Hallo verehrte Capt6ain-Huk-Leserschaft,
zum kommenden Wochenende stellen wir Euch erneut eine Reihe Leipziger Urteile vor. Heute handelt es sich um ein weiteres Urteil aus Leipzig zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die VHV Versicherung mit interessanten Ausführungen zur Abtretung. Obwohl sonst die VHV Versicherung häufig die Rechtsstreite nicht aufnimmt, hatte sie in diesem Falle sogar das Klageverfahren aufgenommen. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Leipzig
Zivilabteilung I
Aktenzeichen: 114 C 799/16
Verkündet am: 12.07.2016
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
…
– Klägerin –
gegen
VHV Allgemeine Versicherung AG, Constantinstraße 90. 30177 Hannover, v.d.d. Vorstand
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
hat das Amtsgericht Leipzig durch
Richterin am Amtsgericht N.
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 14.06.2016 am 12.07.2016
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 105,62 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.04.2015 sowie 3,00 EUR vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Auf die Darstellung des Tatbestandes wurde gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Das Amtsgericht Leipzig ist sachlich gemäß §§ 23 ff, GVG und örtlich gemäß § 32 2PO zuständig
II.
Die Klägern hat aus abgetretenem Recht nach § 398 BGB gegen die Beklagte einen Anspruch auf restlichen Schadensersatz aus dem Unfallereignis vom 02.10.2014 in Höhe von 105,62 EUR gemäß §§ 823, 249 BGB, 7, 17 StVG, 115 VVG.
Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, dass die Vereinbarungen der Geschädigten mit der Klägerin unwirksam seien, so betrachtet das Gericht dies als unzulässige Rechtsausübung. Die Beklagte hatte bereits einen Teilbetrag in Höhe von 714,14 EUR an die Klägerin gezahlt und damit die Berechtigung der Forderung der Klägerin dem Grunde nach anerkannt. Bei der Beklagten handelt es sich um ein großes Versicherungsunternehmen, das über eine Rechtsabteilung verfügt und daher davon auszugehen ist, das diese die Ansprüche, die gegen sie erhoben werden, dem Grunde nach prüft, bevor sie – wenn auch nur teilweise – die Regulierung veranlasst.
Die Beklagte verstößt gegen das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens nach § 242 BGB, wenn sie zuerst eine nach ihrer Auffassung angemessene und abschließende Zahlung leistet, sich jedoch dann im Rechtsstreit später darauf beruft, dass der Anspruch bereits dem Grunde nach wegen unwirksamer Vereinbarungen insgesamt nicht besteht (vgl. insoweit auch LG Leipzig, Urteil v. 20.01.2016, Az.: 8 S 304/15).
Bei dem Anspruch, den die Geschädigte des Unfailereignisses an die Klägerin abgetreten hat, handelt es sich um den originären Schadensersatzanspruch nach §§ 823 Abs. 1, 249 BGB gegenüber dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung, der Beklagten.
Im Bezug auf diesen Anspruch hat die Geschädigte die Abtretung auf Erstattung von entstandenen, vorgerichtlichen Gutachterkosten an die Klägerin vorgenommen. Es handelt sich somit nicht um einen Werklohnanspruch, den die Geschädigte abgetreten hat, sondern um ihren eigenen Schadensersatzanspruch aus dem Verkehrsunfall.
Damit sind nach Auffassung des Gerichts auch nur solche Einwendungen für die Beklagte möglich, die auch gegen die Geschädigte hätten geltend gemacht werden können. Hätte die Geschädigte die Gutachterkosten gegenüber der Klägerin beglichen und dann die entsprechende Rechnung bei der Beklagten eingereicht und um Erstattung gebeten, hätte die Beklagte diese Kosten gegenüber ihr ausgleichen müssen, da nach herrschender Rechtsprechung unzweifelhaft ist, dass der Geschädigte gegenüber dem Unfallgegner bzw. dessen Haftpflichtversicherung auch einen Anspruch auf Erstattung möglicherweise überhöhter Gutachterkosten hat, da man davon ausgeht, dass grundsätzlich der Unfallgeschädigte keine Kenntnis darüber hat, inwieweit Gutachterkosten überhöht sind oder nicht. Die Beklagte hätte im vorliegenden Fall der Geschadigten nicht vorhalten können, dass die Gutachterkosten um einen Betrag in Höhe von 105,62 EUR zu hoch ausgefallen sind.
Durch die Abtretung des Anspruchs an die Klägerin hat sich der Rechtsgrund nicht verändert. Insbesondere ist der Anspruch auf Schadensersatz nicht plötzlich durch die Abtretung zu einem Werklohnanspruch geworden.
Aus diesem Grund kann sich die Beklagte auch nur auf solche Einwendungen berufen, die sie auch gegenüber der Geschädigten gehabt hätte. Dies wäre im Bezug auf die Gutachterkosten der Einwand des Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht nach §§ 254, 242 BGB gewesen oder das substantiierte Bestreiten, dass nur der erforderliche Geldbetrag zu erstatten ist, der den Aufwendungen entspricht die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschadigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Aus welchem Grund die Geschädigte jedoch hätte erkennen können, dass – die Auffassung der Beklagten als richtig unterstellt – , die Gutachterkosten und insbesondere die geltend gemachten Nebenforderungen des Gutachters zu hoch ausfallen und damit nicht mehr den zur Schadensbehebung erforderlichen Aufwand darstellen, ist nicht vorgetragen worden. Da der Einwand der Kosten der Überhöhung somit nicht gegenüber der Geschädigten möglich gewesen wäre, kann sie ihn auch nicht im Rahmen der Abtretung der Klägerin gegenüber geltend machen, da sich der Rechtsgrund der Forderungen der Klägerin und die demgegenüber bestehenden Einwendungen nicht geändert haben.
Die Klägerin hat daher aus abgetretenem Recht einen weiteren Anspruch auf Erstattung der Gutachterkosten in geltend gemachter Höhe sowie aus dem Gesichtspunkt des Verzugs ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtücher Mahnkosten und Zinsen gemäß §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1,288 Abs. 1 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Beschluss:
Der Streitwert beträgt: 105,62 EUR.
Es ist doch immer erquickend sowas zu lesen 🙂
Es grüßt
Der Bösewicht
„Damit sind nach Auffassung des Gerichts auch nur solche Einwendungen für die Beklagte möglich, die auch gegen die Geschädigte hätten geltend gemacht werden können.“
„Durch die Abtretung des Anspruchs an die Klägerin hat sich der Rechtsgrund nicht verändert. Insbesondere ist der Anspruch auf Schadensersatz nicht plötzlich durch die Abtretung zu einem Werklohnanspruch geworden.
Dies wäre im Bezug auf die Gutachterkosten der Einwand des Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht nach §§ 254, 242 BGB gewesen oder das substantiierte Bestreiten, dass nur der erforderliche Geldbetrag zu erstatten ist, der den Aufwendungen entspricht die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschadigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Aus welchem Grund die Geschädigte jedoch hätte erkennen können, dass – die Auffassung der Beklagten als richtig unterstellt – , die Gutachterkosten und insbesondere die geltend gemachten Nebenforderungen des Gutachters zu hoch ausfallen und damit nicht mehr den zur Schadensbehebung erforderlichen Aufwand darstellen, ist nicht vorgetragen worden. Da der Einwand der Kosten der Überhöhung somit nicht gegenüber der Geschädigten möglich gewesen wäre, kann sie ihn auch nicht im Rahmen der Abtretung der Klägerin gegenüber geltend machen, da sich der Rechtsgrund der Forderungen der Klägerin und die demgegenüber bestehenden Einwendungen nicht geändert haben.“
Deutlicher kann man kaum die grundsätzliche Nichtigkeit der unerheblichen Einwendungen in Kürzungsschreiben der div- Versicherungen verständlich machen und dies gehört somit an den Anfang jeder Klage- Was meint ihr dazu?
H.U.
Mit Hinweis auf den Vorteilsausgleich und einen Satz zur Indizwirkung wäre das Urteil noch besser gewesen.