VI. Zivilsenat des BGH entscheidet zur Verletzung rechtlichen Gehörs im Rahmen eines Schadensersatzprozesses mit Beschluss vom 19.11.2013 – VI ZR 202/13 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

zum Wochenende geben wir Euch hier einen Beschluss des VI. Zivilsenates des BGH zur Verletzung des rechtlichen Gehörs bei einem Personenschaden bekannt. Ganz ohne Beweisaufnahme einen Schadensersatzanspruch des Geschädigten ablehnen, wie dies die Vorgerichte getan haben, obwohl das Unfallopfer Beweis angetreten  und schlüssig dargelegt hat, da hat der BGH m.E. zu Recht eingegriffen. Lest aber selbst den Beschluss vom 19.11.2013. Gebt bitte Eure Ansichten dazu bekannt.

Viele Grüße und ein schönes Wochenende.
Willi Wacker

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

VI ZR 202/13

vom

19. November 2013

in dem Rechtsstreit

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. November 2013 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll, Wellner und Stöhr sowie die Richterin von Pentz

beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 24. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 3. April 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gegenstandswert: 45.000 €

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von den Beklagten nach einem Verkehrsunfall die Zahlung eines Schmerzensgeldes.

Die Klägerin erlitt am 27. Mai 2008 einen Auffahrunfall. Sie hatte an einer Kreuzung angehalten und war wieder angefahren, um nach rechts abzubiegen. Dann bremste sie wieder ab. In dem Moment fuhr der Beklagte zu 3 auf ihr Fahrzeug auf. Der Renault Clio der Klägerin wurde geringfügig im Bereich der hinteren Stoßstange sowie der Plastikverkleidung darunter beschädigt. Die Reparaturkosten beliefen sich auf 682,01 € netto. Am nächsten Tag begab sich die Klägerin in ärztliche Behandlung. Der Arzt stellte bei ihr die Diagnosen: „Hals-wirbelsäulenschleudertrauma (mittlere Schwere), Thoraxkompression durch Sicherheitsgurt, Prellung rechte Schulter, deutliche vegetative Erschöpfung mit Schweißausbrüchen“. Die Klägerin hatte bereits im Jahr 1989 einen schweren Unfall erlitten, bei dem sie ein Polytrauma und insbesondere ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten hatte.

Die Klägerin macht geltend, sie leide – erstmalig seit dem Unfall vom 27. Mai 2008 – unter andauernden migräneartigen Kopfschmerzen. Die Rotation des Kopfes in beide Richtungen sei eingeschränkt. Sie habe einen fixierten Schiefhals nach links, Tinnitus und Schwindel. Bei der Kopfdrehung sei ein lautes Krachen in der Halswirbelsäule zu hören. Des Weiteren leide sie seit dem Unfall unter Rückenschmerzen und unter anhaltenden Lumbalgien. Es sei davon auszugehen, dass die Beschwerden der Klägerin lebenslang anhalten würden. Das Landgericht hat die Klage ohne Einholung eines Gutachtens abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

1. Das Berufungsgericht ist unter entscheidungserheblichem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zu der Annahme gelangt, die Klägerin könne mit den von ihr angebotenen Beweismitteln den Nachweis der Ursächlichkeit des Unfalls für die von ihr geltend gemachten Beschwerden nicht führen. Wie die Nichtzulassungsbeschwerde mit Recht beanstandet, hat die Klägerin im Schriftsatz vom 24. April 2012 ausdrücklich vorgetragen, dass sie zwar eine Vorschädigung der Wirbelsäule infolge des Unfalls von 1989 gehabt habe, dass sich diese Vorschädigung bei dem Unfallereignis aber nicht ausgewirkt habe. Ihre Beeinträchtigungen seien allein durch das streitgegenständliche Unfallereignis ausgelöst worden. Sie hat auf den ärztlichen Befundbericht vom 28. Mai 2008 verwiesen, der sich nicht auf eine Wiedergabe der Angaben der Klägerin beschränkt, sondern eigene Feststellungen des Arztes in Form der auf den Sicherheitsgurt zurückzuführenden Verletzungszeichen, der Thoraxkompression und der Prellung der rechten Schulter enthält. Zum Beweis ihrer Beschwerden hat sie sich auf die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen berufen und zur Ursächlichkeit des Unfalls für ihre Beschwerden die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beantragt. Diesen Beweisanträgen hätte das Berufungsgericht unter den Umständen des Falles nachgehen müssen. Seine Erwägung, wonach weder ein medizinisches Gutachten noch die Vernehmung der sachverständigen Zeugen weitere Aufschlüsse zu den erlittenen Verletzungen und zur Kausalität liefern könne, beruht auf einer unzulässigen und gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßenden vorweggenommenen Beweiswürdigung (vgl. BVerfG, WM 2012, 492 Rn. 15 ff.).

2. Die Gehörsverletzung ist auch entscheidungserheblich. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Sachverständige anhand der Befundberichte des erstbehandelnden Arztes und eigener Untersuchungen der Klägerin Feststellungen zur Ursächlichkeit des Unfalls für die von dieser geltend gemachten Beschwerden treffen kann.

Galke                                                       Zoll                                            Wellner

.                                Stöhr                                              von Pentz

Vorinstanzen:

LG Darmstadt, Entscheidung vom 25.06.2012 – 1 O 472/11 –
OLG Frankfurt in Darmstadt, Entscheidung vom 03.04.2013 – 24 U 131/12 –

Dieser Beitrag wurde unter BGH-Urteile, Personenschäden, Rechtliches Gehör, Urteile, VERSICHERUNGEN >>>> abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

4 Antworten zu VI. Zivilsenat des BGH entscheidet zur Verletzung rechtlichen Gehörs im Rahmen eines Schadensersatzprozesses mit Beschluss vom 19.11.2013 – VI ZR 202/13 -.

  1. Insider sagt:

    Zack…Peng….Ohrfeige….Setzen Sechs!!
    An ALLE Instanzrichter und Instanzrichterinchen:
    In vorweg genommener Beweiswürdigung (hochnäsige voreingenommene Hellseherei) ein Unfallopfer zum Rentenneurotiker abzustempeln,ist das ALLERLETZTE!!
    Der BGH hat hier ordentlich Prügel verteilt und das völlig zu Recht!
    Leider passiert sowas ständig in unserem oberdollen Unrechtssystem.

  2. Insider_2 sagt:

    na, Sie kennen sich ja wirklich gut aus, Herr / Frau Insider.
    Und ihr Ton ist auch super sachlich, aber das passt ja hier zu dieser Seite.
    Ich bin immer wieder erstaunt, dass juristisch interessierte Laien es besser können als unsere Richter.

  3. Insider sagt:

    @ Isider_2
    si tacuisses……
    Man sollte sie umtaufen in „Der wunde Punkt“ oder in „Der getretene Hund“

  4. Pitbull sagt:

    @Insider_2 says:
    17. Januar 2014 at 13:57 I
    „Ich bin immer wieder erstaunt, dass juristisch interessierte Laien es besser können als unsere Richter.“

    Da bin ich nicht mehr erstaunt, denn wo kein gesunder Menschenverstand mehr vorhanden ist und nur nach willkürlich gewählten §en geurteilt wird, kann auch kein sachgerechtes Urteil mehr entstehen.
    In einem Staat wo die Bevölkerung über zahlreiche u. bestimmte Urteile Protest erhebt, weil sie schlicht u. einfach falsch (nicht gerecht) sind, sollten auch bestimmte vergeistigte Richter/innen erkennen, dass die ständigen Rechtsbeugungen und Willkür, nebst der phantasievollsten Auslegung des Gesetzes den Rechtsfrieden empfindlich stören.
    Das kommt daher weil man nicht auf das „dumme Volk“ hört, sondern weil Juristen unter sich jeden Nonsens den sie verzapft haben, mit einen passenden § kaschieren können, bis sich der Rasierspiegel verdunkelt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert