Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
hier ein weiteres Urteil der Vizepräsidentin E. des Amtsgerichts Halle an der Saale. In diesem Urteil ist die Rechtsprechung des VI. Zivilsenates des BGH einfach ignoriert worden. Nur kurz hat sich die erkennende Vizepräsidentin mit dem Urteil des BGH vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – (= BGH DAR 2014, 194 = DS 2014, 90 = MDR 2014, 401 = NJW 2014, 1947) auseinandergesetzt. Vielmehr stützt sie sich auf das Urteil des OLG Dresden, das durch das Urteil des BGH vom 11.2.2014 bereits überholt war. Weiterhin werden einzelne Positionen der Sachverständigenkostenrechnung überprüft. Damit setzt sich das Gericht in Widerspruch zu der Entscheidung des BGH vom 23.1. 2007 – VI ZR 67/06 – (=BGH DS 2007, 144 = VersR 2007, 560 = ZfS 2007, 507). Danach ist es dem Gericht unter schadensersatzrechtlichen Gesichtspunkten verwehrt, eine Preiskontrolle im Ganzen, aber auch im Detail durchzuführen. Sodann werden im Schadensersatzprozess werkvertragliche Gesichtspunkte geprüft, was ebenfalls der BGH-Rechtsprechung zuwider läuft (vgl. BGH DS 2007, 144 ff.). Zu guter Letzt wird dann auch noch der Grundsatz des widersprüchlichen Verhaltens völlig auf den Kopf gestellt. Insgesamt hätte man von einer Vizepräsidentin eines großen Amtsgerichtes klarere und BGH-konformere Rechtsprechung erwarten können. Was denkt Ihr? Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab. Trotz der Mangelhaftigkeit des Urteils hatten wir uns entschieden, dieses Urteil hier zu veröffentlichen und Eure Meinungen zu erfragen. Die (zugelassene) Berufung ist beantragt. Das wird jedoch eine spannende Angelegenheit, da der Ehemann der Amtsrichterin angeblich der Präsident des Landgerichts sein soll. Interessant ist auch, dass diese Richterin beim damaligen (positiven) Urteil des OLG Naumburg (4 U 49/05) beteiligt war.
Viele Grüße und noch eine schöne Woche
Willi Wacker
Amtsgericht Verkündet am: 15.05.2014
Halle (Saale)
Geschäfts-Nr.:
92 C 3303/13
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
Kläger
gegen
HUK 24 AG, vertr. d.d. HUK-Coburg Allgemeine Versicherungs AG, diese vertr. d. d. Vorstand, Bahnhofsplatz 1, 96444 Coburg
Beklagte
hat das Amtsgericht Halle (Saale) auf die mündliche Verhandlung vom 06.02.2014 durch die Vizepräsidentin des Amtsgerichts …
für Recht erkannt:
1.) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 54,02 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 551,02 € vom 01.01.2012 bis zum 11.01.2012 und aus 54,02 € seit dem 12.01.2014 sowie weitere 7,50 € Mahnkosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.02.2012 zu zahlen.
2.) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3.) Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 15% und die Beklagte zu 85%.
4.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages leistet. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages leistet.
5.) Die Berufung wird zugelassen.
und beschlossen:
Der Streitwert wird auf 63,91 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten aus abgetretenem Recht restliche Sachverständigenkosten aus einem Verkehrsunfall.
Frau … war am 10.11.2011 in Halle (Saale) mit dem Pkw vom Typ Renault Clio, amtliches Kennzeichen … , in einen Verkehrsunfall mit dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen … verwickelt, wobei die 100-prozentige Einstandspflicht der Beklagten für die aus diesem Unfall erwachsenen Schäden außer Streit steht. Mit einem sog. „Auftrag zur Gutachtenerstellung“ vom 12.11.2011, auf dessen Inhalt im Einzelnen Bezug genommen wird (Bl. 6 d. A.), trat die Geschädigte ihren Schadensersatzanspruch auf Ersatz der Gutachterkosten sicherheitshalber an den Kläger ab. In seinem Gutachten kalkulierte der Kläger unfallbedingte Reparaturkosten von 1.851,49 € netto bzw. 2.203,27 € brutto. Mit Rechnung vom 14.11.2011, auf deren Inhalt gleichfalls im Einzelnen Bezug genommen wird, (Bl. 5 d. A.), berechnete der Kläger der Geschädigten … Gutachterkosten in Höhe von 471,35 € netto bzw. 560,91 € brutto. Die Beklagte zahlte an den Kläger, nachdem er die Begleichung der Rechnung mit Schreiben vom 21.12.2011 angemahnt hatte, einen Teilbetrag von 497,00 €. Mit Schreiben vom 13.01.2012 und 27.01.2012 mahnte der Kläger die Begleichung des Restbetrages vergeblich bei der Beklagten an.
Mit der Klage fordert der Kläger restliche Gutachterkosten i.H.v. 63,91 € sowie Zinsen und 7,50 € Mahnkosten.
Der Kläger hält die Abtretungsvereinbarung mit der Geschädigten für wirksam und das berechnete Gutachterhonorar für ortsüblich und angemessen. Auf eine etwaige Überhöhung käme es seiner Auffassung nach nicht an, da er aus abgetretenem Recht der Geschädigten vorginge und diese kein Mitverschulden treffe. Dem Gericht sei eine Überprüfung der Angemessenheit des von ihm berechneten Werklohns verwehrt. Er behauptet, die Geschädigte … sei Eigentümerin des beschädigten Kfz gewesen. Fahrtkosten seien angefallen, da der Sachverständige sich zur Begutachtung zur Wohnanschrift von Frau … begeben habe.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 63,91 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz aus 560,91 € seit dem 01.01.2012 bis zum 11.01.2012 und aus 63,91 € seit dem 12.01.2012 zu zahlen.
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn Mahnkosten in Höhe von 7,50 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.02.2012 zu zahlen.
3. Festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die klägerseits verauslagten Gerichtskosten Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Zeit von dem Eingang der eingezahlten Gerichtskosten bis zum Eingang des Kostenfestsetzungsantrags nach Maßgabe der ausgeurteilten Kostenquote zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, der Kläger sei nicht aktiv legitimiert, da die Abtretungserklärung zu unbestimmt sei. Die Gutachterkosten stünden ihrer Meinung nach außer Verhältnis zum Schaden und seien nicht ortsüblich im Sinne von § 632 Abs.2 BGB, da – unstreitig – der Kläger und die Geschädigte kein konkretes Honorar vereinbart hätten. Dies ergebe sich bereits aus der Relation der geltend gemachten Nebenforderungen zum berechneten „Grundhonorar“.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze des Klägervertreters vom 22.10.2013 und 10.01.2014, des Beklagtenvertreters vom 26.11.2013, 13.12.2013 und 15.04.2014 und die Schreiben des Klägers persönlich vom 16.12.2013, 09.01.2014 und 05.05.2014 sowie den Inhalt des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 06.02.2014 ergänzend Bezug genommen.
Das Gericht hat mit Beschluss vom 06.12.2013 das schriftliche Verfahren gem. § 495a ZPO angeordnet. Auf Antrag des Klägers ist Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt worden.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung restlicher Gutachterkosten in Höhe von 54,02 € aus abgetretenem Recht der Frau … aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 2, 18 Abs. 1 und 3 StVG, 823 Abs. 1, 249 BGB, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG zu.
a) Die Abtretungserklärung vom 12.11.2011 ist im Unterschied zu dem vom BGH am 07.06.2011 (VI ZR 260/10, BGH MDR 2011, 845 = ZfS 2011, 561) entschiedenen Fall auf denjenigen Teil des Schadensersatzanspruchs auf Erstattung der Gutachterkosten gegen den Unfallgegner und dessen Versicherungsgesellschaft in Höhe der Gutachterkosten beschränkt. Sie ist damit hinreichend bestimmt, da sie den abgetretenen Anspruch nach Art und Umfang konkret bezeichnet (vgl. BGH, Urt. v. 05.03.2013, VI ZR 245/11, BGH VersR 2013, 730).
b) Es ist der Beklagten, die im Januar 2012 eine Teilzahlung von 497,00 € auf die Gutachterkosten an den Kläger leistete, auch verwehrt, die Eigentümerstellung der Geschädigten zu bestreiten. Die Teilzahlung ist insoweit als deklaratorisches Schuldanerkenntnis jedenfalls zum Haftungsgrund anzusehen, weswegen die Beklagte sich nicht auf ihr bis dahin bekannte Einwendungen aus dem Deckungsverhältnis berufen kann (vgl. BGH, Urt. v. 19.11.2008, IV ZR 293/05, ; Palandt/Sprau, Rz. 3 f. zu § 781 BGB). Aus der maßgeblichen Sicht der Geschädigten konnte die Zahlung nur so verstanden werden, dass das Schuldverhältnis an sich bestätigt und jedenfalls in Höhe der Teilzahlung dem Streit entzogen werden sollte. Damit kann die Beklagte die Eigentümerstellung der Geschädigten nicht mehr einfach bestreiten, ohne neue bzw. ihr nach Teilzahlung bekannt gewordene Anhaltspunkte für deren Fehlen darzulegen.
c) Der Kläger kann lediglich weitere 54,02 € von der Beklagten ersetzt verlangen.
Als erforderlichen Herstellungsaufwand kann der Geschädigte grundsätzlich nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (vgl. BGH, VersR 2007, 560 f. = DS 2007, 144). Der Geschädigte ist dabei grundsätzlich nicht verpflichtet, durch Markterforschung und Einholung verschiedener Vergleichsangebote einen für den Schädiger besonders preisgünstigen Sachverständigen zu ermitteln. Er trägt dann aber das Risiko, einen Sachverständigen zu beauftragen, der sich im späteren Prozess als zu teuer erweist (vgl. BGH, a.a.O.). Die Erforderlichkeit des Herstellungsaufwandes ist dabei nach schadensrechtlichen Gesichtspunkten aus der Sicht des Geschädigten zu beurteilen, wobei er seiner Darlegungslast grundsätzlich durch Vorlage einer Rechnung des Sachverständigen genügt. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ Betrages im Sinne von § 249 Abs.2 S.1 BGB. Letztlich sind allerdings nicht die rechtlich geschuldeten, sondern die im Sinne von § 249 Abs.2 S.1 BGB tatsächlich erforderlichen Kosten entscheidend. Ein Indiz für die Erforderlichkeit bildet die Übereinstimmung des vom Geschädigten erbrachten Kostenaufwandes mit der Rechnung, sofern diese bzw. die ihr zugrunde liegende Preisvereinbarung nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar über den üblichen Preisen liegt, weswegen ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages grundsätzlich nicht ausreicht, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen (vgl. BGH, Urt. v. 11.02.2014, VI ZR 225/13 = BGH DS 2014, 90 NJW 2014, 1947). Zwar darf ein Geschädigter auf Kosten des Schädigers nicht jeden beliebigen Preis vereinbaren. So lange für ihn als Laien jedoch nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt, kann der Geschädigte vom Schädiger den Ausgleich gezahlter Aufwendungen verlangen (vgl. OLG Naumburg, NJW-RR 2006, 1029, 1030 ff. m.w.N).
aa) Der Geschädigten hätte vorliegend aber durchaus ein offenkundiges Missverhältnis zwischen Schaden und Gutachterkosten auffallen müssen, das auf eine Überhöhung der Rechnung schließen lässt.
Denn die berechneten Nebenkosten erreichen in Relation zu dem sog. „Grundhonorar“ mit 127,40 € (netto) rd. 37 % desselben, was ein deutlicher Anhaltspunkt für eine Unverhältnismäßigkeit ist. Dabei schließt sich das Gericht der Auffassung an, dass von Nebenkosten im eigentlichen Sinn nur gesprochen werden kann, wenn es sich um eine im Verhältnis zur Hauptforderung stehende Kostenposition von untergeordneter Bedeutung handelt, da anderenfalls unter dem Begriff der Nebenkosten letztlich versteckte Kostenpositionen des Grundhonorars geltend gemacht werden. Eine Grenze ist dabei mit rund 25 % in Relation zum Grundhonorar zu ziehen (vgl. OLG Dresden, Urt. vom 19.02.2014, 7 U 111/12, m.w.N.).
Damit ist die Indizwirkung der streitgegenständlichen Rechnung für eine Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung jedoch erschüttert, weswegen der erforderliche Umfang des Schadensausgleichs gem. § 249 Abs.2 S.1 BGB auf andere Weise zu ermitteln ist.
bb) Schließlich steht dem Kläger auch unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung der Betrag aus der Rechnung vom 14.11.2011 nicht ungekürzt zu.
Zwar ändert die Tatsache, dass die Geschädigte ihren Anspruch an den Gutachter abgetreten hat, nichts an der Art des Anspruchs, weswegen die Erforderlichkeit des Herstellungsaufwandes nach schadensrechtlichen Gesichtspunkten aus der Sicht der Geschädigten zu beurteilen ist (s.o.). Da die Geschädigte aber ihrerseits evtl. überhöhte Vergütungsansprüche des Sachverständigen nicht ausgleichen müsste bzw. zurückfordern dürfte, ist es dem Sachverständigen nach dem Grundsatz der unzulässigen Rechtsausübung gem. § 242 BGB verwehrt, überhöhte Vergütungsansprüche als Schaden aus abgetretenem Recht durchzusetzen.
Zwar könnte sich der zum Ersatz verpflichtete Schädiger grundsätzlich etwaige, auch künftige Ansprüche des Geschädigten gegen den Sachverständigen analog § 255 BGB i.V.m. §§ 315 Abs.3 bzw. 280, 631 Abs.1, 812 BGB abtreten lassen und Rückzahlung verlangen (vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 20.01.2006, 4 U 49/05, ; Grunsky, NZV 2000, 4 f.). In einem Fall wie hier, in dem der Geschädigte noch gar keine Zahlung geleistet hat, wäre er jedoch allenfalls nach Zahlung und Befreiung von seiner Verbindlichkeit gegenüber dem Sachverständigen im Verhältnis zur Versicherung des Schädigers zur Abtretung verpflichtet. Die Versicherung müsste somit zunächst die überhöhte Forderung des Sachverständigen, der aus abgetretenem Recht vorgeht, ausgleichen, um sich sodann etwaige Rückzahlungsansprüche des Geschädigten – ggf. im Prozesswege – abtreten zu lassen, um schließlich in einem weiteren, nunmehr wieder gegen den Sachverständigen gerichteten Prozess auf Rückzahlung des überhöhten Betrages klagen zu können.
Wenn der Gutachter hingegen seine werkvertraglichen Ansprüche gegen den Geschädigten als Auftraggeber geltend machen würde, träfe ihn mangels Preisabrede, wie hier, die volle Beweislast für die Üblichkeit der geforderten Vergütung (vgl. hierzu Palandt/Sprau, Rz. 18 zu § 631 BGB).
Im vorliegenden Fall stellt es aus diesen Gründen eine unzulässige Rechtsausübung im Sinne von § 242 BGB dar, wenn der aus abgetretenem Recht vorgehende Gutachter mehr verlangt, als er selbst von seinem Auftraggeber verlangen könnte und der zum Ausgleich des Schadens verpflichteten Versicherung des Schädigers die Einwendungen verwehrt bleiben, die auch der Geschädigte selbst als Auftraggeber geltend machen könnte (vgl. zum Einwand unzulässiger Rechtsausübung auch BGH, NJW 1992, 900 ff.; OLG Dresden, a.a.O.). Dies erscheint nicht zumutbar und widerspricht auch dem „dolo agit“ Grundsatz (dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est“).
Der Geschädigten entsteht dadurch kein Nachteil, da sie gegenüber dem Gutachter nicht verpflichtet ist, mehr als den vertraglich geschuldeten Lohn zu bezahlen. Insofern liegt kein über den üblichen Werklohn hinausgehender Schaden vor.
Auf die Frage, ob die Geschädigte in schadensrechtlicher Sicht ein Auswahlverschulden trifft oder ob die Überhöhung für sie evident ist oder war, kommt es insoweit nicht an.
cc) Da keine Preisvereinbarung zwischen Geschädigter und Sachverständigem ersichtlich ist, ist gem. § 632 Abs.2 BGB die übliche Vergütung geschuldet. Üblich ist eine Vergütung, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses für nach Art, Güte und Umfang gleiche Leistungen nach Auffassung der beteiligten Kreise am Ort der Werkleistung gewährt zu werden pflegt (vgl. BGH, NJW 2001, 151 f.).
Als Grundlage für die Schadensschätzung wird in Ausübung des tatrichterlichen Ermessens gem. § 287 ZPO wie auch für die Ermittlung der ortsüblichen Taxe vorliegend auf den Honorarkorridor HB V der BVSK- Honorarerhebung für 2010/2011 Bezug genommen, in dem jeweils die Mehrzahl der befragten Gutachter ihr Honorar berechnen. Mit 635 an der Befragung teilnehmenden Büros des BVSK liegt darin auch eine ausreichende Datenbasis zur Bestimmung des üblichen Honorars (vgl. dazu auch Vuia, NJW 2013, 1197, 1200). Die Heranziehung von Listen und Tabellen zur Schadensschätzung ist im Rahmen des § 287 ZPO zulässig (vgl. BGH, Urt. v. 11.03.2008, VI ZR 164/07, BGH VersR 2008, 699) . Angesichts der Anzahl und des Umfangs der Befragung bietet die BVSK- Befragung auch einen besseren Anhaltspunkt für die Üblichkeit des Honorars, als eine ggf. auch sachverständig vorgenommene, lokale Befragung. Das gilt umso mehr, als bei der Auswertung der Befragung des BVSK keine wesentlichen Niveauunterschiede zwischen z.B. ländlichen und städtischen Regionen festgestellt wurden. Da sich der Unfall im November 2011 ereignete, bietet die Befragung 2010/2011 den besten Überblick über die im Auftragszeitpunkt üblichen Honorare. Insoweit war zur Schadensschätzung wie auch zur Ermittlung der ortsüblichen Taxe jeweils auf das arithmetische Mittel der Werte des Korridors HB V zurückzugreifen, um sowohl besonders hohe wie auch besonders niedrige Werte in den Angaben der Mehrzahl der befragten Sachverständigen zu vermeiden. Demgegenüber erscheint es nicht gerechtfertigt, jeweils auf die Obergrenze der Spanne abzustellen, da dies keine gleichmäßige Berücksichtigung der unterschiedlich berechneten Einzelpositionen darstellt.
Danach liegen die hier geltend gemachten Grund- und Nebenkosten mit Ausnahme der Positionen „2. Fotosatz – Kopie“ und „Porto/Telefon“ ausgehend von einer Schadenssumme von 1.851,49 € netto innerhalb des vorgegebenen Korridors und sind mithin als ersatzfähig anzusehen.
Für die Positionen „2. Fotosatz – Kopie“ und „Porto/Telefon“ kann jedoch nur der Mittelwert des jeweiligen Korridors, hier also 1,53 € pro 2. Fotosatz = 12,24 netto und für Telefon und Porto pauschaliert 16,24 € netto als übliche Vergütung geltend gemacht werden.
Mithin ergibt sich folgende, noch als erforderlich anzusehende Schadensberechnung bzw. Ermittlung des ortsüblichen Honorars:
Grundhonorar 343,95 €
1. Fotosatz 18,64 €
2. Fotosatz – Kopie (8 x 1,53 €) 12,24 €
Porto/Telefon 16,24 €
Schreibkosten (15 Seiten x 3,16 €) 47,40 €
Schreibgebühren – Kopie (15 x 1,43 €) 21,45 €
Fahrtkosten 3,12 €
Summe 463,04 €
zuzügl. 19% MwSt. 551,02 €
abzüglich vorgerichtlich gezahlter 497,00 € 54,02 €
d) Die Klageforderung ist somit in Höhe von 54,02 € zuzüglich Zinsen begründet und war im Übrigen abzuweisen.
Bei einer Parallelberechnung nach den vom OLG Dresden (a.a.O.) entwickelten Grundätzen würde sich bei einer pauschalen Kürzung der Nebenkosten auf 25 % des Grundhonorars sogar noch ein geringeres, ortsübliches Honorar von 511,63 € incl. MwSt. ergeben. Hier wird jedoch einheitlich auf die BVSK- Befragung abgestellt, da eine pauschale Kürzung der Nebenkosten hiesiger Auffassung nach die Schätzgrundlage als solche in Frage stellen würde.
2. Die Zinsforderung ergibt sich in gesetzlicher Höhe aus §§ 286 Abs.1, 288 Abs.1 BGB. Der Anspruch auf Ersatz von Mahnkosten gem. § 286 Abs.1 BGB besteht allerdings nur in Höhe von 5,00 € (zur Höhe vgl. Palandt/Grüneberg, Rz. 45 zu § 286 BGB). Anzurechnen waren dabei 2 Mahnschreiben zu je 2,50 €, da die den Verzug begründende Mahnung selbst keine ersatzfähige Schadensposition darstellt.
3. Der Antrag auf Feststellung der Verzinsung der eingezahlten Gerichtskosten ist unbegründet. Es fehlt hierfür bereits an einer gesetzlichen Grundlage, da § 104 Abs.1 S.2 ZPO insoweit eine abschließende Verzinsungsregelung trifft (vgl. OLG Brandenburg, Grundeigentum 2012, 1375; AG Köln, NZV 2013, 45; so auch LG Halle, 1 S 171/12, Hinweis vom 24.05.2013, Bl. 47 d. A.).
Selbst wenn man daneben einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch für zulässig erachten wollte, wogegen erhebliche Bedenken bestehen, wäre zumindest die Darlegung sämtlicher Voraussetzungen des Anspruchs einschließlich eines konkret eingetretenen Schadens im Einzelnen erforderlich (vgl. OLG Stuttgart, NJW2013, 473 ff.), der vorliegend ausweislich der Ausführungen in der Klageschrift aber nicht vorliegt.
4. Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 15.04.2014 bot ebenso wie das nicht nachgelassene Schreiben des Klägers vom 05.05.2014 keine Veranlassung zum Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung gem. § 156 ZPO.
5. Die Berufung wurde gem. § 511 Abs.4 ZPO zugelassen, da die entschiedenen Rechtsfragen teilweise eine Mehrzahl von Verfahren betreffen und, soweit ersichtlich, insoweit noch nicht abschließend obergerichtlich geklärt sind.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs.1, 92 Abs.1 ZPO und entspricht dem anteiligen Obsiegen und Unterliegen der Parteien im Rechtsstreit. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.11, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs.1, 48 Abs.1, 43 Abs.1 GKG, 1,3,4 ZPO.
Rechtsbehelfsbelehrung;
Diese Entscheidung kann mit der Berufung angefochten werden. Sie ist einzulegen innerhalb einer Notfrist von einem Monat bei dem Landgericht Halle, Hansering 13, 06108 Halle (Saale).
Die Frist beginnt mit der Zustellung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Beschwerdegegenstand 600,00 € übersteigt oder das Gericht die Berufung in diesem Urteil zugelassen hat. Zur Einlegung der Berufung ist berechtigt, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Berufung wird durch Einreichung einer Berufungsschrift eingelegt. Die Berufung kann nur durch einen Rechtsanwalt eingelegt werden.
Die Streitwertfestsetzung kann mit der Beschwerde angefochten werden. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache rechtskräftig geworden ist oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Halle (Saale), Thüringer Straße 16, 06112 Halle (Saale) eingeht.
Wird der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt, kann die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung der Festsetzung bei dem Gericht eingelegt werden.
Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 € übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zu diesem Beschluss zugelassen hat. Beschwerdeberechtigt ist, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des genannten Gerichts eingelegt. Sie kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts erklärt werden, wobei es für die Einhaltung der Frist auf den Eingang bei dem genannten Gericht ankommt. Sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen. Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Soll die Entscheidung nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen.
…
Vizepräsidentin des Amtsgerichts
So das Urteil des AG Halle /Saale, dessen Begründung durchweg nicht überzeugt und im Widerspruch zur BGH-Rechtsprechung steht. Man kann gespannt sein, wie das Berufungsgericht dazu entscheidet. Wir werden gegebenfalls berichten. Und nun erbitten wir Eure Kommentare.
Liest man den 2. Teil der Entscheidungsgründe mehrmals, um das, was dort an Überlegungen vorgetragen worden ist, vertieft verinnerlichen zu können, so bleibt dem Leser -auf Deutsch gesagt- die Spucke weg.
Die Richterin gibt dem Unfallopfer ex post „Normierungen“ an die Hand mit der Unterstellung, dass diese vom Unfallopfer nicht beachtet wurden. Mit Schadenersatzrecht hat das aber auch nicht das Geringste zu tun, denn wie sollte ein unbedarftes Unfallopfer sich solche Überlegungen zu eigen machen können ? Die Handlungsweise dieser Richterin gibt damit Rätsel auf, weil sie schadenersatzrechtlich das, was tatsächlich entscheidungserheblich gewesen wäre, durch werkvertragliche Interpretationen ersetzt hat.
Es wäre vielleicht hilfreich gewesen, sich mit dem Begriff bzw. mit der Definition der Üblichkeit im beurteilungsrelevanten Zusammenhang dezidiert zu befassen, denn dann wären „Korrekturen“ nicht veranlaßt gewesen. Andererseits kann man nicht übersehen, wie und was der Kläger vorgetragen hat. Zitat aus dem Urteil: „Der Kläger hält die Abtretungsvereinbarung mit der Geschädigten für wirksam und das berechnete Gutachterhonorar für ORTSÜBLICH und ANGEMESSEN.“ Was soll man dazu noch sagen?
WAS ICH NOCH SAGEN WOLLTE…
Rechtsdogmatische Untiefen entwerten leider dieses Urteil des AG Halle. Ob es die zuständige Dezernentin wirklich nicht besser gekonnt hätte ?
K.-L. H.
@WAS ICH NOCH SAGEN WOLLTE
„Der Kläger hält die Abtretungsvereinbarung mit der Geschädigten für wirksam und das berechnete Gutachterhonorar für ORTSÜBLICH und ANGEMESSEN.“ Was soll man dazu noch sagen?“
Dazu gibt es viel zu sagen. Z.B. dass die Formulierung „ORTSÜBLICH und ANGEMESSEN nicht von den Klägern selbst kommt, sondern in der Regel auf dem Mist der Klägerrechtsanwälte gewachsen ist, weil es den Prozess angeblich ja so „vereinfacht“. Vielen Dank dafür, dass die Gerichte den Mist aufgegriffen haben und die ORTSÜBLICHKEIT und ANGEMESSENHEIT im Schadensersatzprozess reihenweise überprüfen. Ist natürlich völlig rechtswidrig nach schadensersatzrechtlichen Grundsätzen, aber wenn der Kläger meint? Bei den Anwälten der Versicherer müssen doch ständig die Korken knallen, wenn der Klägeranwalt diese Steilvorlage ins Beklagtenkörbchen legt?
Klarer Fall von Anwaltshaftung!
Selbst im Werkvertragsrecht geht es bei den Gutachterkosten NICHT um die ORTS-Üblichkeit,sondern um die Üblichkeit von Bandbreiten,vgl.BGH v.10.10.2006 X ZR 42/06.
Also:Doppelfehler,Herr Rechtsanwalt!!
„Der Kläger hält die Abtretungsvereinbarung mit der Geschädigten für wirksam und das berechnete Gutachterhonorar für ORTSÜBLICH und ANGEMESSEN.“
Das kommt nicht von meinem Anwalt, das ist die Interpretation dieser Vizepräsidentin vom AG Halle, welche hier entschieden hat. Diese hat übrigens das OLG Naumburg Az.: 4 U 49/05 vom 20.01.2006* (CH, 03.04.2006 / 30.03.2006 /30.10.2009) (DS 2006, 283) (NZV 2006, 546, 548) (NJW-RR 2006, 1029 ff.) mit unterschrieben, kann sich aber nicht mehr an das OLG Naumburg erinnern.
Nun ist zu diesem Schrott auch die Berufung mit Befangenheitsantrag zur LG Halle Richterin durch.
Befangenheitsantrag, weil der Präsident des LG Halle der Ehemann von der Vizepräsidentin des AG Halle ist und die Berufungsrichterin am LG Halle mit dem Präsidenten des LG Halle bei Mediation zusammenarbeitet und den nicht verärgert, ist wohl klar, oder wer legt sich schon gern mit dem Chef an?
Die Berufung bestätigte leider diesen AG-Angemessenheitsschrott aber ohne Kenntnis vom OLG München und OLG Saarbrücken, so dass ich Hoffnung habe, dass dieser Fall ein Ausrutscher war, da doch sonst gut am LG Halle entschieden wurde.
Schön ist, dass das deklaratorische Anerkenntnis auch in der Berufung bestätigt wurde und somit sich das LG Halle auch mal zum positiven gedreht hat, aber dazu bestimmt bald mehr hier auf CH.