Hallo verehrte Captain-Huk-Leserschaft,
hier und heute streuen wir wieder ein BGH-Urteil zu den Kriterien einer Schätzung auf der Grundlage des § 287 ZPO ein. Die hier bisher veröffentlichen älteren BGH-Urteile und auch die noch folgenden werden in den neueren BGH-Urteilen zitiert. Damit der Leser bzw. die Leserin auch die Möglichkeit hat, diese in den BGH-Entscheidungen zitierten Urteile zu erfassen, hatte die Redaktion sich entschlossen, auch diese älteren BGH-Entscheidungen hier zu veröffentlichen. Wenn selbst der VI. Zivilsenat des BGH diese Urteile in aktuellen Entscheidungen zitiert, dann können die älteren Urteile nicht so „verstaubt“ sein, dass sie nicht mehr zu Entscheidungen benötigt werden. In diesem Sinne lest das BGH-Urteil zum § 287 ZPO und gebt dann bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 66/88 Verkündet am: 06. Juni 1989
In dem Rechtsstreit
…
hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juni 1989 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Steffen und die Richter Dr. Kullmann, Dr. Ankermann, Dr. Macke und Bischoff
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 4. Februar 1988 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist im November 1979 mit seinem Fahrrad auf vereister Straße gestürzt und hat sich hierbei eine rechtsseitige Schenkelhalsfraktur zugezogen, die später zu einer Schädigung des Hüftgelenks geführt hat. Durch rechtskräftig gewordenes Urteil vom 21. Dezember 1982 ist festgestellt worden, daß die beklagte Stadt dem Kläger den aus dem Unfall entstandenen und noch entstehenden Schaden zu ersetzen hat.
In der Folge hat der Kläger gegen die Beklagte mehrere Schadensersatzprozesse, so wegen Verdienstausfalls, angestrengt. Der hier erhobenen Klage liegt folgendes zugrunde:
Der Kläger lebt in Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft mit seiner im Jahre 1916 geborenen Mutter in einem Hausgrundstück mit Garten an der Unteren …-Straße, welches zunächst der Mutter gehörte und sodann aufgrund Schenkungsvertrages vom 8. April 1983 auf den Kläger übergegangen ist. Weiter hat die Mutter durch Kaufvertrag vom 2. Januar 1980 ein Grundstück am …-Weg an den Kläger veräußert, welches sie im September 1979 bei einer Versteigerung zur Auseinandersetzung einer aus ihr und ihrer Schwester bestehenden Erbengemeinschaft erworben hatte. Der Kläger ist seit dem 25. April 1980 als der Eigentümer dieses Grundstücks im Grundbuch eingetragen.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von 360.000 DM in Anspruch. 120.000 DM verlangt er mit der Begründung, daß er für früher von ihm verrichtete Haushaltungs-, Garten- und häusliche Reparaturarbeiten seit dem Unfall auf fremde Hilfe angewiesen sei. Weitere 240.000 DM beansprucht er mit der Begründung, daß er ohne den Unfall auf dem Grundstück am J.-Weg ein Haus errichtet und dabei Eigenleistungen im Werte von rund 240.000 DM erbracht haben würde.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision hält der Kläger an seinem Klagebegehren fest.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat gemeint: Zwar sei die Beeinträchtigung der Fähigkeit zu Arbeiten im Haushalt an sich ersatzfähig. Das Vorbringen des Klägers sei jedoch in dieser Hinsicht zu unsubstantiiert. So sei nicht zu erkennen, welche konkreten Haushaltsarbeiten der Kläger nach dem Unfall durch Hilfskräfte ausführen lassen müsse. Bezüglich der Gartenarbeiten sei zu berücksichtigen, daß der Kläger das Hausgrundstück mit dem Garten erst nach dem Unfall und somit in Kenntnis seiner unfallbedingten Beeinträchtigung erworben habe. Auch hier habe der Kläger im übrigen nicht dargetan, welche Arbeiten er wegen des Unfalls nicht mehr zu verrichten vermöge. Ähnlich unergiebig sei das Vorbringen bezüglich der häuslichen Reparaturarbeiten. Soweit der Kläger geltend mache, daß er ohne den Unfall unter beträchtlichen Eigenleistungen ein Bauvorhaben verwirklicht hätte, erstrebe er im Kern einen Ausgleich für den Verlust der Arbeitskraft als solcher; dieser sei jedoch nicht ersatzfähig. Es sei aber auch nicht hinreichend dargelegt, daß der Kläger für Bau-Eigenleistungen so erheblichen Ausmaßes über die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen verfüge und für einen derartigen Einsatz neben seiner beruflichen Beanspruchung als Pharmaberater genügend Zeit gehabt hätte.
II.
Die vollständige Abweisung der Klage hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Haushaltstätigkeit
Nach der Rechtsprechung des Senats liegt in dem Verlust der Fähigkeit, weiterhin Haushaltsarbeiten zu verrichten, ein ersatzfähiger Schaden. Er stellt sich je nach dem, ob die Hausarbeit als Beitrag zum Familienunterhalt oder ob sie den eigenen Bedürfnissen des Verletzten diente, entweder als Erwerbsschaden i.S. des § 843 Abs. 1 1. Alt. BGB oder als Vermehrung der Bedürfnisse i.S. des § 843 Abs. 12, Alt. BGB dar (Senatsurteil vom 25. September 1973 – VI ZR 49/72 – VersR 1974, 162, 163; s. auch Senatsurteil vom 7. Mai 1974 – VI ZR 10/73 – VersR 1974, 1016, 1017 m.w.N.). In dem einen wie dem anderen Falle ist der Schaden meßbar an der Entlohnung, die für die verletzungsbedingt in eigener Person nicht mehr ausführbaren Hausarbeiten an eine Hilfskraft gezahlt wird (dann Erstattung des Bruttolohns) oder gezahlt werden müßte (dann Orientierung am Nettolohn) (vgl. auch Senatsurteile BGHZ 86, 372, 375 ff. und vom 29. März 1988 – VI ZR 87/87 – VersR 1988, 490, 492). Zu diesem Zwecke ist festzustellen, welche Hausarbeiten der Verletzte vor dem Schadensfall zu verrichten pflegte, wieweit ihm diese Arbeiten nun nicht mehr möglich (oder zumutbar) sind und für wieviel Stunden folglich eine Hilfskraft benötigt wird oder – bei anderweitigem Ausgleich des Hausarbeitsdefizits – benötigt würde.
Daß es sich bei der vorliegend von dem Kläger geltend gemachten Beeinträchtigung der Fähigkeit zur Verrichtung von Haushaltsarbeiten der Sache nach um einen ersatzfähigen Schaden handelt, verkennt auch das Berufungsgericht nicht. Es sieht sich mangels näherer Angaben zur Art der dem Kläger nicht mehr möglichen Hausarbeiten lediglich nicht in der Lage, diesen Schaden zu bemessen. Indessen ergibt sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts, daß der Kläger unfallbedingt an einer Schädigung des Hüftgelenks leidet. Das Berufungsgericht spricht im Hinblick hierauf – wenn auch in anderem Zusammenhange, nämlich bei den Gartenarbeiten – von einem „durch den Unfall auf Dauer eingetretenen Körperschaden“ (BU S. 10). Damit liegt auf der Hand, daß der Kläger auch für den Haushalt zumindest nicht mehr uneingeschränkt zur Verfügung steht. Jedenfalls ist dies für die revisionsrechtliche Beurteilung – da das Berufungsgericht Auswirkungen der Unfallfolgen auf die Fähigkeit des Klägers zur Haushaltsarbeit nicht etwa verneint hat – zu unterstellen. Weiter geht das Berufungsgericht aufgrund der Aussage der Mutter des Klägers positiv davon aus, daß er sich vor dem Unfall an den Haushaltsarbeiten beteiligt hat. Damit aber steht der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz wegen Beeinträchtigung der Hausarbeitsfähigkeit dem Grunde nach fest und bedarf es lediglich der Ausfüllung zur Höhe. In einem solchen Fall darf die Klage grundsätzlich nicht vollständig abgewiesen, sondern muß der Schaden nach § 287 ZPO geschätzt werden (Senatsurteile BGHZ 54, 45, 55 und vom 9. Juli 1968 – VI ZR 14/67 – VersR 1968, 1065). Zwar ist es Sache des Anspruchstellers, diejenigen Umstände vorzutragen und ggfls. zu beweisen, die seine Vorstellungen zur Schadenshöhe rechtfertigen sollen. Versäumt er dies, muß er sich mit einer Mindestschätzung zufrieden geben. Nur wenn nicht einmal eine solche möglich erscheint, weil keinerlei brauchbare Anhaltspunkte auch nur für eine Mindestschätzung dargetan sind, kommt die gänzliche Abweisung der Klage in Betracht. Bevor das Berufungsgericht annehmen durfte, daß der Fall so liege, hätte es sich indes, wie die Revision insoweit zu Recht rügt, damit auseinandersetzen müssen, daß die Mutter des Klägers bei ihrer Vernehmung als Zeugin bekundet hat, der Kläger habe immer „die etwas schwereren Hausarbeiten“ wie „Staubsaugen, Teppichklopfen, die ganze Schlepperei“ erledigt und derartige Verrichtungen seien ihm – so ist die Aussage der Zeugin im Gesamtzusammenhang erkennbar gemeint – als Folge des Unfalls nicht mehr möglich. Trifft dies zu, erscheint eine Mindestschätzung des dem Kläger entstandenen „Hausarbeitsschadens“ möglich, etwa derart, daß der Mindest-Arbeitszeitbedarf veranschlagt wird, der für die von der Mutter des Klägers genannten Verrichtungen in einem Zwei-Personen-Haushalt anfällt, und hierfür eine Vergütung in Ansatz gebracht wird, wie sie etwa an eine Stundenhilfe gezahlt werden müßte. Hiernach kann die vollständige Abweisung der Klage in dem hier behandelten Punkte jedenfalls mit der bisherigen Begründung keinen Bestand haben. Die Sache war daher insoweit an das Berufungsgericht zurückzugeben.
2. Gartenarbeiten
Ähnliches wie für die Haushaltsarbeiten gilt für die Gartenarbeiten. Sie gehören zu den Haushaltsarbeiten im weiteren Sinne. Unstreitig hatte der Kläger die Gartenarbeiten als einen Teil seines Beitrags zu dem gemeinsamen Haushalt übernommen. Folglich steht ihm, und zwar wiederum nach § 843 Abs. 1 BGB, Schadensersatz zu, soweit ihm die Erledigung der Gartenarbeiten unfallbedingt nicht mehr möglich ist. Das Argument des Berufungsgerichts, daß der Kläger erst nach dem Unfall und folglich in Kenntnis seiner körperlichen Beeinträchtigung Eigentümer des Grundstücks mit dem Garten geworden sei, steht diesem Schadensersatzanspruch schon deshalb nicht entgegen, weil es sich um denselben Garten handelt, der schon vorher als Teil des gemeinsamen Haushalts bestellt wurde, und somit der Eigentumserwerb des Klägers den tatsächlichen Zuschnitt des Haushalts nicht verändert hat.
Auch bei den Gartenarbeiten geht das Berufungsgericht ersichtlich davon aus, daß der Kläger wegen der Unfallfolgen nicht mehr in dem früheren Umfang einsatzfähig ist. Anderenfalls wäre die vorstehend erörterte Erwägung des Berufungsgerichts, er habe ja beim Erwerb des Grundstücks seinen unfallbedingten Körperschaden gekannt, unverständlich. Folglich steht auch in Bezug auf die Gartenarbeiten der Schadensersatzanspruch des Klägers dem Grunde nach fest, so daß sich wiederum eine gänzliche Abweisung der Klage grundsätzlich verbietet und eine Schätzung der Schadenshöhe nach § 287 ZPO vorzunehmen ist. Auch hier gehen freilich Unklarheiten, etwa dazu, welchen Arbeitsaufwand der Garten überhaupt erfordert und ob nicht der Kläger jedenfalls einen Teil der Arbeiten weiterhin zu erledigen vermag, zu Lasten des Klägers. Ferner mag der Tatrichter etwa ein Rasenschneiden zweimal pro Woche, wie es der Kläger nach der Berufungsbegründung jeweils von April bis Oktober durch Fremdkräfte ausführen läßt (GA Bl. 142), für übertrieben halten. Unbeschadet dessen dürften dem Kläger aber beispielsweise die Kosten zu erstatten sein, die er nach seiner Aufstellung GA Bl. 108 für das Fällen von Bäumen geltend macht, sofern der Tatrichter derartige Arbeiten – und in dem geltend gemachten Umfange – für bewiesen hält. Im übrigen erscheint es durchaus möglich, einen Mindestschaden etwa in der Weise zu schätzen, daß für Gartenarbeiten, die einem Mann mit einer Hüftgelenksschädigung mit Sicherheit nicht möglich sind (z.B. Umgraben), ein in jedem Garten anfallender Mindest-Zeitbedarf ins Auge gefaßt und mit dem üblichen Stundensatz für eine entsprechende Hilfskraft veranschlagt wird. Auch bezüglich der Gartenarbeiten kann eine vollständige Abweisung der Klage daher keinen Bestand haben und ist eine Schätzung durch den Tatrichter veranlaßt.
3. Reparaturarbeiten
Auch daß der Kläger nicht mehr – oder nicht mehr in dem früheren Umfang – häusliche Reparaturarbeiten ausführen kann, ist der Sache nach ersatzfähig. Häusliche Reparaturen sind, wie der Senat unlängst in anderem Zusammenhange, nämlich im Rahmen von § 844 Abs. 2 BGB, ausgesprochen hat, den Haushaltstätigkeiten (Hausarbeiten „im weiteren Sinne“) zuzurechnen (Senatsurteil vom 29. März 1988 a.a.O. S. 492). Auch unabhängig von dieser Einordnung stellt sich die Notwendigkeit, früher selbst vorgenommene Reparaturarbeiten nunmehr unter entsprechenden Mehraufwendungen von Handwerkern durchführen lassen zu müssen, als schadensersatzpflichtige Vermehrung der Bedürfnisse i.S. des § 843 Abs. 1 2. Alt. BGB dar (vgl. auch – für eine geplante und dann verletzungsbedingt nicht vorgenommene – einmalige do-it-yourself-Arbeit OLG München DAR 1985, 354 und OLG Hamm MDR 1989, 160 [OLG Hamm 20.09.1988 – 9 U 22/88]).
Das Berufungsgericht unterstellt eine besondere handwerkliche Geschicklichkeit des Klägers, wie sie seine Mutter bestätigt hat (BU S. 14), und erkennt an, daß dem Kläger Handwerkerkosten ohne den Unfall „bei dem dann möglichen Einsatz der Arbeitskraft“ nicht entstanden wären (BU S. 11). Unter diesen Umständen ist auch zu dem Komplex häusliche Reparaturarbeiten ein Schadensersatzanspruch des Klägers dem Grunde nach zu bejahen, so daß die Klage insoweit nicht vollständig abgewiesen werden darf, wenn eine Schätzung des Schadens, sei es auch nur in Form einer Mindestschätzung, möglich ist. Auch in diesem Zusammenhange gehen ggfls. Unsicherheiten – etwa dazu, ob der Kläger die in seiner Aufstellung GA Bl. 108 ff. zusammengestellten Arbeiten sämtlich ohne fremde Hilfe hätte ausführen können und wieweit er nicht wenigstens zu einem Teil davon trotz seiner unfallbedingten Beeinträchtigung noch in der Lage gewesen wäre – wiederum zu Lasten des Klägers. Außerdem entfallen die in der Aufstellung enthaltenen Ausschachtungsarbeiten jedenfalls nach den ergänzenden Angaben in den Quittungen nicht auf das Grundstück an der Unteren H.-Straße, sondern auf das Grundstück am …-Weg (s. insoweit nachfolgend zu 4.). Unbeschadet alles dessen erscheint anhand der Angaben in der Zusammenstellung GA Bl. 108 ff. eine tatrichterliche Schätzung des ungefähren Kostenvolumens für Arbeiten, die der Kläger früher selbst ausgeführt hätte, jetzt aber mit seiner Hüftgelenksschädigung – wie etwa die in der Aufstellung enthaltenen Anstreicher- und Dachdeckerarbeiten – nicht mehr leisten kann, möglich. Für die Zeiten vor und nach dem durch die Aufstellung erfaßten Zeitraum kann der Tatrichter für die häuslichen Reparaturen, die ein geschickter Mann in Eigenarbeit zu erledigen vermag, eine durchschnittliche Kostenersparnis in Ansatz bringen. Auch zu dem Schadensersatzbegehren wegen Beeinträchtigung in häuslichen Reparaturarbeiten war der Rechtsstreit somit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
4. Eigenleistungen beim Hausbau
Soweit der Kläger geltend macht, daß er ohne die Unfallverletzung Eigenleistungen für ein (weiteres) Haus erbracht und auf diese Weise sein Vermögen um den Wert dieser Eigenleistungen vermehrt hätte, läßt sich ein so hergeleitetes Schadensersatzbegehren entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht mit der Begründung verneinen, daß der Wegfall der Arbeitskraft als solcher nicht ersatzfähig sei (vgl. insoweit Senatsurteile BGHZ 54, 45, 50 und 86, 212 ff.) bzw. daß es hier letztlich um eine immaterielle Beeinträchtigung, die Nichtverwirklichung eines „Lebenstraums“, gehe. Es kommt entgegen den weiteren Erwägungen des Berufungsgerichts auch nicht entscheidend darauf an, wieweit sich unterbliebene Eigenleistungen an einem Bauvorhaben im Wortsinne als Nachteile für den Erwerb oder das Fortkommen i.S. des § 842 BGB oder als durch Entrichtung einer Geldrente ausgleichbare Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit bzw. Vermehrung der Bedürfnisse i.S. des § 843 Abs. 1 BGB einordnen lassen. Der Schädiger hat dem Geschädigten alle Vermögenseinbußen aus der diesem zugefügten Verletzung zu ersetzen; die §§ 842, 843 BGB schränken den Grundsatz des vollen Schadensausgleichs nicht ein (vgl. die Rechtspr.-Nachweise bei RGRK-Boujong 12. Aufl. § 842 Rdn. 1). Für die Ersatzfähigkeit genügt daher, daß sich das Vermögen ggfls. um den Wert der in das Bauvorhaben einfließenden Eigenleistungen vermehrt haben würde. In diesem Sinne wird durch derartige Eigenleistungen ein in der Vermögensbilanz ausweisbarer Gewinn erzielt. Folglich ist der verletzungsbedingte Ausfall von Eigenleistungen nach der Vorschrift des § 252 S. 1 BGB zu ersetzen. Demgemäß hat der Senat bereits in der Vergangenheit in einem Fall, in dem Schadensersatz in Höhe des Wertes geplanter Eigenleistungen für ein dann unfallbedingt nicht zur Ausführung gelangtes Bauvorhaben verlangt und zugesprochen worden war, die Revision nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluß vom 6. Oktober 1987 – VI ZR 5/87 – zu OLG Stuttgart Urt. v. 10. Dezember 1986 – 13 U 278/85 -).
Freilich sind an ein Schadensersatzbegehren dieser Art strenge Beweisanforderungen zu stellen, um uferlose Schadenskonstruktionen abzuwehren und das Schadensersatzrecht nicht über den Bereich des Ausgleichs realer Schäden hinaus in den Bereich bloß vorstellbarer Entwicklungen auszudehnen. Der Tatrichter muß aufgrund konkreter Anhaltspunkte, insbesondere bereits vor dem Unfall eingeleiteter Schritte, die Überzeugung gewinnen, daß das Bauvorhaben tatsächlich angegangen worden und daß es realisierbar gewesen wäre und der Verletzte dabei Eigenleistungen erbracht hätte. Unter diesem Blickwinkel muß sich das Berufungsgericht der Sache noch einmal annehmen. Dabei wird es einerseits zu berücksichtigen haben, daß die Mutter des Klägers als Zeugin bestätigt hat, es sei schon bei der – vor dem Unfall erfolgten – Ansteigerung des Grundstücks am …-Weg geplant gewesen, daß es alsbald auf den Kläger übergehen und dieser darauf unter erheblichen Eigenleistungen ein Haus errichten würde, so wie es auch der Vater gehalten habe, dessen Vorbild dem Kläger insoweit vor Augen gestanden habe. Auch daß der Kläger über beträchtliche handwerkliche Fertigkeiten verfügt, hat die Zeugin bestätigt. Andererseits fragt sich, ob das Bauvorhaben tatsächlich so, wie es sich der Kläger vorstellt, hätte abgewickelt werden können und insbesondere die unbeschadet der Eigenleistungen erforderlichen Geldmittel (z.B. für den Architekten und das Material) zur Verfügung gestanden hätten. Der Tatrichter muß sich auch – und das kann auf die Frage der Finanzierbarkeit des Vorhabens zurückwirken – eine Meinung dazu bilden, ob der Kläger für all die Bauleistungen, für die er dies jetzt in Anspruch nimmt, die aber zum Teil spezielle Fähigkeiten voraussetzen, die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen besitzt. Außerdem dürfte jedenfalls ein Teil dieser Arbeiten erfordern, daß eine zweite Person mit anfaßt, so daß zumindest in diesem Umfange Lohnkosten angefallen wären. Allgemein fällt auf, daß in der von dem Kläger vorgelegten Einschätzung des Architekten M. vom 22. Dezember 1986 (Ergänzung zur Kostenberechnung vom 17. Dezember 1986) für die darin erfaßten Arbeiten die gesamten Lohnkosten auf 252.103 DM veranschlagt werden (Anl. zu GA Bl. 139). Indem der Kläger 240.000 DM Schadensersatz verlangt, behauptet er mithin, daß er in der Lage gewesen wäre, praktisch all diese Bauarbeiten allein auszuführen. Daß dies zu realisieren gewesen wäre, versteht sich zumindest nicht von selbst. Auch in zeitlicher Hinsicht bedürfen die Vorstellungen des Klägers kritischer tatrichterlicher Überprüfung. Insoweit fragt sich, ob der Beruf des Klägers als Pharmaberater genügend Zeit für Eigenleistungen dieses Ausmaßes gelassen hätte. Weiter ist zu bedenken, daß der Kläger von Vorarbeiten der Spezialhandwerker, von Materiallieferungen sowie von den Wetterbedingungen abhängig gewesen wäre. Er hätte aus diesen Gründen seine Freizeit möglicherweise nicht stets sinnvoll für den Bau einsetzen können. Zur Würdigung alles dessen ist der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Sofern dieses die Überzeugung gewinnt, daß das Haus gebaut worden wäre und der Kläger hierauf Eigenleistungen erbracht hätte, wird der Umfang und der Wert von realistischen Eigenleistungen letztlich zu schätzen sein. Eine gänzliche Abweisung der Klage wäre – unter der genannten Voraussetzung – nicht zu rechtfertigen. Mit der Revision kann davon ausgegangen werden, daß der Kläger, wenn das Haus gebaut worden wäre, jedenfalls einen Teil der Arbeiten selbst ausgeführt hätte.
5. Soweit der Kläger die Klage in zweiter Instanz – unter Zulassung der darin liegenden Klageänderung durch das Berufungsgericht (BU S. 15) – ergänzend darauf gestützt hat, daß ihm in der Zeit vom 1. Januar 1986 bis 31. Dezember 1988 Einnahmen aus der Vermietung des Hauses am …-Weg in Höhe von 82.440 DM entgangen seien, hängt die Entscheidung gleichfalls davon ab, ob der Bau des Hauses nach der Überzeugung des Tatrichters tatsächlich angegangen worden und das Bauvorhaben zu realisieren gewesen wäre. Bejahendenfalls kommt es weiter darauf an, ob das Haus in dem genannten Zeitraum bereits bezugsfertig gewesen wäre und dem Kläger geglaubt werden kann, daß eine Fremdvermietung erfolgt wäre.
6. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat ergänzend darauf hin, daß die vorstehend abgehandelten Schadenspositionen nicht isoliert betrachtet werden dürfen. Je mehr Zeit der Kläger neben seinem Beruf für Haushalts-, Garten- und häusliche Reparaturarbeiten in dem Haushalt in der Unteren …-Straße aufgewendet hätte, desto weniger Zeit hätte ihm für den Bau des Hauses am …-Weg zur Verfügung gestanden und umgekehrt. Auch soweit der Kläger für Zeiträume, in denen er einen erheblichen Zeitaufwand für Eigenleistungen bei der Errichtung des Hauses am …-Weg geltend macht, gleichzeitig erhöhten Verdienstausfall für vermehrten Einsatz in seinem Beruf als Pharmaberater beansprucht, läßt sich das nicht ohne weiteres miteinander in Einklang bringen. Das Berufungsgericht wird auch diese möglichen Wechselbeziehungen zwischen den verschiedenen Schadenspositionen in seine Entscheidungsfindung einzubeziehen haben.
Dr. Steffen Dr. Kullmann Dr. Ankermann
. Dr. Macke Bischoff
Vorinstanzen:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 04.02.1988
LG Wuppertal