Richterin des AG Straubing verurteilt mit Urteil vom 7.10.2014 – 4 C 942/14 – die HUK-COBURG Allgemeine Versicherung AG zur Zahlung der vorher gekürzten Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

von Cuxhaven geht es weiter nach Straubing. Nachstehend geben wir Euch hier wieder ein umfangreiches Urteil aus Straubing zu den restlichen, abgetretenen  Sachverständigenkosten gegen die HUK-COBURG bekannt. In dieem Fall war es die HUK-COBURG Allgemeine Versicherung AG, die nicht gewillt war, vorgerichtlich vollständigen Schadensersatz zu leisten, obwohl die 100-prozentige Haftung unstreitig war. Nur, die HUK-COBURG hat auch in diesem Fall die Rechnung ohne das Gericht gemacht. Von den berechneten Schverständigenkosten von 653,01 € hat die regulierungspflichtige HUK-COBURG lediglich 520,– € gezhlt, ohne zu begründen, weshalb die Abzüge im Einzelnen gemacht wurden. Will der Schädiger den Geschädigten auf die angebliche Verletzung der Schadensgeringhaltungspflicht verweisen, muss er darlegen und beweisen, wo und wie der Geschädigte diese vermeintliche Pflicht verletzt hat. Diesen Beweis kann die HUK-COBURG nicht führen, so dass sie unter Umgehehung der BGH-Rechtsprechung einfach die – rechtswidrigen – Kürzungen weiter durchführt. Die Auswahl der Fotos obliegt dem Sachverständigen. Der Geschädigte, auf dessen Sicht es ankommt, kann dort gar keinen Einfluss nehmen. Insowweit sind die Einwendungen der beklagten HUK-COBURG bereits unerheblich, weil schadensersatzrechtlich unbeachtlich. Insofern müssen sich die Unfallopfer weiterhin massiv gegen die unberechtigten Kürzungen  auch gerichtlich wehren. Lest selbst das umfangreiche Urteil der jungen Richterin der 4. Zivilabteilung des AG Straubing und gebt anschließend bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße und noch eine schöne Vorweihnachtszeit
Willi Wacker 

Amtsgericht Straubing

Azr:     004 C 942/14

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

Sachverständigenbüro …

– Klägerin –

gegen

HUK-COBURG Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstandsvorsitzenden, Bahnhofplatz, 96450 Coburg

– Beklagte –

wegen Schadensersatz

erlässt das Amtsgericht Straubing durch die Richterin Dr. L. am 07.10.2014 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes

Endurteil

1.       Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 133,01 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.09,2014 zu bezahlen.

2.       Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3,       Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 133,01 € festgesetzt.

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)

Entscheidungsgründe

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb die-Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

I.

Die Parteien streiten um restlichen Schadensersatz in Form von Gutachterkosten aus einem Verkehrsunfall im Amtsgerichtsbezirk Straubing.

Der Geschädigte gab bei der Klagepartei ein Sachverständigengutachten zur Schadenshöhe am Kfz des Geschädigten in Auftrag. Die ihm insoweit in Rechnung gestellten Kosten verlangt der Kläger aus abgetretenem Recht von der Beklagten ersetzt.

Auf den für die Erstellung des Gutachtens in Rechnung gestellten Betrag von 653,01 € regulierte die Beklagte 520 €. Der Kläger verlangt nun die Differenz. Die Beklagten hat am 9.9.2014 die weitergehende Zahlung verweigert.

Der Kläger beantragt, wie folgt Zu erkennen:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 133,01 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.9.2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt: Klageabweisung.

Die Beklagte trägt vor, die Sachverständigennebenkosten seien überhöht. Insbesondere sei eine so umfangreiche Fotodokumentation nicht erforderlich gewesen und die Kosten der Restwertermittlung, da es sich um eine Reparaturfall handele, zu streichen.

Zur Ergänzung des Tatbestands im Übrigen wird Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die übrigen Aktenbestandteile.

II.

Gemäß §§ 7 I, 17 I StVG, §§ 249, 398 BGB besteht ein Anspruch des Klägers aus abgetretenem Recht auf Ersatz der noch nicht regulierten Gutachterkosten in der verlangten und zugesprochenen Höhe.

1.  Der Kläger ist aufgrund der wirksamen Sicherungsabtretung aktivlegitimiert. Die Wirksamkeit der Abtretung steht außer Streit.

2.  Die grundsätzliche Einstandspflicht der Beklagten für die Schäden aus dem Verkehrsunfall steht außer Streit. In der Hand des Geschädigten bestünde gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1, 2 BGB, §§ 1, 3 Nr. 1 PflVG bzw. § 115 VVG ein Anspruch auf Ersatz der Gut-achterkosten in zugesprochener Höhe.

a) Die Kosten des vom Geschädigten eingeholten Sachverständigengutachtens sind dem Grunde nach erstattungsfähig. Vorliegend wurde ein Schaden in Höhe von brutto EUR 2.804,66 im Gutachten ermittelt. Unter diesen Umständen erscheint auch die Beauftragung eines Sachverständigen aus Sicht des Geschädigten nachvollziehbar. Der Geschädigte hatte daher das Recht, ein Sachverständigengutachten zur Feststellung des Wiederbeschaffungswertes und des Restwertes zu erholen. Nach § 249 I11 BGB hat der Schädiger den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen. Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen, sind weder der Schädiger noch das Gericht im Schadenser-satzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen (BGH NJW 2007, 1450). Ein nach dem Verkehrsunfall in Relation zur Schadenshöhe berechnetes Sachverständigenhonorar ist als erforderlicher Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 (I BGB anzusehen (BGH, aaO). Der Geschädigte kann von dem Schädiger als erforderlichen Herstellungsaufwand jedoch nur die Kosten erstattet verlangen, die von dem Standpunkt eines verständigen und wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (BGH, aaO). Bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, ist eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, dh Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten zu nehmen. Der Geschädigte muss keine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben, sondern darf sich idR damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen (BGH r + s 2014, 203, 204). So lange für ihn allein als Laien nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder den Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt, kann der Geschädigte vom Schädiger den Ausgleich gezahlter Aufwendungen bzw. Freistellung hiervon verlangen (Grunsky NZV 2000, 4; OLG Nürnberg OLG-R 2002, 471).

b) Bei dem abgerechneten Honorar für die Gutachtenserstellung handelt es sich nach durch Schätzung gem. § 237 ZPO gewonnener Überzeugung um den erforderlichen Geldbetrag iSd § 249 II 1 BGB. Dabei bietet nach der neueren Rechtsprechung des BGH bereits die Vorlage einer Rechnung des Sachverständigen bei der Schadensschätzung ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen Geldbetrages“ iSv § 249 II BGB, schlagen sich doch in ihr die besonderen Umstände des Einzelfalles einschließlich der – vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung relevanten – beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten nieder (BGH r + s 2014, 203, 204). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Rechnung nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar über den üblichen Preisen liegt (BGH aaO). Dies war hier nicht der Fall, Für die Bestimmung der üblichen Preise kann auf die BVSK-Honorarbefragung 2013, und zwar deren Honorarkorridor, abgestellt werden, nach welchem zwischen 50 und 60 % der BVSK Mitglieder ihr Honorar abrechnen. Diese Befragung stellt nach Auffassung des Gerichts eine geeignete Schätzgrundlage dar (so zB auch LG Dortmund NJW-RR 2011, 321). Wie der BGH dargelegt hat, ist eine Vergleichbarkeit mit der für Mietwagen geltenden Marktsituation bei der Erstellung von Kfz-Gutachten bislang nicht zu konstatieren (vgl. BGH NJW 2007, 1450, 1452).

Die Höhe des Grundhonorars ist nicht zu beanstanden: Es liegt mit 409 Euro netto noch innerhalb des BVSK-Korridors.

Selbiges gilt für die Nebenkosten: Kosten für Original- und Zweitfotos, Schreibkosten (Original und Abschriften), Büromaterial und Tefofonpaschale halten sich innerhalb der Obergrenze des BVSK Korridors. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit der angefertigten Anzahl der Fotos bzw. Abschriften reicht grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen (BGH r + s 2014, 203, 204). Der Schädiger – bzw. hier die Beklagte – muss darlegen und ggf beweisen, dass der Geschädigte gegen seine Pflicht zur Schadensminderung aus § 254 II BGB verstoßen hat, indem er zur Maßnahmen unterlassen hat, die ein verständiger Mensch zur Schadensminderung getroffen hätte. Allein der Vortrag, der Schaden hätte auch mit weniger Fotos dokumentiert werden können, reicht hierzu nicht aus. Wieviele Fotos der Sachverständige für erforderlich erachtet, ist originärer Bestandteil der Sachverständigentätigkeit und für den Geschädigten typischerweise nicht nachprüf- und beeinflussbar. Dies gilt ebenso für Schreibkosten und Kosten für Anfragen bei Datenbanken und Dritten (zu deren Ersatzfähigkeit vergleiche LG Dortmund NJW-RR 2011, 321 ff sowie LG Regensburg vom 9.1.2014, Az: 2 S 281/13), da auch hierauf der Geschädigte keinen Einfluß hat. Die Tatsache, dass auch die BVSK Tabelle Kosten für einen zweiten Fotosatz ausweist, ist zudem ein Anhaltspunkt dafür, dass solche Kosten üblicherweise anfallen. Ebenfalls ersatzfähig sind die angesetzten Fahrtkosten. Wie der BGH festgestellt hat (BGH r + s 2014, 203, 204), darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Es ist gerichtsbekannt, dass in Straubing ein Mangel an freien Sachverständigen besteht, so dass die Beauftragung eines Gutachters im benachbarten Laberweinting (Entfernung 12 km) nicht gegen § 254 II BGB verstößt.

Nach der oben dargelegten Schätzung im Sinne von § 287 ZPO halten sich die hier abgerechneten Kosten jedenfalls im Bereich des Üblichen und Regelmäßigen, sodass jedenfalls keine Anhaltspunkte für ein Auswahlverschulden des Geschädigten bei der Beauftragung des Sachverständigen vorliegen.

c) Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn – wie hier – nicht der Geschädigte selbst, sondern der Sachverständige aus abgetretenem Recht vorgeht. Denn geltend gemacht werden die Ersatzansprüche des Geschädigten, die sich durch die Abtretung weder verändern noch umwandeln. Bei der Abtretung wie auch der Sicherungsabtretung handelt es sich nämlich um ein Verfügungsgeschäft. Der Gläubiger eines Anspruchs wird ausgewechselt. Hierdurch wird kein Einfluß auf den Rechtsbestand des Anspruchs selbst genommen.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280 I, II, 286, 288,187 I BGB analog.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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