Mit Entscheidung vom 29.10.2009 (15 C 4706/09) wurde die Haftpflichtunterstützungskasse kraftfahrender Beamter VVaG durch das Amtsgericht Nürnberg dazu verurteilt, restlichen Schadenersatz im Rahmen der fiktiven Abrechnung zu erstatten. Es handelte sich um die Positionen Stundenverrechnungssatz der markengebundenen Fachwerkstatt sowie um restliches Sachverständigenhonorar. Die UPE-Zuschläge und die Verbringungskosten wurden nicht zugesprochen, da es, nach Recherche des Gerichts, im örtlichen Bereich eine markengebundene Fachwerkstatt mit eigener Lackiererei gibt. Auch die geforderte Erstattung der Rechtsanwaltskosten für die Besorgung einer Deckungszusage bei der Rechtsschutzversicherung wurde nicht zugesprochen.
Aus den Gründen:
ENDURTEIL
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 209,84 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 23.05.2009 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt 29 % der Kosten des Rechtsstreits, 71 trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 297,40 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 495 a, 313 a ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf restlichen Schadensersatz aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall vom 15.04.2009 in Höhe von 209,84 EUR.
I. Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung restlicher Reparaturkosten in Höhe von 59,46 EUR.
Mit Gutachten des Sachverständigen C. vom 24.04.2009 wurden die Reparaturkosten auf 1.623,79 EUR netto veranschlagt. Die Beklagte hat hierauf unstreitig bezahlt 1.439,28 EUR und die vorgenommenen Abschläge damit begründet, dass UPE-Aufschlage in Höhe von 41,15 EUR sowie Verbringungskosten zum Lackieren in Höhe von 83,90 EUR bei fiktiver Abrechnung nicht zu erstatten seien. Im Übrigen habe die Klägerin dem Beklagten zwei Referenzbetriebe in Wohnortnähe genannt, die bereit seien Reparaturarbeiten zu günstigeren Stundensätzen durchzuführen und die Klägerin müsse sich nach der Rechtsprechung bei den Lohnkosten auf die günstigeren Fachbetriebe verweisen lassen, zumal das klägerische Fahrzeug älter als 9 Jahre gewesen sei. Bei den genannten Referenzbetrieben hätten sich die Lohnkosten hinsichtlich der Karosseriearbeiten auf nur 79,– EUR/h und bei den Lackierarbeiten inklusive Material auf nur 106,70 EUR belaufen.
1. Der Kläger hat Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten, die nach dem vorgelegten außergerichtlichen Sachverständigengutachten in einer markengebundenen Fachwerkstätte anfallen. Gemäß Urteil des Bundesgerichtshofes vom 29.04.2003, Az. VI ZR 398/02 darf ein Geschädigter bei der Schadensberechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt in seiner Umgebung zugrunde legen, auch wenn die Sätze über den von der DEKRA ermittelnden Lohnsätzen der Region liegen.
Der Geschädigte muss sich grundsätzlich nicht auf die Möglichkeit einer billigeren Reparatur einer anderen als einer markengebundenen Werkstatt verweisen lassen (ebenso Kammergericht Urteil vom 30.06.2008, Az. 22 U 13/08). Auch der BGH hat nunmehr in einer neuen Entscheidung (Az. VI ZR 53), noch nicht veröffentlicht, entsprechend der Mitteilung der Pressestelle vom 20.10.2009 entschieden, dass es dem Geschädigten insbesondere bei Fahrzeugen bis zum Alter von 3 Jahren unzumutbar sei, sich auf eine Reparaturmöglichkeit in einer anderen, als einer markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen. Auch bei älteren Fahrzeugen sei dies aber ebenso dann der Fall, wenn der Geschädigte konkret darlege, dass er sein Fahrzeug bisher stets in der markengebundenen Fachwerkstatt habe warten und reparieren lassen. Dieser Rechtsprechung schließt sich das erkennende Gericht an.
Im konkreten Fall war das Fahrzeug der Klägerin zwar 9 Jahre alt. Diese hat hingegen vorgelegt das Garantie-und Wartungsheft für das streitgegenständliche Fahrzeug. Aus diesem ergibt sich, dass das Fahrzeug regelmäßig in der Renault Fachwerkstatt gewartet wurde. Es finden sich Eintragungen am 01.03.2002, 23.7.03, 13.05.04, 12.03.05 und zuletzt (eine kleine Wartungsdiagnose durchgeführt) am 30.05.2008. Die Klägerin hat daher auch bei fiktiver Abrechnung Anspruch auf Erstattung der Stundensätze, die bei Reparatur in einer Renault-Markenwerkstatt anfallen würden. Ein Abzug hat hier nicht zu erfolgen.
2. Hingegen sind bei fiktiver Abrechnung zur Überzeugung des Gerichts Verbringungskosten zum Lackieren sowie UPE-Aufschlage nicht erstattungsfähig.
Im Gutachten angesetzte Verbringungskosten (Überführung zum Lackierer) und UPE-Aufschläge sind nur dann zu ersetzen, wenn sie tatsächlich anfallen (OLG Hamm DRR 96, 400, Palandt-Heinrichs, 66. Aufl., Rndr. 14 zu § 249 BGB). Nicht von jeder Werkstatt werden üblicherweise UPE-Aufschläge vorgenommen, so dass diese nur zu erstatten sind, wenn sie tatsächlich anfallen. Gleiches gilt für Kosten zum Verbringen zur Lackiererei. Zahlreiche Werkstätten haben eine eigene Lackiererei. Deshalb sind die Verbringungskosten nur erstattungsfähig, wenn tatsächlich eine Verbringung in eine auswärtige Lackiererei erforderlich ist. Soweit der Kläger vorträgt, im Großraum Nürnberg/Fürth habe keine Renault-Werkstatt eine eigene Lackiererei ist dies unzutreffend. Bei einer 5-minütigen Internetrecherche des Gerichts ergab sich bereits bei der zweiten Anfrage, dass eine Renault-Markenwerkstatt … mit dem Vorhandensein einer eigenen Lackieranlage warb.
3. Von den veranschlagen Reparaturkosten von 1.623,79 EUR sind daher abzuziehen die veranschlagten UPE-Aufschlage von 41,15 EUR und die Verbringungskosten zum Lackieren in Höhe von 83,90 EUR, sodass zu erstattende Reparaturkosten verbleiben in Höhe von 1.498,74 EUR. Abzüglich von der Beklagten gezahlter 1.439,28 EUR verbleibt eine offene Schadensersatzforderung in Höhe von 59,46 EUR.
II. Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung restlicher Sachverständigenkosten in Höhe von 150,38 EUR.
Auf die Rechnung des Sachverständigen C. in Höhe von 496,71 EUR hat die Beklagte lediglich bezahlt 346,33 EUR mit der Begründung, der abgerechnete Sachverständigenaufwand sei nicht erforderlich. Zutreffend habe die Beklagte abgerechnet nach dem Gesprächsergebnis mit dem BVSK-Versicherungen. Diese seien angemessen und üblich. Höhere Sachverständigengebühren müsse sie nicht bezahlen und hätte der Kläger nicht bezahlen dürfen.
Nach Auffassung des Gerichts sind die vom Sachverständigen C. mit Rechnung vom 24.04.09 in Rechnungen gestellten Kosten für das Sachverständigengutachten von der Beklagten vollumfänglich zu ersetzen, da diese Kosten unter den erforderlichen Herstellungsaufwand nach § 249 BGB fallen und zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung des Klägers erforderlich waren. Die Unfallfahrzeugbegutachtung dient der Wiederherstellung des Fahrzeugs, welche der Geschädigte verlangen kann. Sachverständigenkosten sind nur ausnahmsweise nicht erstattungspflichtig, wenn ein sogenannter Bagatell-Schadensfall vorliegt oder wenn den Geschädigten ein Ausfallverschulden bezüglich des Kfz-Sachverständigen trifft oder wenn der Geschädigte die Unrichtigkeit des Sachverständigengutachtens selbst herbeigeführt hat. Um eine derartige Fallkonstellation handelt es sich vorliegend nicht. Die Höhe der vom Sachverständigen für sein Gutachten in Rechnung gestellten Vergütung allein kann grundsätzlich kein Auswahlverschulden des Klägers begründen, weil die Höhe der Sachverständigenvergütung der Sache nach ungeeignet ist, als Qualitätsmaßstab für das Gutachten und damit für den Gutachter zu dienen, zumal der Geschädigte grundsätzlich berechtigt ist, den Gutachter seines Vertrauens hinzuzuziehen. Im Einklang mit dem schadensrechtlichen Grundsatz, wonach die Art und Weise der Schadensbeseitigung grundsätzlich in der Dispositionsfreiheit des Geschädigten liegt, ist es allgemeine Meinung in der Rechtsprechung, dass der Schädiger dem Geschädigten die Kosten der Kfz-Sachverständigengutachten selbst dann in voller Höhe erstatten muss, wenn sie überhöht sind. Der nach einem Unfall hinzugezogene Sachverständige ist nämlich nicht der Erfüllungsgehilfe des Geschädigten (vgl. OLG Hamm in BRR 1997, 275). Im Verhältnis zum Schädiger ist es auch nicht Aufgabe des Geschädigten Preisvergleiche anzustellen und den billigsten Sachverständigen zu ermitteln (vgl. LG Hagen in ZV 2003, 337. Das Risiko eines überteuerten Gutachtens tragen allein der Schädiger und dessen Versicherung, nicht jedoch der Geschädigte (AG Berlin-Mitte in DRR 2002, 459).
Im Übrigen entspricht die vorliegende Honorarrechnung des Sachverständigen C. gemäß § 315 BGB auch dem billigem Ermessen. Das Gericht sieht insoweit die BVSK Honorarbefragung 2008/2009 als geeignete Schätzgrundlage an, aufgrund derer die Sachverständigenkosten berechnet werden können. Das Grundhonorar nebst Audatex-Entgelt hält sich im Rahmen der Gruppe HB III (Honorarkorridor, indem je nach Schadenhöhe zwischen 40 % und 60 % der BVSK-Mitglieder ihr Honorar berechnen). Das Grundhonorar von 256,– EUR liegt sogar niedriger (BVSK 276-321,– EUR). Selbiges gilt für die übrigen in der detaillierten Rechnung aufgestellten Positionen. Fahrtkosten (abgerechnet 22,– EUR, Korridor 19,54 EUR bis 30,56 EUR) und Kosten für Schreibarbeiten (3,– EUR pro Seite, Korridor 2,19-3,40 EUR) liegen im Rahmen der Tabelle nach HB III. Die Kosten für die Originallichtbilder von 2,50 EUR liegen ganz knapp über der Höchstgrenze von 2,46 EUR, die für die Duplikate wiederum darunter (1,– – Korridor hingegen 1,06 – 2,07 EUR). Zwar wurden für Porto/Fernsprechgebühren und Kopien (3 Duplikate) 29,30 EUR berechnet, wo hingegen in der Tabelle HB III für Porto/Telefon Pauschalkosten von 13,26 – 23,12 EUR veranschlagt sind, zusätzlich für die Kopien jedoch noch pro Kopie 1,02 – 1,71 EUR, sodass auch diese Position nach Auffassung des Gerichts nicht zu beanstanden ist. In der Gesamtschau jedenfalls liegen die vom Sachverständigen C. berechneten Gutachterkosten im Rahmen der Honorarbefragung des BVSK HB III und entsprechen billigem Ermessen nach § 315 BGB. Die Beklagte hat daher die Sachverständigen-Kosten vollumfänglich an den Kläger zu erstatten. Etwaige Regressansprüche gegen den Sachverständigen selbst bleiben von dieser Entscheidung unberührt.
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten für die Besorgung einer Deckungszusage bei der Rechtsschutzversicherung in Höhe von 46,41 EUR. Nach der überwiegenden Auffassung des hiesigen Gerichts stellen diese Kosten keinen erstattungsfähigen Schaden dar. Die Rechtschutzversicherung wird von der Klägerin zur Abdeckung des allgemeinen Risikos abgeschlossen, sich gegen unberechtigte Ansprüche zur Wehr zu setzen und selbst berechtigte Ansprüche durchsetzen zu können. Die Kosten, die gegebenenfalls für die Inanspruchnahme einer derartigen Rechtschutzversicherung anfallen, können hingegen nicht auf den Schädiger abgewälzt werden. Auch für das Betreiben des Verfahrens zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe könnte im Übrigen der Rechtsanwalt keine Gebührenansprüche geltend machen. Insoweit war die Klage daher abzuweisen.
Kosten: § 91, 92 ZPO.
Urteilsliste “Fiktive Abrechnung u. SV-Honorar” zum Download >>>>>
Hallo Hans Dampf,
mit diesem Urteil hat das AG Nürnberg bereits die aus der Pressemitteilung zum BGH-Urteil vom 20.10.2009 – VI ZR 53/08 – bekannt gegebenen Gründe zutreffend berücksichtigt. Auch bei einem Fahrzeug, das älter als 3 Jahre ist, sind bei ständiger Marken-Werkstatt-Pflege auch die im Gutachten aufgeführten Stundenverrechnungssätze zu Grunde zu legen.
Ein Wermutstropfen hat allerdings das Urteil, indem die Verbringungskosten und UPE-Aufschläge nicht zugesprochen wurden.
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker
Vor allem überzeugt die Begründung warum die UPE-Aufschläge und die Verbringungskosten nicht zugesprochen wurden.
Das Gericht erkennt zunächst weshalb die Abrechnung nach den Verrechnungssätzen, die bei Renault anfallen erfolgen kann.
Das müsste folgerichtig das Gericht aber auch überprüfen, ob bei der Renault-Werkstatt UPE-Aufschläge und Verbringungskosten üblich sind.
Leider schwenkt jetzt das Gericht aber wieder auf alle möglichen Werkstätten um. Eine Überprüfung, ob die Meinung des Gerichts zu den UPE-Aufschlägen stimmt, hat im Übrigen wohl nicht stattgefunden.
Grüße
Andreas
Müssen wir Sachverständige jetzt sämtliche Vertragshändler abtelefonieren wer
UPE-Aufschläge/Verbringungskosten verlangt.
Wie ist es wenn zwei Aufschläge verlangen und einer nicht?
Was schreib ich ins Gutachten?
Grüße
Klaus
Jetzt hab ich grad gesehen, dass ich mich oben verschrieben habe. Die Ausführungen zu den UPE-Aufschlägen überzeugen nachtürlich nicht!
Grüße
Andreas
Hallo Andreas,
aus dem Textzusammenhang Deines Kommentars war aber bei verständiger Würdigung zu erkennen, dass der erste Satz „nicht“ enthalten musste, sonst hätte im Hinblick auf das Urteil Dein erster Satz keinen Sinn. Kann passieren.
Noch einen schönen 1. Advent
Dein Willi