Auch die Gothaer Allgemeine Versicherung AG „übte“ sich vor kurzem ein wenig in der Bearbeitung einer Urheberrechtsverletzung von Sachverständigenlichtbildern. Zugegebenermaßen leider etwas „ungeschickt“, aber das bringt das Üben von Dingen (von denen man nichts versteht?) wohl so mit sich?
Zu einem Schaden vom 24.11.2010 wurde im Auftrag des Geschädigten ein Gutachten durch einen freien und unabhängigen Sachverständigen erstellt.
Am 30.11.2010 wurden die Lichtbilder des Sachverständigengutachtens seitens der Gothaer Versicherung – unter Missachtung der Urheberrechte – in eine Restwertbörse (AutoOnline) eingestellt. Getreu dem Schadensmanagementcodex: Gewinn vor Recht und Gesetz? Aufgrund der offensichtlichen Rechtsverletzung wurde die Gothaer Versicherung mit Abmahnschreiben vom 09.12.2010 auf Unterlassung in Anspruch genommen (Fristsetzung 20.12.2010).
Am 16.12.2010 teile die Gothaer Versicherung folgendes mit:
Sehr geehrte Damen und Herren,
dankend haben Ihr Schreiben vom 09.12.2010 erhalten und die Interessenvertretung des Herrn … zur Kenntnis genommen.
Leider lag Ihrem Schreiben weder eine Vertretungs- noch eine Geldempfangsvollmacht bei, die wir bitten nachzureichen.
Eine Unterlassungserklärung werden wir nicht abgeben, da eine Wiederholungsgefahr nicht besteht. Wir haben sicherstellen lassen, dass Lichtbilder aus den vom SV Büro … erstellten Gutachten nicht mehr in eine Restwertbörse eingestellt werden.
Die geltend gemachten Schadenersatzansprüche sind überzogen. Ein Betrag von 5 EUR pro Bild ist gem. höchstrichterlicher Rechtsprechung angemessen.
5 EURO/Lichbild ist zwar nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung, sondern Grundlage des OLG Hamburg, aber immerhin scheint man bei der Gothaer Vers. offensichtlich (inzwischen) Kenntnis von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu haben, was das Thema „Urheberrecht der Sachverständigenlichtbilder“ betrifft? Gefordert waren übrigens 20 Euro / Lichtbild (LG Hamburg).
Am 03.01.2011 versuchte der (geduldige) Anwalt des Sachverständigen die Gothaer dann noch einmal zum Einlenken zu bewegen, insbesondere unter ausführlicher Erläuterung der Rechtsgrundlage zum Thema Wiederholungsgefahr (Fristsetzung 10.01.2011). Nachdem die Gothaer bis zum 10.01.2011 nicht reagiert hatte, erfolgte am 12.01.2011 noch einmal eine „freundliche Erinnerung“.
Am 13.01.2011 teile die Gothaer Versicherung dann folgendes mit:
Sehr geehrte Damen und Herren,
dankend haben wir Ihre Schreiben vorn 03.01.2011 sowie vom 12.01.2011 erhalten und bitten zunächst die verspätete Rückäußerung zu entschuldigen.
Die geforderte Unterlassungserklärung geben wir nicht ab. Wir haben sichergestellt, dass von Ihrem Mandanten gefertigten Lichtbilder nicht mehr in die von uns genutzte Restwertbörse eingestellt werden.
Wir halten in Anlehnung an die Entscheidung des BGH vom 29.04.2010 – I ZR 68/08 – einen Betrag von 5 EUR pro Lichtbild für angemessen, hier also einen Gesamtbetrag von 25 EUR, den wir an Sie überweisen.
Wäre es nicht sinnvoll, auch künftige Fälle auf dieser Basis zu lösen? Bedeutet, dass Ihr Mandant in die Veröffentlichung der Lichtbilder in der von uns genutzten Internet-Restwertbörse einwilligt und wir pro eingestelltem Lichtbild einen Betrag von 5 EUR zahlen. Wir prüfen derzeit, ob Schadengutachten für eine Regulierung überhaupt brauchbar sind, wenn der Sachverständige prinzipiell die Veröffentlichung der Lichtbilder untersagt. Denn nach der Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des BGH kann der Geschädigte im Rahmen seiner Schadenminderungspflicht durchaus gehalten sein, auf rechtzeitig, kostenfreie und mühelos zugängliche Internet-Restwertangebote zurückgreifen.
Folge kann sein, dass wir künftig in einschlägigen Fällen – wenn es auf die Ermittlung des Restwertes ankommt – das Gutachten als unbrauchbar zurückweisen und Gutachtergebühren nicht mehr übernehmen.
Zuerst hielt man es also nicht einmal für nötig, innerhalb der gesetzten Frist zu reagieren und dann kommt im Gepäck gleich noch ein „freches Angebot“ mit dem Hinweis auf die Keule. Der Sachverständige solle doch künftig auf die Ansprüche aus seinem gesetzliches Urheberrecht verzichten und erhalte dafür EUR 5,00 / Lichtbild. Wenn der Sachverständige darauf nicht eingehe, dann werde „geprüft“, ob man ihm auf irgend einer (rechtswidrigen?) Schiene irgendwelche berufliche Schwierigkeiten bereiten könne? Für eine Unterlassungserklärung sah die Gothaer hingegen weiterhin keine Veranlassung.
Spontane Wertung: Rechtsabteilung – nachsitzen!
Mit einem weiteren Schreiben vom 20.01.2011 wurde noch einmal versucht, ein Umdenken bei der Gothaer Versicherung in Gang zu setzen.
Dieses Schreiben wurde von der Gothaer Versicherung erst gar nicht mehr beantwortet, so dass, mit der Geduld am Ende, Klage geboten war. Klageeinrichung erfolgte am 21.02.2011, also ca. 4 Wochen nach Fristablauf.
Am 05.04.2011 erhielt der Klägervertreter dann ein Schreiben der Gothaer mit folgendem Inhalt:
Sehr geehrte Damen und Herren,
in dem Rechtstrelt
… ./. Gothaer Allgemeine Versicherung AG
teilen wir mit, dass wir uns gegen die Klage nicht verteidigen werden. Nach Erlass des Versäumnisurteils werden wir die Unterlassungserklärung daher aller Voraussicht nach abgeben.
Mit freundlichen Grüßen
Gothaer Allgemeine Versicherung AG
Na also, geht doch! Auch wenn der Text dieses Schreibens mehr als „schräg“ ist.
Liebe Gothaer Versicherung:
Die Abgabe einer Unterlassungserklärung dürfte unter Berücksichtigung aller Faktoren und aller Vorraussicht nach eventuell, vielleicht und überhaupt nicht mehr nötig sein, da dies wohl aller Wahrscheinlichkeit nach möglicherweise dem (Versäumnis)Urteil entnommen werden kann.
Die Unterlassungsansprüche waren nämlich Grundlage des Klageverfahrens und Bestandteil der Klageschrift!
Diese Episode zeigt wieder einmal sehr deutlich den unbekümmerten und unqualifizierten Umgang mit dem Urheberrecht seitens einiger Versicherer. Des weiteren zeigt auch der Bearbeitungsstil die vermeintlich überlegene Position gegenüber dem Sachverständigen, in der sich Versicherer wähnen. Dass man sich bei Urheberrechtsverletzungen im Bereich des Strafrechts bewegt, scheint bei einigen Versicherern auch noch nicht angekommen zu sein?
Aber eines hat der Vorgang deutlich zum Vorschein gebracht: Für einen „satten Restwertgewinn“ wäre eine Versicherung durchaus bereit, freiwillig mindestens 5 Euro/ Lichtbild zu zahlen, wenn der Sachverständige Nutzungsrechte für seine Lichtbilder zur Einstellung in eine Restwertbörse einräumt. Das sollte er aus Haftungs- bzw. Regressgründen natürlich tunlichst unterlassen, wie an anderen Stellen bereits mehrfach und ausführlich zu diesem Thema erläutert wurde.
Die freiwillige Zahlung von 5 Euro / Lichtbild durch den Versicherer ergibt aber noch einen ganz anderen Aspekt: Wie qualifiziert hat der BVSK eigentlich mit den Versicherern verhandelt, wenn Versicherer bereit sind, auf die Schnelle mal 5 Euro / Lichtbild (=~ 50 Euro / Gutachten) zu bezahlen und als Ergebnis des „BVSK-Kuhhandels“ am Ende dann aber nur lächerliche 2,50 Euro / Gutachten heraus gekommen sind? Oder fließt da doch irgendwie mehr?
Mir hat sogar die Sparkassen-Versicherung mal gepflegte 20,- Euro / Lichtbild angeboten, wenn sie die verwenden dürften.
Da sieht man noch viel besser das „Gewinnpotential“. Aber auch von 20,- Euro / Lichtbild habe ich seinerzeit Abstand genommen, weil ich abends mit einem guten Gewissen ins Bett gehen will, um ruhig schlafen zu können.
Unter diesem Gesichtspunkt sind die 2,50 Euro / Gutachten, die Herr Fuchs „ausgehandelt“ hat, noch lächerlicher…
Viele Grüße
Andreas
Hi Andreas,
ein gutes Gewissen ist ein gutes Ruhekissen. Das sagt eine alte badische Weisheit, die auch andernorts gilt.
Die 5,– Euro sind aber von dem OLG HH mal so genannt worden. Ob die oder die 20,– Euro des LG HH nachher zutreffend sind bzw. vom OLG so festgelegt werden, muss man abwarten. Ich finde das gut, wie du gehandelt hast.
Grüße
Claus
„Folge kann sein,dass wir Gutachten als unbrauchbar zurückweisen…..“
Klarer Fall für die Wettbewerbszentrale!
Mit dem Totschlagargument, dass die Gutachten dann nicht brauchbar sind, wenn der Sachverständige nicht sein Einverständnis erteilt, die Lichtbilder in die Restwertbörse einzustellen, führen sich die Versicherer doch selbst ad absurdum. Vor der Einführung der Restwertbörsen, deren Gebote im Haftpflichtschadensfall grds. ohnehin unbeachtlich sind ( vgl. BGH: „allgemeiner, regionaler Restwertmarkt“!!), waren die Gutachten doch auch brauchbar. Die Versicherer haben sogar danach reguliert. Und jetzt plötzlich im Rahmen der konzertierten Schadenskürzungen sollen die Gutachten unbrauchbar sein. Das verstehe, wer will. Der BGH nicht, indem er mit dem Urheberrechtsurteil einen dicken Strich durch die Internetrestwertbörsen gemacht hat.
Wesenlicher Bestandteil eines brauchbaren Gutachtens ist nicht (!) die Einverständniserklärung zur Einstellung in die Restwertbörse. Das Gegenteil ist der Fall. Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen und zusätzlich (!) aufgrund des Vermerkes ist es der eintrittspflichtigen Versicherung untersagt, die urheberrechtlich geschützten Lichtbilder zu nutzen. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit strafrechtlich wegen der Urheberrechtsverletzung vorzugehen. Die Sachverständigen sollten von dieser Möglichkeit viel mehr Gebrauch machen. Die Staatsanwaltschaften müssen mit Strafanzeigen wegen Urheberrechtsverletzungen überhäuft werden. Das hat auch erzieherischen Wert. Jeden Tag muss der Vorstand zur Vernehmung. Das hilft. Da sich die Verfahren dann häufen, kann auch nicht mehr von Geringfügigkeit die Rede sein. Es gilt dann das Offizialprinzip, dass die Ermittlungsbehörde von sich aus bei Kenntnis der Straftat weiter ermitteln muss.
Der weitere mögliche Weg ist durch meinen Vorkommentator RA. Imhof aufgezeigt worden. Nur beschritten werden müssen die Wege. Packen wir es an.
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker
Also bei mir hat die Gothaer die Unterlassungserklärung sofort abgegeben und auch meine Gebühren sofort gezahlt. Haben vielleicht dazugelernt …
Hi Dominik,
so müsste es ja immer sein. Aber verschiedene Versicherungen wollen ja unbedingt mal austesten, wie weit denn der betreffende Sachverständige geht. Dann kommt es schon mal zur für die Versicherung wirtschaftlich sinnlosen Klageerhebung. So werden dann den guten Prämien noch weitere unnütze (Gerichts- und Anwalts-) Kosten nachgeworfen.
Viele Grüße
Gustl
Hat eigentlich die DEVK schon eine Unterlassungserklärung wegen Urheberrechtsverletzungen abgegeben? Man könnte meinen ja, denn sonst wäre wohl das nachfolgende Gespräch so nicht geführt worden.
Ein Kunde informierte uns heute darüber, dass der Haftpflichtversicherer (DEVK), von seinem Recht Gebrauch machen werde, das beschädigte Fahrzeug nachzubesichtigen. Dies deshalb, weil der Sachverständige die Weitergabe des Gutachtens an Dritte untersage. Lässt das Unfallopfer die Besichtigung nicht zu – der versicherungseigene Sachverständige sei bereits beauftragt – werde die DEVK den Schaden nicht regulieren.
Schon dreist von der DEVK – hier von „Recht“ zu sprechen. Oder?
Zumal, wirbt die DEVK nicht immer damit, schon am Tag des Schadens diesen regulieren zu wollen? Unser Kunde sollte seinen Anwalt daher auch gleich anhalten, wegen unlauterer Werbung entsprechende Schritte gegen die DEVK einzuleiten.
Die Aussage der DEVK ist doch eindeutig: Wenn keine Nachbesichtigung, dann zahlen wir nicht.
Das ist eine ernsthafte und endgültige Zahlungsverweigerung. Damit besteht Verzug.
Konsequenz sollte sein, sofort den VN zu verklagen.
Hallo Herr Kollege,
sehr richtig. Es besteht kein Anspruch auf Nachbesichtigung.
Den einzigen Grund, den es gibt, ist, dass die Versicherung eigene Lichtbilder für Restwertbörse machen will. >Die Rspr. hat auch bereits mehrfach entschieden, dass Verweigerung der Nachbesichtigung kein Recht zur Einbehaltung des Schadensbetrages ist. Einzige Konsequenz sofort klagen, und zwar den VN, wie Sie richtig ausführen.
MfkG
Willi Wacker
Schade, dass zur nachfolgenden Pressemitteilung das Aktenzeichen nicht angegeben wurde.
„Straffälle
Haft für Raubkopierer
Zwei Männer aus Erfurt wurden vor wenigen Tagen zu einer der höchsten Haftstrafen verurteilt, die je gegen Raubkopierer in Deutschland verhängt wurden. Sie fassten jeweils mehr als drei Jahre Haft aus – ohne Bewährung. Die Männer hatten Programme, unter anderem von Microsoft, im Wert von über sechs Millionen Euro illegal kopiert und vertrieben. Sie nahmen mit ihren Verkäufen mehr als 1,3 Millionen Euro ein.“
Quelle: http://www.kleinezeitung.at/allgemein/multimedia/2799321/50-000-euro-strafe-fuer-musik-videodownloads.story