damit zum Ausdruck gebracht, dass sie hinsichtlich der Sachverständigenkosten jede weitere Zahlung ablehnt. Ein etwaiger Freistellungsanspruch der Klägerin wandelt sich folglich in einen Zahlungsanspruch (vgl. BGH NJW 2004, 1868). Einer Fristsetzung bedurfte es vorliegend nicht. Die Beklagte kann insoweit nicht vorbringen, der Schadensersatzanspruch sei noch nicht fällig, denn der zu erwartende Schaden der Klägerin steht jedenfalls betragsmäßig fest. Insoweit war entsprechend wie im Tenor ersichtlich dem Klagebegehren stattzugeben.

Der Zinsanspruch ist hingegen nicht schlüssig vorgebracht worden. Insoweit war die Klage abzuweisen.

Die Kostenehtscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 3 ZPO, 63 Abs. 2 GKG.

Die Berufung wird nicht zugelassen, denn die Voraussetzungen gemäß § 511 Abs. 4 ZPO liegen nicht vor.

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  1. Kfz.-Sachverständigenbüro Rasche sagt:

    „In welchem Umfang die Sachverständigenkosten erstattungsfähig sind, beurteilt sich nach § 249 BGB. Der Geschädigte kann vom Schädiger Ausgleich der Kosten verlangen, die durch die erforderliche Beauftragung eines Sachverständigen entstehen (BGH NJW-RR 89, 953, 956).

    Der erforderliche Herstellungsaufwand wird nach dem allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen nicht nur durch Art und Ausmaß des Schadens und die örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten für seine Beseitigung bestimmt; es ist vielmehr auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflußmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (vgl. BGH NJW 2007, 1450).

    Im Regelfall ist der Geschädigte berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung eines Schadensgutachtens zu beauftragen, wobei er grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet ist, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen.“

    Dieser Textblock in den Entscheidungsgründen hat mich hinsichtlich der klar strukturierten Überlegungen beeindruckt und wird zukünftig die gebührende Beachtung finden,denn auch die unkomplizierten Formulierungen sind insoweit zweifelsohne verständlicher, als der immer wieder Verwirrung stiftende Halbsatz in der bekannten und so oft bemühten BGH-Entscheidung.

    Mit freundlichen Grüßen
    aus Bochum&Tangendorf

    Kfz.-Sachverständigenbüro
    Dipl.-Ing. Harald Rasche

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